Totgeglaubte leben länger... 2017 wurden fast 40% mehr Leerkassetten verkauft, als im Vorjahr. Hören wir da richtig? Zugegeben, dass die Venylschallplatte ein Revival erlebt, hat sich herumgesprochen, aber dass die gute alte Musikkassette (offiziell: Compact-Cassette), die wir doch so gar nicht mehr auf dem Schirm haben, noch mal auftauchen würde, hätte niemand für möglich gehalten.
Dereinst vom holländischen Medienkonzern Phillips entwickelt und als einfach zu bedienende Amateur-Alternative zum 1/4 Zoll Tonband Ende der 60er Jahre auf den Markt gebracht, erfreuten sich die kleinen handlichen Cassetten zunächst in Mono, später in Stereo, größter Beliebtheit.
Die knalligen 70er Jahre brachten die skurrilsten Geräte und Cassetten hervor, knallige Farben und jede Menge Plastik gehörten zu den hervorstechendsten Merkmalen des neuen Aufnahmemediums. Im Grunde genommen war es natürlich das gute alte, in den 30er Jahren in Deutschland entwickelte Magnetband, welches aber dank schmalerer Spurbreite und winzigen Spulen in den Cassettengehäusen die Bedienung von jeglicher Komplexität befreite. Dafür waren allerdings einige Kunstgriffe notwendig. Schmaleres Tonband (1/8 Zoll) und langsamere Abspielgeschwindigkeit waren die physikalischen Zwänge, welche die Miniaturisierung notwendig machte.
Später wurde die Technik vor allem von japanischen Konzernen immer weiter perfektioniert, erlebte die praktische Möglichkeit der analogen Bandaufzeichnung bis in die 90er Jahre hinein, einen großartigen Siegeszug. Für Filmtonzwecke stellten Firmen wie Uher, Sony, HHB oder Marantz portable Cassettenrecorder her, die sich von der Bedienphilosophie stark an der Nagra orientierten. Andere Geräte wurden so klein gebaut, dass sie kaum größer als die Cassetten selber waren. Zusammen mit eingebauten Stereo-Mikrofonen waren sie die Vorbilder für heutige Mini-Digitalrekorder a la Zoom.
Design & Spitzentechnologie
Während die europäischen Hersteller von Compact Cassetten wie BASF oder Agfa lange mit eher schlichtem Design daher kamen, lieferten sich de japanischen Hersteller wie Maxell oder TDK echte Design-Wettkämpfe in Sachen Look & Feel. Grau oder Schwarz, glänzend oder mattiert, manchmal sogar mit winzigen Metallspulen in den Cassettengehäusen um den Look einer Tonbandmaschine zu immitieren, wurden die Cassetten nicht nur immer besser, sondern auch immer teurer.
Doch auch die Recorder jagten immer neuen Leistungsrekorden hinterher. Spitzengeräte erzielten Frequenzgänge bis 20.000 Hz und dank Dolby, DBX und Telcom Rauschabstände, die hochprofessionell waren. Profigeräte von Studer, Tascam, Yamaha oder Nakamichi erlaubten es sogar, die Vormagnetisierung der Aufnahmen auf die Bandsorte einzumessen. Manche Geräte wie das Tascam Z7000 erledigten diese wichtige Aufgabe zur Klangoptimierung sogar automatisch.
Nicht nur Sonnenschein
Leider hatten die kleinen Kassetten trotzdem auch ihre Grenzen. Wegen der niedrigen Bandgeschwindigkeit (4,75 cm/Sekunde) konnte man die Qualität nicht unbegrenzt steigern. Außerdem konnten sie Bandsalat produzieren und waren eben nun einmal analog.
Unzählige Tonfreunde haben ihr halbes Leben vor den Cassettenrecordern verbracht und Musik von Schallplatten oder Radio mitgeschnitten. Wenn man mühsam ein oder zwei Stunden tolle Musiktitel zusammengestellt hatte und das kostbare Werk kopieren wollte, verlor man mal eben mindestens 3 dB Rauschspannungsabstand sowie auch Klangqualität.
In der ersten Generation und mit einem hochwertigen Kassettenrekorder aufgenommen, übertrafen sie jedoch deutlich die Qualität von CDs.
Digitale Vertreibung
Mit den Digitalrekordern verschwanden die analogen Compact-Cassetten nach und nach von der Bildfläche. Nur ab und an sieht man sie noch, zumeist, wenn wieder Jemand seine alten Bestände in die Mülltonne geworfen hat oder man Altgeräte bei den Reststoffhöfen abliefert. Was kaum Jemand ahnt,- es werden noch immer Cassettenrecorder gebaut und verkauft und auch die kleinen Cassetten sind noch immer,- zumeist eher online, erhältlich.
Wie dem auch sei, 2017 wurden 129,000 neue Cassetten verkauft, das sind so viele, wie zuletzt 2012. Angeblich soll der Film "Guardians of the Galaxy" von 2014 nicht ganz unschuldig an dem Trend sein, in welchem die Compact-Cassette massiv gefeatured wurde. Der Soundtrack ist tatsächlich auf Compact-Cassette erhältlich und selbst die CD-Cover des Soundracks zeigen ein Kassettenrekorderfach. Auch andere Künstler haben ihre Alben parallel zu den digitalen Medien auch auf Compact-Cassette herausgebracht. Darunter sind auch Eminem’s 2002er Album "The Eminem Show" oder Kanye West’s 2013 er Album "Yeezus".
Zugegeben, das sind nicht abenteuerlich viele Kassetten, doch ein guter Anlass, sich noch einmal an die goldenen Zeiten der analogen Audiotechnik zu erinnern.