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Zatoichi - Der blinde Samurai 116 Min., Drama, Japan 2003 REGIE: Takeshi Kitano DARSTELLER: Beat Takeshi, Tadanobu Asano, Michiyo Ogusu |
Regie/Buch: Takeshi Kitano
Kinostart: 24. Juni 2004
Takeshi Kitano. Was kommt einem in den Sinn, wenn man diesen Namen hört? Der Regisseur, Autor und Hauptdarsteller, einer der größten Entertainer Japans, ist auch hierzulande längst eine Kultfigur geworden. Er ist nicht nur Filmemacher, sondern auch TV-Produzent, der mehrere Shows pro Woche auf die Beine stellt. Takeshi Kitano hat außerdem auch die Hauptrollen in "Sonatine" und "Hana-Bi" gespielt. Aber bevor er seine Leinwanderfolge feiern konnte, wurde seine Karriere an einem eher komischen Schauplatz als am Set eines Filmes angefangen. Der Regisseur hat als Clown die Menschen im Zirkus unterhalten, und zwar sehr erfolgreich. Er ist mit seiner Truppe in ganz Japan herumgereist. Erst danach wechselte er in die Kinobranche.
"Der blinde Samurai" ist sein erster Film, dessen Grundidee nicht von ihm stammt. Das Historienepos bezeichnet er als seine interessanteste und aufwändigste Arbeit, die ihm sehr viel Spaß bereitet hat. Der Regisseur probierte sich in einem eigentlich komplett neuen Genre aus. Die Filme von dem legendären Meister Kurosawa ("Die sieben Samurai") waren in gewisser Hinsicht eine Inspiration für ihn. Er hat aus dieser Geschichte etwas ganz Eigenständiges gemacht, das sich durch seine Authentizität von den letzten Hollywood-Samurai-Interpretationen ("The Last Samurai") unterscheidet. Während Edward Zwick und Co. die Moral des Ganzen zuerst durchgekaut und diese dann dem Zuschauer portioniert in den Mund legt, verbirgt sich bei Kitano die Sentenz zwischen den Zeilen. Man hat daher viel Raum, um seine Fantasie zu entfalten und nachzudenken. Die komplexen Charaktere, die meist eine traurige Geschichte in sich tragen, reden nicht viel, nur das Nötigste. Aber man versteht sie durch ihre Taten. Andererseits versetzt Kitano in jedem seiner Filme die Figuren in ähnliche soziale Abhängigkeitsverhältnisse und zeigt vom Schicksal zur Gewalt getriebene Protagonisten, die eigentlich aus Not zu extremen Handlungen gezwungen sind. Nach dem Motto "Das Ziel rechtfertigt jede Mittel" schicken sie alle ihre Gegner in den Tod. Hier ist es zum Beispiel ein arbeitsloser Samurai, der sich bei einem Ganganführer um einen Leibwächterjob bewirbt und wegen seiner kranken Frau eine Blutorgie veranstaltet.
