Berlinale 2013 - mittlere bis gute, bisher noch keine sensationellen Filme
Tang Wong
Achtung: SPOILER
Dieser Film ist geprägt von einer sehr langsamen Erzählhaltung und ist das Gegenteil von einem Thriller. Man nimmt an, dass der Regisseur so die kindliche-jugendliche Gabe des Wunderns oder des Aberglaubens hervorheben will. Jeder kennt, dass das man besonders als Jugendlicher zwischen seiner kindlichen Fantasie und der Realität gefangen ist.
Der Name des Films, "Tang Wong", ist von dem traditionellen Tanz aus Thailand abgeleitet. Vier Jugendliche versprechen, diesen traditionellen Tanz vorzuführen. Je mehr sie sich von den Anforderungen des Tanzes entziehen, desto mehr Pech im Leben haben sie und umgekehrt. Spannend ist es, wenn man als Zuschauer mit den Jugendlichen mitfühlt und hofft, dass die Götter in Form von Erfolg auftauchen. Dieser Tanz ist so elegant und so behutsam, dass ist für die Jugendlichen fremd, weil sie es gelernt haben, dass alles schnell gehen muss. Alles herum bewegt sich so schnell, der Tanz ist deswegen so befremdlich. Es ist eine Tatsache, dass Jugendliche, aus allen Schichten in dem Alter Traditionen lächerlich finden und nicht an Götter glauben. Denn die moderne Welt schafft Illusionen mit dem Fernsehen, Videospielen und Mangas. Auf dieser Welt, muss man schnell erwachsen werden. Jeder Einzelne von diesen Jugendlichen hat ein Ziel, außer der Mollige. Dieser flüchtet in die Virtuelle Welt, weil er gemobbt wird. Eine besondere Figur in dem Film ist die Transgender-Frau, die ihre große Liebe sucht, die sie so nimmt, wie sie sein will. Nicht mal sie tanzt Tang Wong gerne. Man fragt sich jedoch, wieso sie es trotzdem macht. Kann sie wegen ihres Transgenders einfach keine andere Arbeit bekommen? Interessant ist, dass derjenige, der am Anfang ein Zeichen der Götter bekommen hat, am Ende am schnellsten den Glauben an das Übernatürliche verliert und sich am Ende näher an der Realität befindet. Seine letzten Worte deuten auf ein Absterben vom Aberglauben, indem er begreift, dass sich nichts für die Jugendlichen ändern wird, auch, wenn sie diesen Tanz vollführen. Es ist trotzdem ein offenes Ende mit einem leicht negativen Touch. Es bleibt ein negatives Ende, weil man nicht weiß, ob das nichteingehaltene Versprechen negative Auswirkungen hat oder nicht.
Da "Tang Wong" ein asiatischer Film ist, haben die meisten Europäer Schwierigkeiten, mit den Hauptdarstellern mitzufühlen. Diese Schwierigkeiten, begründet man durch die Tatsache, dass Asiaten Emotionen anders zeigen als Europäer.
Es ist beeindruckend, dass der Regisseur es geschafft hat, die vielen unterschiedlichen Typen von Jugendlichen in unserem Zeitalter einzufangen. Was meiner Meinung nach fehlte, war der Jugendliche mit Depressionen und derjenige ohne Ziel und ohne Zukunft.
Die Nonne
Als jüngste von drei Töchtern wächst Suzanne Simonin behütet in einem wohlhabenden Elternhaus im Frankreich des 18. Jahrhunderts auf. Doch durch die teuren Vermählungen der älteren beiden Mädchen gerät die Familie in Geldnöte und kann sich eine dritte Hochzeit nicht mehr leisten. Daraufhin wird die 16-Jährige Suzanne von Familie und Bekannten dazu gedrängt, sich dem Glauben und einem Leben für Gott zu verschreiben und als Nonne ihr Leben in einem Kloster zu verbringen.
