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 Thesen zu Gestaltung und Haltung

Bildsprache und Dramaturgie von VR Filmen benötigen neue Gestaltungsregeln. Wo liegen die kreativen Mittel und Grenzen? Eine Einführung in das Thema.

 

Noch ist die Neugier die Antriebsfeder, ist das Überraschende, eine realistischere Seherfahrung als bisher zu machen, im Vordergrund. Unsere Erfahrungen bei VR Aufnahmen und Tests im Movie-College haben viele Fragen aufgeworfen und die Notwendigkeit, sich Gedanken über die Inhalte, die Dramaturgie und Ethik der neuen Visualisierungsmöglichkeiten machen. Denn nur wenn überzeugender und starker Content mit einer breiten Auswahl angeboten wird, können die Versprechen der Industrie bezüglich des Erfolges von VR Filmen auch eintreten. Sonst wird VR nur bei Games eine Erfolgsgeschichte.

 

Handelt es sich bei allem, was sich bewegt und 360 Grad Rundumblick gewährt, bereits um einen Film, oder eher um eine Erfahrung? Wann beginnt die gestaltete Geschichte, wo die Dramaturgie?

 

Im Folgenden möchten wir einige Thesen und Anmerkungen zur Gestaltung von VR Filmen liefern.

 

Wegschauen unmöglich

Während klassische Wiedergabewege es stets erlaubt haben, durch Wegschauen, wegdrehen etc. sich von Darstellungen oder Simulationen auch abzuwenden, klebt die neue virtuelle Darstellung per VR-Brille förmlich auf dem Kopf und muss erst heruntergenommen werden, um ihr selbst für kurze Momente zu entfliehen. Sie ist damit absoluter als konventionelle Display-Wahrnehmung.

 

Und natürlich nimmt VR den Betrachtern durch die Isolierung von der eigentlichen Realität auch deren steuernde Mechanismen wie Zeitwahrnehmung, Lichteinflüsse etc. Filme sind noch recht kurz, aber Gamer könnten deutlich länger in den Level ihrer Spiele versinken, ohne jedes Zeitgefühl.
Und natürlich wird man für die einen umgebende Wirklichkeit blind, man stößt sich an Gegenständen, wirft Dinge um, blendet die realen Räume und deren Eigenschaften vollständig aus.

 

Storytelling

Es gibt zahlreiche Schwächen der neuen Technologie, allen voran, die fehlende Synchronisation von Eigenbewegung im Raum und vorproduzierten Videofilmen. Die Art, wie man filmisch erzählt, muss diese Mängel kompensieren. Die Kameras müssen entweder an einer festen Position sein, wo die Geschichten oder Eindrücke müssen um die VR-Kamera herum geschehen, oder wenn sie sich bewegen, müssen sie sich so bewegen, dass es den Zuschauern, die an einer Stelle stehen oder sitzen, nicht schwindelig wird.

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Die neuen Erzählstrukturen müssen die Neugier der Zuschauer aktivieren, sich umzusehen, umzuhören, zu assoziieren. Die Möglichkeit, den Zuschauer mit nahezu realistischer Genauigkeit an andere Orte zu versetzen, ist eine starke Erzählposition. Unser Gehirn macht uns zum direkten Teilhaber des Geschehens oder im Falle von Games sogar zum aktiv Handelnden.

 

Die Rahmenbedingungen dafür sind bestens, schließlich sind die gezeigten Aufnahmen unausweichlich. Man kann nicht mehr aufstehen und zum Kühlschrank gehen, während der Film läuft, kann keine Mails checken, wenn die Handlung langweilt, kann keine Musik nebenher laufen lassen. Man muss sehen und hören. Selbst wenn man die Augen schließt, presst sich die Tonebene über die Kopfhörer ins Bewusstsein. Diese Bündelung der Aufmerksamkeit ist eine Voraussetzung, von der Filmemacher immer geträumt haben.

 

Die Fokussierung anders lenken

Während der klassische Film mit Hilfe von Bildsprache wie Einstellungsgrößen, Schärfe und Unschärfe, Kamerapositionen und Kamerabewegungen die Aufmerksamkeit des Zuschauers lenkt, benötigen VR Filme andere Mittel, um den Zuschauer erzählerisch zu begleiten.

 

Wechsel von Ort und Zeit

Allein schon ein Umschnitt, der im klassischen Kino akzeptiertes dramaturgisches Mittel ist, reißt im VR-Raum den Zuschauer aus der Illusion heraus. Wer bestimmt, wann ein Orts,- oder Zeitsprung stattfindet. Wie fühlt es sich an, wenn man als Zuschauer noch dabei ist, sich umzusehen, einen Ort, eine Situation zu erfahren, und plötzlich springt die Handlung an einen anderen Ort? Aktuell sind die VR Filme aus diesem Grund weitgehend One-Shot Produktionen, sie erzählen ihre Handlung in einer Einstellung.

 

Statt harte Schnitte bieten sich Überblendungen oder Abblenden auf Schwarz und Aufblenden an. Dreht man ohne die Kameraposition zu verändern, am gleichen Ort zu unterschiedlichen Zeiten, kann man auch in einen Film unterschiedliche Zeitebenen einbauen, indem man diese entweder nach Richtungen verteilt (links zeigt man was sich z.B. morgens abgespielt hat, vorne mittags und rechts abends) oder im Fluss der Filmzeit durch Überblendungen fortführt.

 

Aufmerksamkeit

Wie bringt man den Zuschauer dazu, in eine bestimmte Richtung zu schauen? Lenken neugierige Blicke der sichtbaren Figuren in die entsprechende Richtung auch die Neugier des Zuschauers? Lenken akustische Signale den Blick?

 

Möglichkeiten zur Lenkung bietet etwa die Einschränkung des Blickfelds. Je mehr man sich mit seiner Geschichte einem dramatischen Höhepunkt nähert, desto mehr wird die Freiheit des Zuschauers beschnitten.

 

Dies sind nur wenige Grundgedanken, tatsächlich muss Vieles neu entwickelt werden, was die erzählerische Seite der VR angeht. Mehr dazu finden Sie in Kürze in unserem Movie-College Book zum Thema VR von Prof. Mathias Allary.

 

 

Mehr über VR im Movie-College:

 

 

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