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Kaum denkt man darüber nach, sind die Gedanken schon veraltet,- am Fernsehen der Zukunft wird ständig weitergearbeitet. Hier eine kleine Geschichte der Anfänge des digitalen Fernsehens und der sich laufend verändernden Zukunftsvisionen.

 

Eins für alles – Zukunftsfernsehen

Zukunftsfernseher

Wie sehen die Fernseher der Zukunft aus? Diese Frage stellen sich die Menschen seit vielen Jahrzehnten.

Das Fernsehen der Zukunft soll den Industrieplanern zufolge anders werden, als alles bisher gekannte.

 

Die fortschreitende Digitalisierung ermöglich mehr Kanäle und zusätzliche Funktionen . Es vereint die Fähigkeiten bisher unterschiedlicher Geräte in sich.

 

Fernsehen, die heilige Kuh westlicher Kultur, zieht den Menschen in Europa durchschnittlich zwei Stunden täglich in seinen Bann, in den USA sind es sogar drei Stunden pro Tag. Welcher Lebenspartner kann das schon von sich behaupten? Doch inzwischen schneiden Internet und Spielkonsolen ein kräftiges Stück von diesem Zeitkuchen ab, auch wenn sich dies, wegen der nich vollständigen Durchdringung des Computers in alle Altersschichten, noch nicht so deutlich in Statistiken niederschlägt. Nicht zuletzt aus dieser Erkenntnis heraus sollen die Wohnzimmeraltäre der Zukunft den Zuschauer mit neuen Features aktiver in das Programmgeschehen einbinden. Schon heute verfügen hochwertige Flatscreen Fernseher über Internetanbindung und senden ohne Willen des Zuschauers Nutzungsinformationen an die Hersteller und diverse Internetunternehmen.

 

Interaktivität ist das Stichwort, mit welchem die Inhalte der Fernsehgeräte ähnlich auf den Benutzer zugeschnitten werden sollen wie das Internet. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist der Prozess durchaus fortgeschritten, flächendeckend aber ist das digitale Fernsehen noch längst nicht. 2012 hatte man zumindest den Empfang über Satellit weitgehend auf Digital umgestellt.

 

Das Zauberwort heißt Rückkanal: In einem rückkanalfähigen Netz können die Zuschauer Daten an die Anbieter zurücksenden. Im Internet ruft man dadurch andere Seiten auf, im Fernsehen werden z. B. per Fernbedienung (Auswahl-) Entscheidungen an den Sender übermittelt.

 

Alte Innovationen

Der Fernseher soll zur allumfassenden Unterhaltungs- und Informationsplattform für längst bekannte Konzepte werden: Spiele, Internet, E-Mail und SMS, aber auch interaktive Filme. Dröge Home-Shopping-Angebote sollen komfortabler und die Aus- und Weiterbildung revolutioniert werden. Erfahrungen, die man diesbezüglich im Internet und mit Tele- und Funkkolleg gesammelt hat, ignoriert man bei Bedarf.

 

Die Vielfalt an Kanälen soll es ermöglichen, Filme auf Abruf (Video on Demand) zu bestellen und Sonderprogramme für jede Interessengruppe von den Anglern bis zu den Schneckensammlern bereitzustellen.
Tiefergehende Gedanken darüber, wer denn die Angler- und Schneckensammlerprogramme finanzieren soll und wie viele individuelle Programmstarts wie viele Kanäle blockieren sollen, scheinen sich die Planer noch nicht gemacht zu haben. Noch entscheidender ist ohnehin die Frage, wer diese Möglichkeiten überhaupt nutzen will. Den Investoren gegenüber wird gerne der Eindruck erweckt, dass „alle“ entsprechende Angebote annehmen und damit einhergehende Mehrkosten in Kauf nehmen würden.

 

Die Depression aus Pay-TV-Erfahrungen speziell in Europa sitzt nach wie vor tief. Vor allem der Ankauf überteuerter Sport-Übertragungsrechte, durch die man den Zuschauer mit sanfter Gewalt zu seinem Pay-TV-Glück bewegen wollte, lies die Mehrzahl der Programmveranstalter in die Krise schlingern. Die stille Hoffnung besteht darin, dass der bröckelnde Werbemarkt endlich via Pay-TV durch den zahlenden Zuschauern ergänzt wird – ein Bereich, dem durch die digitale Übertragung plötzlich völlig neue Wege offen stehen, z. B. sichere Programmverschlüsselung, direkte Nutzungskontrolle und Entgelterhebung. Im PAy TV Bereich schreibt etwa Sky inzwischen vorsichtig schwarze Zahlen, der Hauptmotor dieses Wunders ist vermutlich König Fussball.

