Handys sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, wie finden sie Eingang in Filme und Serien? Nun der Film hat sich schon immer etwas schwer damit getan, andere Medien oder gar selbstreferenziell das eigene Medium zu integrieren. Die Szenen im Kinosaal a la "Cinema Paradiso" oder "Amacord", die laufenden Fernseher a la "JFK", all das waren bemühte Versuche, etwas zusammenzubringen, was nicht zwingend zusammengehört. Doch irgendwie hat das immer irgendwie geklappt, es waren jeweils Bewegtbildmedien die im Bewegtbildmedium Film vorkamen.
Mit Internet und Smartphones scheint es ungleich schwerer zu sein, diese sinnvoll und halbwegs aktuell zu visualisieren. Gerade das Fernsehen hat lange gebraucht zu begreifen, wie sich Menschen, gegenseitig SMS schreiben. Die in Serien und Filmen abgebildeten Nachrichten sind entweder zu wenig umgangssprachlich oder zu ausführlich.
Bisher ist es selten wirklich überzeugend gelungen, das was hinter bunten Sprechblasen, Selfies und Emoticons steckt, auch nur halbwegs zu visualisieren. Denn das eigentliche Phänomen sind eben gerade nicht die farbigen Felder, die Textzeilen, die zwinkernden Emoticons,- es bleiben die Menschen, welche durch diese Zeichenwelt nur Signale senden, aber emotional als Charakter weitgehend unsichtbar bleiben. Deshalb besteht ständig die Gefahr, dass selbst ernstgemeinte, existentielle Botschaften, als Sprechblasen eingeblendet, ihre Bedeutung verlieren und ziemlich oberflächlich wirken.
Dass sie bisher eher selten in Filmen und Serien vorkamen hängt natürlich auch mit dem Alter der Drehbuchautor*Innen zusammen. Eine neue Generation an Drehbuchautoren geht mit Smartphones vermutlich selbstverständlicher um als die etablierten Autor*Innen. Es ist zudem gar nicht so einfach, Smartphone in ein Drehbuch einzubauen, ohne dass die Spannungsbögen zerstört werden. Auch sollen sie nicht als zu dominant wahrgenommen werden. Serien wie "House of Cards“, "Sherlock","Girls“, "Sex Education" oder "Emily in Paris" haben Handys bereits deutlich in die Handlungsebene eingebaut.
On Screen Sprechblasen
Filmheld*Innen wirken immer dann besonders interessant und glaubwürdig, wenn sie handeln, statt zu reden. Das Tippen von Nachrichten auf einem Glasdisplay ist noch weniger interessant, als das Reden. Deshalb kommen die meisten Filmheld*Innen ohne Smartphones aus oder nutzen sie nur im erzählerischen Notfall. Viele Krisen und Probleme wären auch zu einfach zu lösen, wenn die Protagonisten Handys dabei oder einfach nur Empfang hätten. Echte Abenteuer brauchen aber übergroße Probleme, da sind Online-Problemlöser, die gleich jede Spannung rausnehmen, fehl am Platze. Da sich die Oberflächen auf den Smartphones auch laufend ändern, manche Plattformen sogar dicht machen oder aufgekauft und umbenannt werden, wirkt jeder Film, der mit den Visuals arbeitet, bereits nach wenigen Jahren veraltet. Deshalb werden die jeweiligen Plattformen vorzugsweise gar nicht zitiert, sondern eigene, ähnliche Sprechblasen und Visualisierungen erfunden, die neutral bleiben. Und selbst wenn wir mal an die Begrifflichkeiten denken, offenbart sich, dass es für die Einblendungen in Filmszenen auch keine wirklichen Fachbegriffe gibt. Popups? Sprechblasen? Handyscreens? Chats? Posts? Wir haben noch keinen wirklichen Fachbegriff entwickelt, auch daran merkt man, dass es sie noch nicht allzu oft gibt.
Inzwischen gibt es ganze sogenannte Desktop-Filme (Screenmovies), wie zum Beispiel "Searching" von Aneesh Chaganty 2018, "Noah" (von Walter Woodman & Patrick Cederberg, 2013) oder "Profile" (von Timur Bekmambetov), die völlig ohne Kamera entstanden und lediglich aus Screen-Videos und einer Tonebene bestehen. Alles was man sieht, sind Benutzeroberflächen, Texte und Sprechblasen. Die Geschichte muss man sich selbst im Kopf zusammenbasteln. Ist das noch Film? Waren die Filme, die nur aus editierten Aufnahmen von Überwachungskameras zusammengeschnitten keine Filme? Natürlich sind auch Bildschirm-Filme Filme, ob sie aber jemals die Magie und die Strahlkraft des Kinos erreichen können, ist fraglich.