Suzanne wehrt sich zunächst gegen diesen Weg, bettelt und bittet und versucht verzweifelt, ihren Eltern zu verstehen zu geben, dass ein Leben als Nonne furchtbar für sie wäre. Doch es hilft nichts: Nach ihren zwei Jahren als Novizin soll Suzanne ihren Eid ablegen und als Nonne ihr weiteres Leben im Kloster verbringen. Zunächst ergeht es ihr dort auch recht gut, auch wenn sie sich vom tristen und immer gleichen Alltag eingeengt fühlt. Die oberste Ordensschwester nimmt sich ihrer an und kümmert sich um das junge Mädchen, unterstützt ihren innigsten Wunsch, aus dem Kloster auszutreten, aber nicht. Doch als die Ordensschwester eines Tages stirbt und eine sowohl grausame, als auch fanatische Schwester ihren Platz einnimmt, beginnt für Suzanne die Hölle auf Erden… Aber trotz grausamster Strafen und Freiheitsentzug gibt sie nicht auf und kämpft für ein freies und selbstbestimmtes Leben außerhalb der Klostermauern.
Die Geschichte des Films beruht auf dem 1796 in Frankreich veröffentlichten Roman von Denis Diderot (Originaltitel "La Religieuse"), der zu seiner Zeit für viel Aufsehen sorgte, da Diderot in seinem Werk offen den häufig praktizierten erzwungenen Eintritt in ein Kloster kritisierte. Regisseur Guillaume Nicloux adaptierte den Stoff nun erneut für die große Leinwand - und das mit Erfolg. Denn in seinem Film gelingt es ihm gekonnt, die mitleiderregende Situation einer jungen, aufgeweckten Frau zu zeigen, die sich mit einem Leben in Einsamkeit und Isolation konfrontiert sieht. Doch anstatt sich in ihr Schicksal zu fügen, kämpft Suzanne unerbittlich für ihre Freiheit und berührt mit ihrem Mut und ihrer Widerstandskraft den Zuschauer tief. Zwar ist "Die Nonne" ein recht langer Film und ab und zu schleichen sich kleine Längen ein, aber alles in allem ist Nicloux ein sehr gelungenes Portrait einer mutigen Frau in grausamen Zeiten gelungen.
So much water (Tanta Agua)
Alberto verbringt seit seiner Scheidung wenig Zeit mit seiner Tochter Lucia (14) und seinem Sohn Federico (10). Als es dann zum gemeinsamen Kurzurlaub in eine Ferienanlage mit Thermalbad geht, ist die Stimmung gedrückt. Lucia steckt mitten in der Pubertät und kann sich nichts Nervigeres vorstellen als mit ihrem kleinen Bruder und ihrem launischen Vater in einem Zimmer schlafen zu müssen. Alberto versucht indes die Kinder bei Laune zu halten und scheitert immer wieder aufs Neue. Unter anderem, weil es fast nur regnet und die Ausflugsziele dadurch bald erschöpft sind. Nicht mal das Schwimmbecken der Ferienanlage darf man betreten. Lucia treibt sich schließlich mit einer neu gefunden Freundin auf der Ferienanlage herum und verliebt sich auch noch in den Jungen Santiago. Gemeinsam wollen sie auf eine Party gehen. Doch diese verläuft anders als Lucia dachte…
Die Komödie "Tanta Agua" ist eine Momentaufnahme von Lucias Leben. Die Schwierigkeiten der Familienverhältnisse kommen genauso zum tragen wie die Herausforderungen des Erwachsenwerdens. Lucia scheint all diese Probleme leidend, aber stillschweigend zu ertragen. Der Zuschauer fühlt derweil mit, aber immer mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Durch die dezente Situationskomik und die lustigen Charaktere erreicht der Film eine leichte und trotzdem fesselnde Erzählweise. Jede Frau wird sich wohl auch erheitert an die eigenen Pubertät erinnern. Während dem Film wünscht man sich Lucia sagen zu können, dass auch sie eines Tages darüber lachen wird.