 

Soziologen und Psychologen gestehen dem Fernsehen in erster Linie den passiv unterhaltenden Charakter zu. Die nach Schule, Haushalt und Arbeit erschöpften Familienmitglieder oder Singles, deren Interaktivitätswünsche mit dem Zappen durch das Senderangebot weitgehend erschöpft sind, bilden demnach die Mehrheit. Doch jenseits aller Wissenschaft gibt es bereits seit mehren Jahren praktische Erfahrungen mit interaktivem Fernsehen: BskyB und BBC in Großbritannien, Canal Satellite in Frankreich und (in sehr engen Grenzen) der Kirch-Konzern ursprünglich mit DF1, später Premiere World, heute Sky sowie ARD und ZDF.

 

Interaktive Erfahrungen

Superfernbedienung

Super-Remote

All die Investitionen haben bislang vor allem gezeigt, dass viele der angebotenen Anwendungen gar nicht genutzt werden. Tatsächlich nutzen die wenigsten Zuschauer die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Perspektiven zu wechseln, sondern verlassen sich vielmehr auf die klassische, von erfahrenen Bildregisseuren aufbereitete Auswahl. Abgesehen davon verpasst der die Kameraeinstellung auswählende Zuschauer mit der Fernbedienung garantiert den entscheidenden Moment. Wer schon einmal ein Fußballspiel mit der Aufnahme nur eines Spielers, ein Autorennen nur aus einem Fahrzeug heraus anschauen durfte, wie es etwa im englischen Digital-TV vorkommt, sehnt sich nach den Bildentscheidungen der Profis.

 

Zwischen teuer und desaströs schwanken die Erfahrungen mit dem digitalen Einkauf. Während der Internet-Buchversand Amazon pro Buch nur geringe Verluste schreibt, wollen Fernsehzuschauer mit dem beschränktem Komfort ihrer Fernbedienung gar nicht erst kaufen. Bestenfalls für Spaß versprechende Spiele – insbesondere Glücksspiele – wird auf den Tasten herumgedrückt. Die Wettbüros über den TV-Sender generieren Einnahmen und auch die bereits früher schon bekannte Anwendung, Spiele auf dem Bildschirm ablaufen zu lassen, ist nun ohne Datenträgerkauf als „Pay per Play“ möglich und akzeptiert. Doch die Spielkonsolen-Hersteller stehen mit den Internetfähigkeiten ihrer „Cubes und Stations“ längst in den Startlöchern, diesen akzeptierten Mehrwert den digitalen Fernsehmachern wieder abzujagen.

 

Die magersten Ergebnisse allerdings lieferten Versuche, den Zuschauer etwa bei szenischen Inhalten (Fernsehspiele, Spielfilme) die Handlung beeinflussen zu lassen. Die Erfahrung eines Drehbuchautors für die bestmögliche Dramaturgie wohnt nun einmal nicht jedem Zuschauer inne. Auch hier zeigte sich, dass den Zuschauern mehrheitlich an passiver Unterhaltung statt wiederholtem Entscheiden gelegen ist. Zurücklehnen und entspannen lautet die Devise der Mehrheit der TV-Zuschauer.

 

Mehrwert kostet mehr

Leider enthebt Interaktivität die Programmgestalter nicht der Kausalität, dass nur gute Programme gerne gesehen werden. In der Entwicklung eines Computerspiels können viele Jahre Arbeit für wenige Stunden Spaß stecken – das Verhältnis im Fernsehen ist nicht anders. Selbst simple interaktive Programme sind teurer als konventionelle: Eine Menüführung will programmiert sein und erweiterte Inhalte müssen bereitgestellt werden. Werden bei Sportübertragungen alle Kameraperspektiven gezeigt, müssen weitaus mehr Satelliten-Kanäle für die Live-Übertragung bezahlt werden. Wenn die Sender schon heute Schwierigkeiten haben, attraktive Sendungen zu finanzieren, wie sollen dann zusätzliche Übertragungskanäle bezahlt werden?