Glass Onion
(Regie: Rian Johnson, USA 2022) Ein Milliardär lädt eine Handvoll mehr oder weniger von ihm abhängige Freund*Innen auf seine Privatinsel ein, doch überraschend kommt auch der weltbeste Privatdetektiv als Gast. Und dann geschieht recht bald ein erster Mord. Der von Netflix produzierte Krimi ist seltsam widersprüchlich. Einerseits ist es letztlich ein klassischer Krimi a la Hercule Poirot (Agatha Christie) andererseits werden zahlreiche Visuals von Social Media Botschaften in das Filmbild eingearbeitet. Übrigens einer der wenigen Filme, in denen anfangs sogar Corona-Masken auftauchen. Am Anfang des Filmes werden zusätzlich auch noch Split-Screen Parallelebenen verwendet, was am Anfang zu einem ziemlichen Bildersalat führt, der einen fast dazu bringt, die gläserne Zwiebel abzuschalten. Die Visualisierungen von Handy-Screens neben den Protagonist*Innen tauchen relativ selten auf, was aber dem Storytelling nicht schadet, denn auf der Social Media Visualisierungsebene tut sich nur wenig, was man nicht auch anders hätte erzählen können.
Emily in Paris
Die junge Agenturmitarbeiterin Emily wird aus den USA nach Paris geschickt um im dortigen französischen Tochterunternehmen die Geschäfte anzukurbeln. Dabei tappt sie in allerlei Fettnäpfchen, die aber zumeist nur welche sind, weil zahlreiche Klischees über die Franzosen bemüht werden. Die zweiterfolgreichste Serie auf Netflix 2022 lässt das Smartphone ihrer Protagonistin, Emily fast schon zu einer weiteren Hauptfigur werden. Wenn aber die Nutzerin des Handys bereits etwas oberflächlich angelegt ist und durch ein klischeehaftes Paris stolpert, als befänden wir uns noch in den 70er oder 80er Jahren, dann können die zahlreichen Display-Einblendungen ihres Lieblingskommunikationsmittels schwerlich mehr Tiefgang liefern. Das birgt natürlich einige Gefahren in sich, wenn die durch das Handy repräsentierten Aktivitäten weitgehend Social Media Oberflächlichkeiten sind, tendiert deren tieferer Sinn dazu, ebenfalls eher weniger Tiefgang zu bieten. Doch das hängt auch von der Zielgruppe ab, junge Menschen, die sich stark über ihre Social Media Kontakte definieren, werden sich vermutlich Zuhause fühlen. Und vielleicht soll die Serie auch einfach von Oberflächlichkeiten erzählen und die Zuschauer*Innen in einem angenehmen Zustand der Zerstreuung halten.
Über die Qualität kann man vortrefflich streiten, die Serie gehört zu den erfolgreichsten auf der Netflix-Plattform. Mehrheitlich zieht Emily ihre genialen Einfälle aus irgendwelchen Chats oder Posts, die sie gerade erhalten hat. Etwa wenn sie etwa der Chefin einer Champagner Kellerei, die sich Sorgen um den Absatz macht, empfiehlt, eine Kampagne für und eigene Linie an Champagner zu starten, die ausschließlich zum Verschütten und Versprühen gedacht ist, wenn man feiert. Genau so wie im letzten Videopost ihrer singenden Freundin Mindy (Ashley Park) nach deren Comeback Auftritt zu sehen. Andererseits sind die Aktionen und Reaktionen, welche durch die Posts in der Serie erzielt werden, sehr dicht verkoppelt mit den Einblendungen der Sprechblasen und Bilder. Wenn man also die dichte Einbindung dieser Ebene sucht, ist das sicherlich ein gangbarer Weg.
Emoji – Der Film
(Regie: Tony Leondis ,USA 2017) Ein mittelschwerer Albtraum für alle Filmemacher*Innen, was sich da mitfinanziert von den global Playern des Silicon Valley, in die Kinos hineinzwängte. Vor allem die völlig sinnentleerte Story, die in einem Handy spielt, sowie die extrem manipulativen Produktplatzierungen zeigten deutlich, wes Geistes Kind der Film war. Ein Versuch der Social-Media-Konzerne, die Zielgruppe, zumeist Kinder und Jugendliche zu beeinflussen, primitiver Humor, dümmliche Dialoge..