Side Effects
Der wegen Insiderhandels sitzende Martin Taylor (Channing Tatum) wird nach vier Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Seine Frau Emily (Rooney Mara) ist von der Situation überfordert und erleidet einen Rückfall der früher bereits aufgetretenen Depression. Ihre Psychotherapeut Dr. Jonathan Banks (Jude Law) versucht das Beste seiner Patientin zu helfen und verschreibt ihr deshalb Medikamente. Als diese nicht anschlagen und die Nebenwirkungen Emily stark belasten, versucht Dr. Banks ein Medikament, das neu auf dem Markt ist, names Ablixa. Allerdings hat auch "Ablixa" seine ganz eigenen Nebenwirkungen, die zu einem dramatischen Zwischenfall führen. Nicht nur Emily ist daraufhin in Gefahr, sondern auch ihr Therapeut Dr. Banks.
"Side Effect" glänzt durch die Überraschungsmomente und Doppelbödigkeit. Glaubt man sich zuerst in der Geschichte eines Medikamentenskandals, wird man im Laufe der Zeit von Dr. Banks in einen aufregenden Thriller gezogen. Diese Spannung hält sich auch bis zuletzt, obwohl es der Schlusserkenntnis leider an Originalität fehlt und sie wie eine oberflächliche Lösung wirkt. Getragen wird die Geschichte anfangs hauptsächlich von Rooney Mara, die es versteht den Zuschauer das sehen zu lassen, was er zu dem Zeitpunkt sehen soll. Unter anderem durch ihre schauspielerische Kunst ist "Side Effects" der stilvolle Thriller der Täuschung geworden, der er ist.
Gold
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt - So lautete wohl das Motto der kleinen Reisegruppe, die sich in Thomas Arslans Beitrag zur 63. Berlinale auf den langen und beschwerlichen Weg durch die kanadische Wildnis macht, um dem verlockenden Ruf des Goldes zu folgen.
Es ist das Jahr 1898, ganz Amerika steckt im Goldfieber und Menschen aus aller Welt pilgern zum Klondike River, in der Hoffnung, dort auf das ersehnte Edelmetall zu stoßen und reich wieder heimzukehren.
Auch die deutsche Einwanderin Emily (Nina Hoss) will ihr Dienstmädchen-Leben hinter sich lassen und schließt sich einer bunt zusammengewürfelten deutschen Goldsuchergruppe an. Doch die rund 1500 km lange Route bis zum Schürfgebiet entpuppt sich schon sehr bald als kräftezehrende Zerreißprobe für alle Beteiligten...
Genauso langsam wie sich die Charaktere in "Gold" durch das kanadische Hinterland kämpfen, ist leider auch die Geschichte des Films aufgebaut. Immer wieder bietet sich dem Zuschauer ein ähnliches Bild: Eine Gruppe von Menschen wandert durch die Wildnis, ohne, dass sie wirklich irgendwo ankommen.
Das mag zwar sicherlich eine realistische Herangehensweise an die Goldsucher-Thematik sein, sorgt aber auf Dauer nicht unbedingt für Hochspannung. Hinzu kommt auch noch, dass die einzelnen Charaktere innerhalb der Gruppe nicht wirklich näher beleuchtet werden und keine Entwicklung durchlaufen, sie bleiben sehr statisch und klischeehaft (der Anführer mit unlauteren Absichten, der nervige Journalist, die unnahbare Einzelgängerin und der attraktive Packer mit dunkler Vergangenheit). Selbst über die Protagonistin Emily erfährt der Zuschauer kaum etwas, sodass eine Identifizierung mit ihr schwer fällt.
Auch an emotionalen Höhepunkten hat "Gold" nicht viel zu bieten, da stets eine gewisse Distanz und Kälte zwischen den einzelnen Figuren vorherrscht. Besonders unbefriedigend kommt schließlich das Ende des Films rüber, als plötzlich noch zwei zuvor kaum gezeigte Figuren auftauchen und wohl noch für eine spannende Schlusssequenz sorgen sollen.
Zu Gute halten muss man dem Film, dass er sicherlich recht realistisch die gefahrvolle und entbehrungsreiche Reise vieler Goldsucher der damaligen Zeit widerspiegelt, allerdings hätte man dies auch anhand einer Dokumentation darstellen können. Für einen Spielfilm kann "Gold" einfach mit zu wenigen interessanten Charakteren und dramaturgischen Höhepunkten aufwarten.