 

Kleine Historie der Set-Top Boxen

Nachtfenster

Millionen Haushalte...
Die Tests und Realläufe haben über die Jahre gezeigt, dass auch bei hunderten empfangbaren Programmen weitgehend nur eine Handvoll Lieblingsprogramme tatsächlich geschaut wird. Die übrigen Kanäle senden ins Nirwana, nicht für die breite Masse. Und wie soll den Zuschauern vermittelt werden, dass sie für die erforderlichen Zusatzdienste teure Set-Top-Boxen kaufen sollen?

 

Der Testfall BskyB zeigte, dass die Zuschauer nicht bereit waren, die Kästchen zu kaufen, der Programmbetreiber musste die Decoder an sechs Millionen Abonnenten verschenken. Zudem sind die Decoder technisch alles andere als zeitgemäß. Man kann nur ein Programm anschauen, das Aufnehmen eines zweiten Programms auf Video oder das Anschauen des Kinderprogramms parallel zum Nachrichtenprogramm der Eltern ist nicht möglich.

 

In Deutschland gab es zunächst nicht einmal einen einheitlichen Standard. Kirch-Boxen konnten die digitalen Programmversuche von ARD und ZDF schlicht nicht empfangen. Gerangel um Betriebssystem, Datenformate, ja sogar Steckernormen verunsicherten die Kunden zusätzlich.

Schließlich hatten sich die deutschen TV-Anbieter September 2001 auf den MHP-Standard geeinigt; allein die sinnvollen Programminhalte und die etwa 500 Euro teuren Set-Top-Boxen fehlen noch. Die Geräteindustrie sieht keinen Weg, angesichts der kaum vorhandenen Anwendungen ihre Decoder zu verkaufen und die Fernsehsender erstellen keine interaktiven Programme für verschwindend geringe Zuschaueranteile. Ein digitaler Teufelskreis.

 

Es sind die Versandhäuser, die Reiseveranstalter, die auf die schnellere Konsumbereitschaft per Fernbedienung hoffen. An innovativen Programminhalten sind hierzulande bisher nur so altbackene Sendungen wie Wetterbericht, „News on demand“ oder Horoskopsendungen angedacht. Dazu soll es TV-Banking geben, die Internet-Gemeinde kann da nur müde lächeln.

 

Etwa 160.000 fortschrittliche Besitzer der sogenannten F.U.N Open-TV-Decoder konnten diese, wegen des Wechsels auf MHP getrost verschrotten, kein guter Start für neue Interaktivitäten. Die Kirch-Set-Top Boxen (D-Box) sowie die Premiere Decoder liessen sich zumindest per Software auf MHP umstellen. Komplette Fernseher mit implementiertem MHP-Decoder brachte Sony auf den Markt, allerdings zu Preisen, die einer weiten Verbreitung des Standards entgegenstanden.

 

Schnittstelle Mensch

Noch etwas anderes muss den Menschen für den Erfolg des alles könnenden Fernsehers beigebracht bzw. abgewöhnt werden: Der Gebrauch der jeweils mit ihren Händen und Sinnesorganen optimal nutzbaren Geräte. So seltsam es klingt, die meisten Menschen surfen am liebsten am Computer durchs Internet, telefonieren lieber mit einem Telefon und senden Faxe mehrheitlich per Fax-Gerät, obwohl all dies auch anders funktioniert und sogar in einem Gerät zu verwirklichen wäre.

 

Die Elektrowerkzeughersteller hatten ihre „Eins für alles“-Träume bis in die achtziger Jahre. Eine Bohrmaschine mit Zubehör zum Andocken der Kreis- oder Stichsäge sowie des Schwingschleifers – das Konzept wurde von den Anwendern nicht wirklich angenommen. Und auch die Haushaltsgerätehersteller haben sich vom Staubsauger mit Aufsatz für den Küchenmixer (soll es tatsächlich gegeben haben!) wieder verabschiedet. Man darf gespannt sein, ob die Menschen bis zur Einführung des ultimativen Fernsehers kompatibel genug sein werden – oder ob die Hersteller endlich einmal vor der vierten Gerätegeneration einsehen, dass man sich am Verbraucher orientieren könnte.

 

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