Doku »Catfish« (2010)
In dem Film hat einer der Filmemacher, Nev eine Internetbeziehung mit Megan, der ältesten Tochter einer Familie. Dabei arbeiten die Filmemacher mit den Oberflächen von Facebook, Google Maps und Mailprogrammen um die Kontakte und die Recherchen nach der Wahrheit zu visualisieren. Doch dann gibt es plötzlich Zweifel an deren warer Identität und die gefilmte Recherche zeigt schließlich, dass eine einsame ältere Frau die Familie und auch die Tochter frei erfunden hatte.
Doku „Girl Gang“
Dokumentarfilm von Susanne Regina Meures über die Teen-Influencerin Leoobalys, der 1,5 Millionen Menschen folgen. Ein Film über Erfolg von Influencern, den Preis den man dafür zahlt und über Einsamkeit.
"SMS für dich“
(Regie: Karoline Herfurth, D 2009). Die Kinderbuchillustratorin Clara verliert ihren Freund durch einen Autounfall. Sie schreibt, wie in ein Tagebuch weiterhin SMS Nachrichten an seine Handynummer. Diese Einträge werden als Visuals neben ihr eiungeblendet. Was sie aber nicht weiß ist, dass die Handynummer längst an Jemand anderen vergebwn wurde, nämlich an Mark, einen Journalisten...
"Druck"
(Idee: Julie Andem) Die preisgekrönte deutsche Adaption einer norwegischen Serie (Skam), die Webserie "Druck" reizt die Verknüpfung der Erzählebenen noch viel weiter aus. Hier werden nicht nur Social-Media Botschaften als Sprechblasen in die Filmbilder einmontiert, auch die beteiligten Social Media Kanäle werden tatsächlich direkt bespielt. Die Geschichten rund um eine Gruppe Jugendlicher an einem Berliner Gymnasium werden auf ungewöhnliche Weise veröffentlicht. Bevor nämlich jeweils an einem Freitag eine neue Folge der Serie online geht, werden bereits an den Tagen vorher einzelne Teile als Clips vorab bereitgestellt. Zusätzlich wurden für einzelne Figuren eigene Accounts in Social Media Plattformen erstellt, über welche die Zuschauer*Innen den Figuren folgen und mehr über sie erfahren können. Veröffentlicht wird die Serie auf "funk", dem Online Angebot von ARD und ZDF.
"Sex Education"
(Drehbuch & Idee: Laurie Nunn) Die geniale Coming of Age Serie "Sex Education" arbeitet bemerkenswert authentisch, was Textnachrichten angeht. Die Nachrichten sind mehrheitlich nicht Mitteilungen, die Drehbuchhandlungen ersetzen sollen, sondern sind organische Ergänzungen realer Gespräche und Situationen. Und sie kommen nur dort, wo es sinnvoll ist, zum Einsatz. Sie verzichten auf irgendwelche modischen Schnörkel und wissen klar zu unterscheiden, was ein Punkt und was ein Ausrufezeichen oder Emoi bei der Deutung einer Nachricht verändern. Die Serie erzählt auch von der Ungeduld, wenn man auf eine Antwort wartet oder der Enttäuschung wenn die andere Person einfach zu unbeholfen ist im Umgang mit den Kurznachrichten. Sie sind knapp, oft nur Gedankensplitter oder Gefühlsausdruck. Die farblich genau zugeordneten Wortblasen transportieren klare und einfache Botschaften, die genau so sind, wie man sie auch im wirklichen Leben texten würde.
Man wird sehen...
Die verschiedenen Beispiele für Visualisierungen und Einbindung von Handybotschaften und Posts in Filme zeigen deutlich,- da ist noch Luft nach oben, noch sind sie eher selten. Das hat vielfältige Gründe, eine Theorie geht davon aus, dass Zuschauer mit den Handys auch Arbeitstsress oder Zwänge, zu Reagieren verknüpfen und sich bei Filmen eher entspannen wollen. Und natürlich wären viele Filmgeschichten gar nicht funktionabel, wenn die Filmfiguren permanent erreichbar wären und ständig kommunizieren würden. Wenn man sich andererseits auf die Sprechblasenwelt einlässt, muss einem auch klar sein, dass praktisch alle, die intensiv auf Social Media unterwegs sind, eine permanente Dynamik erwarten,- das bleibt nicht ohne Einfluss auf das Erzähltempo der Filme.