The Grandmaster
"The Grandmaster" erzählt die auf wahren Begebenheiten basierende Lebensgeschichte eines der bedeutendsten Martial-Arts-Kampfmeister Chinas, Ip Man. Ab Mitte der 1930er Jahren versuchte er, die verschiedenen Kampftechniken Chinas zu vereinen und traf dabei nicht immer auf Zuspruch.
Neben Ip Mans Lebensgeschichte wird aber auch die seiner Frau erzählt, die einer Familie von ehrenhaften Kung-Fu-Kämpfern entstammt und versucht, die Ehre ihrer Familie zu bewahren. Dominiert wird der Film vor allem von den bildgewaltigen Kampfszenen, die dank vieler Slow-Motion- und Nahaufnahmen ihre ganze Wirkung entfalten können.
Überraschenderweise sind diese Kämpfe sehr "unblutig" gestaltet, der Regisseur konzentrierte sich wohl mehr darauf, die Schönheit und hohe Präzision der unterschiedlichen Kampfstile darzustellen.
Auch der Soundtrack untermalt den Film sehr gelungen und unterstreicht die poetische Wirkung der Bilder. Im Gegensatz zu den klaren, präzisen Kämpfen ist die Geschichte des Films allerdings weitaus verworrener und verwirrender. Die vielen Zeitsprünge und unterschiedlichen Handlungsstränge der einzelnen Personen kann man nach einer gewissen Zeit kaum noch richtig einordnen und somit verliert sich der Film ein wenig selbst. Auch über die Figuren selbst erfährt der Zuschauer kaum etwas, weshalb keine wirkliche Bindung zu ihnen aufgebaut werden kann.
Fazit: Martial-Arts-Fans werden von "The Grandmaster" sicherlich begeistert sein, da gleich eine Vielzahl von Kampftechniken gezeigt und noch dazu die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Stile erklärt wird. Leider verliert sich die eigentliche Geschichte des Films aber in zu vielen verschiedene Handlungssträngen.
Atarnajuat- the fast runner
Die Geschichte eines Inuit-Stammes spielt Ende des ersten Jahrtausends in der kanadischen Arktis. Als der alte Häuptling ermordet wird, entsteht eine Rivalität zwischen Sauri und Tulimag. Sauri geht als Sieger und neuer Häuptling aus dem Konflikt hervor, während Tulimaq und seine Familie von diesem Zeitpunkt an vom Pech verfolgt werden.
Die Rivalität von Tulimaq und Sauri überträgt sich auch auf ihre Söhne. Atanarjuat, der Sohn Tulimaqs, gerät in einen Konflikt mit Oki, dem Sohn Sauris, weil er dessen Versprochene begehrt. In einem rituellen Kampf gewinnt Atanarjuat gegen Oki und darf Atuat somit heiraten. Sie leben glücklich zusammen mit Atanarjuats Bruder Amaqjuat und seiner Frau. Doch das glückliche Beisammensein ändert sich als Atanarjuat sich als Zweitfrau Okis Schwester Puja zu sich holt. Puja stiftet nichts als Unfug und verführt schließlich auch noch Amaqjuat im gemeinsamen Zelt der Familie. Atanarjuat verstößt Puja, welche sofort zu ihren Eltern nach Hause läuft und erzählt, Atanarjuat hätte sie geschlagen. Oki wittert endlich seine Chance sich an Atanarjuat zu rächen und schmiedet einen Plan, ihn zu töten.
Nachdem Atanarjuat und sein Bruder von der Jagd zurückkehren, ihre Kleider abgelegt haben und sich im Zelt ausruhen, greifen Oki und seine Kumpanen an und verletzen Amaquat tödlich. Doch sie haben nicht mit Atanarjuats Schnelligkeit gerechnet. Und so läuft Atanarjuat Okis Leuten nackt über das Eis davon...
Beeindruckende Bilder der Arktis und interessanten Alltag der Inuit findet man bei "Atanarjuat" allemal vor. Allerdings wird die Handlung teils zu ruhig erzählt und dadurch den seltenen dynamischen Abschnitten die Spannung genommen. Als Auftakt des "NATIVe"-Programms kann man sich auf jeden Fall auf mehr freuen...