Frühstart
Was wäre das Fernsehen ohne Kriminalfilme, möchte man sich fragen, wenn man so eine Programmwoche mal etwas genauer analysiert. Was da auf dem Bildschirm geraubt, gemordet und gefahndet wird, ist schier überbordend und natürlich begann all das auf den Leinwänden der Kinos weltweit.
Kein Wunder, denn das Genre ist nicht wirklich neu und jung. Bereits in den ersten Jahren wurde im Kino gemeuchelt und die Tat verfolgt. Beispiele sind "The Musketeers of Pig Alley" (David W. Griffith, USA 1912), Dr. Mabuse – Der Spieler (Fritz Lang 1922), Der öffentliche Feind (William A. Wellman, USA 1931).
Spiegel der Gesellschaft
Eine große Bedeutung für das Entstehen dieses Genres kam vermutlich auch dem enormen Wachstum der Großstädte zu, welches moralisch nicht mit dem großen Zustrom immer neuer Menschen Schritt halten konnte. So wurden nicht nur Einzeltäter, sondern vor allem auch Bandenanführer der sich organisierenden Kriminalität gerade auch in Zeiten der Depression und Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt der Filme gestellt. Dass mit dem Wachstum der Städte auch die Zahl der Verbrechen zunahm und Prostitution, Glücksspiel, Erpressung, Raub und Mord zunehmend in Presse und Radio, den wichtigsten Medien damals, niederschlugen, rief logischerweise auch die Drehbuchautoren und Filmproduzenten auf den Plan.
Legendäre Beispiele sind: Scarface, Narbengesicht (Howard Hawks, USA 1932), "Tote schlafen fest" (Howard Hawks, USA 1946), "Asphalt-Dschungel" (John Husten, USA 1950)
Grundsteinlegung eines Genres
Der vielleicht wichtigste Klassiker des Kriminalfilms ist bis heute Fitz Langs M aus dem Jahre 1931 rund um einen Kindermörder, in dem fast alle Stileme heutiger Krimis bereits angelegt sind.
Es gibt den Täter, die Opfer, die Angehörigen, die Polizei, Kommissare, Verhöre, Spurensicherung, Fahndung, technische Hilfsmittel bei der Fahndung, Verbrecher und und und. Selbst die Reue des Täters ist in unglaublicher Weise in dem Film umgesetzt in jener Szene, in welcher der Kindermörder, von den Kriminellen der Stadt gefangen und vor ein Gangster-Gericht gestellt, mit großer Eindringlichkeit seine Taten zu verteidigen versucht.
Und auch die Realität, welche Filmemacher auch heute nicht selten zu ihren Drehbüchern inspiriert, spielte bei M bereits eine Rolle. Presseartikel über den damals realen Serienmörder Peter Kürten inspirierten Regissseur Fritz Lang und seine Ehefrau und Drehbuchautorin Thea von Harbou zu der Geschichte.
Erkennungsmerkmale
Wichtigstes Kriterium für den Kriminalfilm ist sicherlich die Konstruktion, dass ein Verbrechen geschieht und die Frage nach dem Täter / der Täterin sich durch den ganzen Film hindurch hangelt. Ob die Fahndung durch Polizeikräfte oder den Privatdetektiv a la Hercule Poirot geschieht, ist nicht zwingend vorgeschrieben. Dennoch gibt es Übergänge zu anderen Genres, die Trennlinie ist nicht immer eindeutig.
In den USA regte sich bald Widerstand gegen die kriminellen Hauptfiguren zahlreicher Kriminalfilme, eigentlich ein benachbartes Genre, den Gangsterfilm, worauf Hollywood mit einer Umorientierung hin zu den Fahndern und später Privatdetektiven als Helden reagierte. Aus all dem erwuchs in den 40er Jahren der Film noir, in dem die Kommissare eine eher untergeordnete Rolle spielten. Hier seien nur Titel wie der "Maltheser Falke" und "Tote schlafen fest" (The Big Sleep, USA 1946) genannt. Phillip Marlowe sei hier als Synonym für den Detektiv aller Detektive genannt. Auch die Verhandlung von Verbrechen vor der Justiz ist in dem benachbarten Genre Gerichtsfilm thematisiert worden.
Der Film Noir änderte im Laufe der Jahre seine Ausprägung, zuletzt bis Mitte der 50er Jahre standen unberechenbare Einzeltäter und Psychoten im Mittelpunkt. Die meisten Filmtheoretiker betrachten "Im Zeichen des Bösen" (Orson Welles 1958) als Endpunkt dieser Reihe.
In den 50er Jahren kamen schließlich verstärkt Kriminalfilme als verfilmte Literatur von Krimiautoren in die Kinos und auch auf Fernsehbildschirme. Jerry Cotten, Edgar Wallace, Stahlnetz sind nur einige Beispiele für Einzelfilme und Reihen, in denen plötzlich die Kommissare einen höheren Stellenwert genießen. Spätestens in den 60er Jahren, als Romane von Patricia Highsmith verfilmt in die Kinos kamen, waren Kriminalfilme, dann allerdings auch immer öfter in Farbe gedreht, in der ganzen Welt Kult.
Visualisierungen
All das, was Menschen in der realen Welt verunsichert, ja ängstigt, gehört zu dem visuellen Werkzeugkasten der Krimimacher. Nebel, Dunkelheit, Schatten, einsame Straßen, Gassen, Unterführungen und vieles mehr. In den 30er bis 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war das Krimi-Genre nicht zwingend aus technischen, sondern vor allem aus ästhetischen Gründen zugleich an den Schwarzweißfilm gekoppelt. Dieser war lichtempfindlicher als die damaligen Farbverfahren und damit für Nachtaufnahmen besser geeignet und vor allem konnte er die Dunkelheit, das Schwarz viel intensiver wiedergeben.
Zudem nutzen die Kameraleute eine spezielle Art der Lichtführung, den so genannten Low-Key, bei dem die dunkeln Anteile im Bild überwiegen. Insbedonere die Franzosen, bei denen die US Krimis der frühen 40er Jahre erst nach dem zweiten Weltkrieg zu sehen waren, verwendeten nicht zuletzt auch wegen dieser eher dunklen Lichtstimmung in vielen Szenen, den Begriff "Film Noir".
Thema mit Variationen
Ebenfalls verwandt aber um eine Dimension bereichert, ist der Thriller ein Genre der Unsicherheit, bei dem auch die Fahnder selbst in Lebensgefahr schweben können. Hier haben sich sowohl das französische, als auch das amerikanische Kino, ausgiebig mit Kinofilmen beteiligt.