Wenn es dunkel wird...
Solange es hell ist, macht man sich lediglich Gedanken über die Wahl der optimalen Blende. Manchmal reduziert man das Licht gar mit ND-(Grau-)Filtern, um eine größere Blende und damit geringere Schärfentiefe zu erreichen. Doch wenn die Dämmerung naht, der Sonnenuntergang bevorsteht, wird die Auswahl kleiner und irgendwann bleibt nur noch die offene Blende übrig.
Objektive bestehen aus vielen hintereinander angeordneten Linsen, die aus möglichst reinem, hochwertigem Glas hergestellt werden. Je größer solche Linsen sind, desto aufwändiger und schwieriger ist es, sie fehlerfrei herzustellen. Die hohen Kosten für die optischen Teleskope in Sternwarten erklären sich zum Teil dadurch.
Für die Dreharbeiten am Set ist die Lichtstärke der Objektive ein wichtiges Kriterium. Je mehr von dem vorhandenen Licht auch auf dem Film landet, desto kleiner können die Scheinwerfer ausgelegt werden. Lichtstarke Objektive (High-Speed) können auf diese Weise helfen, Zeit und Geld zu sparen. Fairerweise muss man an dieser Stelle erwähnen, dass sie in Anschaffung und Miete teurer sind als einfache Objektive.
Wovon hängt die Lichtstärke eines Objektivs ab?
- Von der Brennweite. Je kleiner die Brennweite oder je größer der abgebildete Bildwinkel ist, desto mehr Licht gelangt auf den Film. Ein Weitwinkelobjektiv (großer Bildwinkel) ist also von Natur aus lichtstärker als ein Teleobjektiv (kleiner Bildwinkel).
- Von der Größe der Objektivöffnung. Je größer diese ist, desto lichtstärker ist das Objektiv. Lichtstarke Objektive haben eine größere Frontlinse als die „normalen“ Exemplare.
- Von der Glasqualität. Die Reinheit und Zusammensetzung des verwendeten Glases spielt eine wichtige Rolle.
Berechnung der Lichtstärke
Wie berechnet sich die Lichtstärke eines Objektivs, auch „relative Öffnung“ genannt?
Die Formel ist einfach. Man teilt die Brennweite (f) des Objektivs durch den Durchmesser der nutzbaren Öffnung (d) und setzt das Ergebnis ins Verhältnis zu 1.
Je kleiner der Divisor ist, desto lichtstärker ist das Objektiv. Lichtstarke Objektive können 1,5; 1,3 oder 1,2 als relative Öffnung verwirklichen, ultralichtstarke Objektive haben Öffnungsverhältnisse von 1:0,7. Das theoretisch günstigste (theoretische) Öffnungsverhältnis eines Objektivs beträgt 1:0,5. Die Angabe der relativen Öffnung auf dem Objektiv ist für die Schärfentiefe-Bestimmung wichtig.
T-Blende
Für die Belichtung, bei der wir ja mit Blendenwerten arbeiten, ist allerdings ein anderer Wert wichtig, nämlich die so genannte T-Blende (Transmissionsblende). Diese berücksichtigt auch den Lichtverlust durch das Glas der Linsen im Objektiv. Die Angabe des Öffnungsverhältnisses (relative Öffnung) ist also nicht die größtmögliche Blende, die wir am Objektiv einstellen können. Dies ist ausschließlich die T-Blende! Ein Objektiv mit der relativen Öffnung von 1:1,8 beginnt am Blendenring beispielsweise mit der Blendenöffnung 2,0; erkennbar auch am Aufdruck T: 2,0.
Die Referenz
Stanley Kubriks Film "Barry Lyndon" stellte 1975 in dieser Hinsicht alles zuvor Gewesene in den Schatten. Kubriks Anspruch, die Atmosphäre des 18. Jahrhunderts nachfühlbar zu machen, brachte ihn auf die Idee, ohne jeden Filmscheinwerfer zu drehen. Nur natürliches Sonnen- und Kerzenlicht wurden für die Ausleuchtung verwendet. Möglich wurde dieser Film durch die Verwendung spezieller Objektive, welche die Firma Carl Zeiss für die US-Raumfahrtbehörde NASA entwickelt hatte. Diese waren zwei Blenden lichtstärker als alle damals bekannten Filmobjektive. Die offene Blende lag bei 0,7. Wegen der erforderlichen höheren Baugröße konnten die Objektive nicht mit normalen Filmkameras verwendet werden. Kubrik kaufte deshalb einige alte Spezialkameras für Rückpro-Aufnahmen, an die man die großen Spezialobjektive adaptieren konnte. Das Experiment gelang grandios und gilt bis heute als Maßstab für Filme mit vorhandenem Licht (available light).
Vieles ist leichter geworden
Die modernen Aufnahmefilme (die letzte Generation, die hergestellt wurde), kompakte Filmleuchten und die sensiblen Sensoren in den Videokameras machen es leichter, auch ohne die absolut lichtstärksten Objektive auszukommen. Trotzdem bleibt die Möglichkeit, hier und da ohne Scheinwerfer und bei nur schwachem natürlichem Licht (Dämmerung, Citylights, Dokumentarfilme) drehen zu können, verlockend.