Der blinde Samurai Zatoichi, gespielt von Kitano selbst, ist einer der legendären Helden Japans. Er ist ein Meister des Schwertkampfes, der durch das Land wandert und sich als Masseur ausgibt. Er ist ein einsamer, geheimnisvoller Krieger, der rachsüchtige und blutige Selbstjustiz ausübt. In Japan des 19. Jahrhunderts haben die Banden die Oberhand über das Volk gewonnen. Der blinde geheimnisvolle Mann mit seinem Gehstock, in dem er seine gefährliche Klinge verbirgt, kommt in eine Stadt, in der die Ginzo-Gang regiert. Eine alte Frau (Michiyo Ogusu) gewährt ihm Unterkunft und erzählt ihm über die schwierige Lage in diesem Ort. Zatoichi beginnt, sich mit dem Leben der Einwohner vertraut zu machen, indem er sich in einem Spielsalon die Zeit vertreibt und dort den lustigen Neffen von O-Ume Shinkichi (Guadalcanal Taka) kennenlernt. Die beiden freunden sich an und während eines nächtlichen Spaziergangs treffen sie auf zwei Geishas, O-Sei (Yuko Daike) und O-Kinu (Daigoro Tachibana), die auch durch die Dörfer wandern, um das Geld mit Prostitution zu verdienen. Und Dank seines tiefsinnigen Gespürs erkennt Zatoichi, dass die beiden Frauen in Wirklichkeit Bruder und Schwester sind. Die Geschwister erzählen dem Blinden und seinem Freund die bittere Wahrheit, warum sie so einen erniedrigenden Beruf ausüben: Ihre Familie wurde von einer Gang ausgelöscht, während sie sich verstecken konnten und sich so das Leben retteten. In jener Nacht haben sie Rache geschworen und suchen seitdem nach den Mördern. Den einzigen Anhaltspunkt, den sie haben, ist ein Name: Kuchinawa, vermutlich ein Anführer der Ginzo-Gang. Der blinde Samurai entscheidet sich, den beiden zu helfen und damit die Stadt von den Banden zu befreien. Der einzige Mann, der dem Meister entgegentreten kann, ist der Leibwächter des Anführers von Banditen Hattori (Tadanobu Asano), auch ein Samurai. Damit zieht sich Zatoichi in ein gigantisches Gemetzel hinein und veranstaltet ein Blutbad.
Das bildgewaltige Epos ist wieder mal ein gelungenes Werk des Meisterregisseurs, der hier die Schusswaffen durch die Samuraischwerter ersetzt. Er inszeniert ein Spektakel mit Blutströmen und wilden Tanzeinlagen. Der Film ist in besten Traditionen des japanischen Schwertkampfmovies gemacht, bei dem man Kitanos Handschrift in jedem Bild lesen kann. In seinen Filmen stellt Kitano neue Regeln auf, die längst zu seinem Markenzeichen geworden sind, aber im realen Leben keine Gültigkeit haben. Die Schwerter blitzen, Blut spritzt in alle Richtungen, also ein perfekt inszeniertes Massaker, bei dem die Hälfte der Beteiligten umkommt. Wer Lust auf ein Actionmärchen mit einem philosophischen Hintergrund hat, sollte unbedingt reingehen. Und für Cineasten ist es einfach ein Muss.
Gesehen von Xenia Sigalova
In Kurt Langbeins neuem Dokumentarfilm geht es um unterschiedliche Menschen, die sich für eine nachhaltigere Welt einsetzen.
Zigeuner
Daten |
Zigeuner REGIE: Stanislaw Mucha |
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Regie: Stanislaw Mucha
In seinem Film „Zigeuner" nimmt uns Stanislaw Mucha mit auf eine Reise in die Ostslowakei, eine Reise, deren Bilder sich in das Gedächtnis einbrennen und eine Reise, die sonderbar ratlos stimmt. Von Zigeunersiedlung zu Zigeunersiedlung reist das Filmteam, nimmt viele fröhliche Kinder und viele wütende, enttäuschte, resignierte Erwachsene auf. Ab und zu werden Fragen gestellt, doch der Film unternimmt kaum Anstrengungen, den gezeigten Problemen auf den Grund zu gehen. Man erfährt, dass die Zigeuner (oder Roma) Kartoffeln stehlen, dass sie zu etwa 80% von Sozialhilfe leben, dass sie sehr arm sind, dass sie unglaublich viele Kinder bekommen (10-20), und letztere Tatsache auch nicht in Frage stellen. Man hört ihre Forderungen nach Wohnungen, nach Strom, nach Arbeit. Ihre Enttäuschung über die herablassende Haltung der „Weißen" braucht nicht erst hervorzubrechen, sondern ist unmittelbar zu spüren. Nur wenige Stimmen versuchen die Vorwürfe zu dämpfen. So eine Szene zu Beginn des Films: Ein Sportplatz ist gebaut worden, für die Zigeuner. Diese beschweren sich: Wozu ein Sportplatz, warum keine Wohnungen? Und überhaupt, warum zu diesem Preis? Das Holz könne man viel billiger bekommen. Ein anderer Zigeuner versucht, zu beschwichtigen: Holz habe halt nicht immer denselben Preis. Aber dann winkt er ab, denn er kommt gegen die Wut so vieler Stimmen nicht an. Die Vorwürfe grenzen oft an Vermessenheit: Man habe den Zigeunern eine Pumpe versprochen, dafür, dass sie bei der Arbeit helfen. Der Arbeit an ihrem eigenen Sportplatz. Doch die Pumpe ist noch immer nicht da.
