„Keiner ist perfekt.“
... lautet der Schlusssatz in „Manche mögen’s heiß“ („Some Like It Hot“, USA 1959), eine Erkenntnis, die auch auf die Models und Filmschönheiten, sprich Schauspieler-innen dieser Welt problemlos anwendbar ist. Bei Dreharbeiten und Fotoshootings kommen abgesehen von unsäglichen „chirurgischen Vorarbeiten“ auch höchste Make-up-Kunst bis hin zu Klebebändern zur Hautstraffung zum Einsatz. Von all diesen Dingen möchten wir an dieser Stelle nicht sprechen.
Menschliche Schönheit hat zumeist mit dem Charakter, der Seele zu tun. Proportionen und Gesichtszüge spielen in der wirklichen Welt keine so große Rolle. Im Kino und TV manchmal schon, obwohl einige der größten Weltstars gerade mit und durch ihre ungewöhnlichen Charakterköpfe berühmt geworden sind. Hier soll es darum gehen, was Licht , Kamera und Bildgestaltung dazu beitragen können, den menschlichen Faktor etwas zu harmonisieren. Kurz: Wie macht man Nahaufnahmen schöner?
Positionsbestimmung
Wichtige Vorgaben werden bereits durch die Position bestimmt, in der sich der/die Schauspieler/-in befindet. Ergonomie ist das Stichwort, das das Verhältnis zum umgebenden Raum definiert. Umstände gestalten die Wirkung der Person mit. Da wir an dieser Stelle darüber nachdenken, wie Aufnahmen schöner werden, sollten folgende Bedingungen vermieden werden:
- Der Schauspieler sackt in einem zu weichen Sessel zusammen. So kann man keine gerade Körperhaltung realisieren.
- Die Sitzfläche des Stuhles ist viel zu klein. Der Schauspieler fühlt sich unbehaglich.
- Der Stuhl ist etwas zu hoch, der Schauspieler nimmt eine leicht thronende Körperhaltung ein.
- Der Stuhl ist zu niedrig, der Schauspieler wirkt gedrungen, die Knie drücken gegen den Bauch.
- Der Schauspieler steht auf abschüssigem Boden. Die Schräge auszugleichen, nimmt ihm innere Ausgeglichenheit.
- Der Schauspieler spielt auf sehr engem Raum und läuft ständig Gefahr, Gegenstände der Requisite umzuwerfen.
Lichtsituation
Auch die Lichtquellen sind wichtig. Der Schauspieler sollte vom Licht nicht geblendet werden. Außerdem sollten die Scheinwerfer mindestens so viel Abstand vom Schauspieler haben, dass dieser keine direkte Hitzestrahlung spürt. Auf keinen Fall sollte er zu dicht vor einer Wand sitzen, um harte, unschöne Schatten auf der Wand zu vermeiden.
Auf der Wand im Hintergrund sollte auch nicht hinter dem Kopf des Schauspielers die Begrenzung eines Scheinwerferlichtkegels zu sehen sein. Das wirkt wie ein Heiligenschein und setzt die falschen Signale.
Optische Korrekturen
Kleiner Darsteller
- Kamera: sollte auf Augenhöhe mit dem Schauspieler gehen, Aufsicht vermeiden.
- Licht: Augenhöhe oder leicht von unten.
- Schauspieler: Größenunterschiede zwischen Schauspielern kann man durch hohe Absätze, ggf. Holzkisten o. ä. oder eine geschickte Staffelung im Raum (kleinerer Darsteller im Vordergrund, größerer im Hintergrund) ausgleichen.
Ungleichmäßige Gesichtsproportionen
- Kamera: Augenhöhe
- Licht: Führungslicht (kleinere Gesichtsseite) härter, Aufhellung weicher
- Schauspieler: Kleinere Gesichtsseite zur Kamera
Lange Nase
- Kamera: Gesicht von vorne (kein Profil!), Kamera in Augenhöhe
- Licht: Führungslicht und Aufhellung möglichst aus engem Winkel zur Kamera
- Schauspieler: Gesicht (Kinn) leicht anheben
Auffällige Teil- oder Vollglatze
- Kamera: Etwas niedrigere Kameraposition (leichte Untersicht)
- Licht: Auf der Glatze leicht abschatten, Kante (Haarlicht) möglichst weglassen, Schauspieler durch das Raumlicht vom Hintergrund abheben
Rundes, flächiges Gesicht
- Kamera: Position leicht erhöht
- Licht: seitlich
- Schauspieler: Gesicht ins Dreiviertelprofil drehen
Schmales, längliches Gesicht
- Kamera: Frontal
- Licht: Führungslicht schwach (evtl. nur 1/2 Blende über Aufhellung) und weich
- Schauspieler: Kinn leicht anheben
Faltiges Gesicht
- Kamera: Gesicht leicht im Profil (Dreiviertel) aufnehmen. Längere Brennweite verwenden.
- Licht: Möglichst weich (Softbox/Chimära) und aus Augenhöhe
- Schauspieler: Maske Base-Fluid mit Filmpuder gut abdecken
Doppelkinn
- Kamera: Leichte Aufsicht (höhere Position)
- Licht: Kante etwas stärker als üblich
- Schauspieler: Kinn leicht anheben
Abstehende Ohren
- Kamera: Nicht frontal, besser Halbprofil
- Licht: Ohren etwas abdunkeln
- Schauspieler: Haare vorteilhaft kämmen
Übermächtige Stirn
- Kamera: Niedrigere Kameraposition (leichte Untersicht)
- Licht: Im Stirnbereich leicht abdunkeln
- Schauspieler: Kinn leicht anheben
Tiefe Augenhöhlen
- Kamera: Augenhöhe, besser Halbprofil
- Licht: Weiches Licht leicht von unten und frontal zum Gesicht, evtl. zusätzlich Augenlicht
- Schauspieler: zum Licht spielen, Maske evtl. im Augenbereich etwas heller schminken
Starke Tränensäcke (Augenringe)
- Kamera: Augenhöhe, besser Halbprofil
- Licht: Von oben, weich, um die Tränensäcke flacher erscheinen zu lassen
- Schauspieler: Kopf leicht senken
Schönheit ist relativ
Selbstverständlich sind diese Tipps, wie überhaupt Schönheitsideale, sehr relativ. Oft sind gerade Unvollkommenheiten die Eigenschaften, die den besonderen Ausdruckswert eines Schauspielers ausmachen. Auch damit kann und sollte man arbeiten, wenn es zur Geschichte des Filmes passt. Abgesehen davon nützen die idealen Traumproportionen nur wenig, wenn die zugehörige Seele, der Charakter beim Zuschauer nicht ankommt.
Schönheit zu vermitteln, zu spielen, ist eine hohe Kunst. Wer jemals den großartigen Michel Simon in einem seiner Spielfilme – z. B. „Eine wunderbare Liebe“ („L’Étrange désir de Monsieur Bard“, Frankreich 1953) – gesehen hat, weiß, was gemeint ist.
Seltsamerweise werden die hier erläuterten Möglichkeiten hin und wieder auch zur negativen Verstärkung verwendet. Auch wenn es dem Berufsethos absolut widerspricht, soll es gerade im aktuellen Bereich häufiger vorkommen, dass Filmteams Leute, die ihnen unsympathisch sind, absichtlich unvorteilhaft aufnehmen. Aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte...