Noch nie war es so einfach wie heute, Strukturen und Gestaltungselemente von Filmen zu analysieren. Und gerade das Web eröffnet hier zahlreiche Möglichkeiten. Manche Regeln, Parallelen, Besonderheiten in der Arbeit von Regisseuren fallen dank der digitalen Möglichkeiten viel eher auf. Bei manchen Regisseuren möchte man fast behaupten, sie würden eigentlich nur einen Film machen, so sehr ähneln sich bestimmte Elemente von Film zu Film.
Plagiate oder Hommagen?
So begeben sich weltweit zahlreiche Filmfans auf die Suche nach Übereinstimmungen in den Werken ihrer Lieblingsregisseure und stoßen auf zahlreiche Fundstellen. Schlimmer noch, sie stoßen auch auf die Vorbilder, ja ganze Sequenzen oder Filme, die von Regisseuren kopiert und nachgeahmt wurden. Wer beispielsweise "The Shape of Water" gesehen hat, kommt kaum umhin, Filme wie "Die fabelhafte Welt der Amelie", "ET", "La Belle et la Béte", "Brasil" oder "Avatar" mit dem Erfolgsfilm von Guillermo del Toro abzugleichen. Das schmälert die Leistung sicher nicht, ist aber einmal mehr ein Beleg dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit Vorbilder aus der Filmgeschichte inzwischen in neuen Filmwerken weiterverarbeitet werden.
Hier etwa ein Zusammenschnitt von Szenen, die Quentin Tarantino aus anderen Filmen kopiert hat: https://www.youtube.com/watch?v=pGheyJKDwrM
Oder hier die Gegenüberstellung von Einstellungen aus dem Film "Moonlight" von Barry Jenkins und Einstellungen aus mehreren Filmen von Wong Kar Wei, die offensichtlich als Vorbild dienten: https://www.youtube.com/watch?v=66cIeb_nNO4
Und hier weitere Szenen, die aus anderen Filmen "entliehen" wurden: https://www.youtube.com/watch?v=KJxU-lXdu28
Wenn ein Cutter sich vornimmt, bestimmte Gestaltungsmerkmale zu untersuchen, werden uns auf sehr einsichtige Weise Zusammenhänge augenfällig. Ob alles bewusst so geplant wurde oder vielleicht erst im Schnitt so entstanden ist, wird sich nicht bei jedem Film in Erfahrung bringen lassen. Viele Gestaltungselemente früherer Regisseure/innen über die man in der Vergangenheit herumgerätselt und diskutiert hat, sind heute recht einfach in ihrer Konzeption und dem Aufbau zu analysieren. Damit sind so manche Mythen zerstört worden, andererseits kann man daran natürlich auch hervorragend für eigene Filmarbeiten lernen.
Etwa wie Anfangs,- und Schlussbilder von Filmen zusammenhängen können. Diese müssen längst nicht zufällig sein. Im Gegenteil, wenn man genauer darauf achtet, fällt einem schnell auf, dass bei vielen starken Filmen Anfang und Ende wie eine Klammer um den gesamten Film gespannt sind und eine Vielzahl von Parallelen aufweisen.
Viel Spreu...
Derartige Untersuchungen und Gegenüberstellungen kann man selbst recht einfach herstellen, wenn man Filme, die man etwa vom Fernsehen aufgenommen oder aus dem Internet heruntergeladen hat, in etwas toleranteren Schnittprogrammen wie Premiere importiert. Dann kann man die entsprechenden Szenen oder Einstellungen sehr leicht gegenüberstellen und die ganze Sequenz anschließend weitgehend verlustfrei exportieren.
Leider ist das Web, gerade weil es so einfach ist, voll mit mehr oder weniger unsinnigen Zusammenschnitten im Sinne von "The 10 best Movie-Endings" oder "The ultimate Movie-Beginings" und mehr. Da kracht und rumpelt man geradezu durch die Einstellungen und Szenen zum Teil bedeutender Filmklassiker.
Die eigentliche Arbeit, die Analyse, die Einordnung in Zusammenhänge und Deutung, braucht dann eben doch etwas mehr als ein paar Mausclicks auf der Timeline.
Beispiele
Hier eines der Videos von Jacob T. Swinney zu Anfängen und Enden: https://www.youtube.com/watch?v=6pMxLGgOzH8
Hier ein Zusammenschnitt von Nahaufnahmen, schweigender Menschen in Denis Villeneuve's Filmen, ebenfalls kompiliert von Jacob T. Swinney: https://www.youtube.com/watch?v=JH_ZWfj2CBQ
Hier ein Zusammenschnitt der sich ähnelnden Bildmotive bei Regisseur Terence Malick: https://www.youtube.com/watch?v=5f6rpDlfX5A