Es stimmt sehr nachdenklich, wie groß Wut und Zorn sind und wie leicht die Probleme, um die es geht, vielleicht zu lösen wären: Es geht um die erwähnte Pumpe, damit man Wasser hat, es geht um das Aufladen von Batterien, es geht um Wohnungen. Elementare Dinge, Wasser, Strom, Wärme, die alle Menschen benötigen. Man sieht: Die Zigeuner fordern, fordern, fordern. Und man sieht auch, dass sie schwer kämpfen müssen, um Grundlegendes, für die Zuschauer, die den Film sehen, Selbstverständliches, zu bekommen. Man spürt, dass man sich da am oberen Ende eines Strudels befindet, aber der Film führt nicht in diesen Strudel hinein. Er führt zur nächsten Siedlung wie in einer Wiederholungsschleife. Eine von diesen Siedlungen ist nicht einmal auf der Landkarte verzeichnet. Überall wieder die unzähligen Kinder. Dazwischen Interviews mit weißen, für die Zigeuner zuständigen Bürgermeistern. Da ist oft Distanz zu spüren, aber auch Ratlosigkeit und Müdigkeit. Die Zigeuner meinen immer wieder, dass die Gelder, die sie von der EU bekommen, irgendwo versickern. Aber wo? Bei Weißen? Bei Zigeunern? Ein Haus wird gebaut, für die Zigeuner. Aber die Toiletten sind weg. Wer hat sie gestohlen? Waren sie überhaupt schon da?
Nachdenklich stimmt auch die Art und Weise, wie die Zigeuner über andere Zigeuner und sich selbst denken. Das Selbstbewusstsein ist voller Trotz, sie unterteilen sich in „gute" und „schlechte" Zigeuner. „Gute" Zigeuner stehlen nicht und essen vor allem keine Hunde. Die Frage nach letzterem taucht immer wieder auf. Meistens wird alles abgestritten, nur einmal widerspricht ein Junge und bekommt sofort eine geschmiert. Nur ein Zigeuner besitzt das Selbstvertrauen, zu hinterfragen, was denn eigentlich so schlimm daran ist, Hunde zu essen, wenn einfach nicht genug Nahrung vorhanden ist.
Ganz am Ende begleitet das Filmteam dann ein Mädchen, welches sich um eine Arbeit als Verkäuferin bemüht. Sie besucht verschiedene Läden, die ausdrücklich nach einer Verkäuferin suchen. Sie hat eine Ausbildung absolviert, wird aber überall unter fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. Fakt ist: Man möchte sie nicht einstellen, weil sie Zigeunerin ist. Aber was erzählt uns diese Episode? Welche Vorgeschichte besitzt sie? Lehnt man sie ab, weil man Zigeuner nicht mag? Oder lehnt man sie ab, weil man mit Zigeunern schlechte Erfahrungen gemacht hat? Dazu schweigt der Film. Weder werden die verschiedenen Läden noch einmal aufgesucht, um nach der Motivation der Ablehnung zu fragen, noch werden, abgesehen von den Bürgermeistern, andere (weiße) Menschen aus den jeweiligen Gegenden befragt.
Insofern bietet der Film eine zumeist kurzweilige und auch sehr interessante Reise durch eine fremde, gar nicht so ferne Welt. Aber es bleiben so viele Fragen offen, auch nach dem Ziel und dem Anspruch des Films, der berührt, aber an der Oberfläche verweilt.
Gesehen von Paul Mittelsdorf