Besucherschlangen an Berlinale-Ticketschaltern sucht man vergeblich, die wurden abgeschafft, es geht nur noch online oder an den Ticketschaltern der Kinos,- die werden sich bedanken für den Zusatzaufwand.
Die Bilanz des drittgrößten Filmfestivals in der Welt nach fünf Jahren des Führungsduos Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek ist durchwachsen. Es hat sich einiges geändert unter der Doppelspitze der Berlinale, doch vielleicht nicht das, was man sich erhofft hätte. Dass 2024 keine Weihnachtsbeleuchtung mehr in den Bäumen hängt, das geht ja noch ganz in Ordnung, irgendwann hatte man sich daran sattgesehen, aber so manches andere, was das Duo abgeschafft hat, ist zutiefst bedauerlich. So gibt es 2024 zum ersten Mal keine der legendären Berlinale-Taschen mehr.
Nun muss man wissen, dass die Taschen, die jedes Jahr mit Neugier erwartet und von vielen aus der Branche auch lange über die Berlinalezeit hinaus benutzt wurden, unter Chatrian und Rissenbeek immer murkliger und unkultiger wurden. Bereits 2022 gab es nur noch eine primitive Bauchtasche, die viele Akkreditierte und Gäste gar nicht erst am Akkreditierungsschalter mitnahmen. Das Festival blieb auf den Dingern sitzen. Und weil es viele so taten, hat man die gleichen Taschen 2023 noch mal verteilt. Psychologisch gesehen ist das schlau, man zeigt pädagogische Stärke und es fällt leicht, sich von diesen Dingern endgültig zu verabschieden.
Auch die Gasse mit den Food-Trucks, willkommene Stärkung zwischen den Filmen, gibt es nicht mehr, überhaupt wirken auch die Arkaden am Potsdamer Platz etwas blut,- und menschenleer. Was das Programm angeht, so schafft es die Berlinale, auch in diesem Jahr große Filme und Regisseur*Innen anzuziehen. Doch das verdankt sie einem Renommee, welches über viele Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Dabei laufen die stärksten Filme zumeist gar nicht im Wettbewerb und die seit langem eingeforderte Fokussierung und Neuausrichtung des Festivals hat nicht wirklich stattgefunden.
Die Tickets seien im Vergleich zu 2023 kaum gestiegen, heißt es. Aber ist das der einzige Maßsstab? Wie sieht es denn im Vergleich zu 2020 aus? Können sich nur noch finanziell gut gestellte Berliner und Besucher den Festivalbesuch leisten? Auch in diversen anderen Bereichen hat sich das Festival ähnlich verhalten, wie der Imbiss um die Ecke. Der hat nämlich nicht nur die Preise erhöht, sondern auch die Portionen verkleinert. Bei Lebensmittelprodukten veröffentlichen Verbraucherzentralen dann Listen mit sogenannten Mogelpackungen, im Kulturbetrieb aber schweigt man einfach und fragt sich, was das sein soll.
Besonders übel stoßen den Fachbesuchern Regeln auf, wie jene, dass Akkreditierte Besucher den internationalen Filmmarkt nicht besuchen dürfen oder nur nach 17 Uhr, wenn der Markt praktisch schließt. Wenn sie auf den Markt wollen müssen sie sich einen teuren Badge dazukaufen. Umgekehrt müssen sich die Filmmarkt-Besucher, die bereits solch einen teuren Market Badge gekauft haben, noch eine zusätzliche Akkreditierung kaufen um an Tickets und Zugang zu anderen Festival-Bereichen zu bekommen.
Abzocke nennt man das beim Imbiss und im Supermarkt, eine der Erneuerungen des Führungsduos, die in Erinnerung bleiben wird.
Der Eröffnungsfilm, in diesem Jahr "Small Things Like These" war sehr konventionell und wenig mutig gewählt. Es hätte sicher nichts geschadet, hier etwas ungewöhnlicher, etwas überraschender auszuwählen. Doch Eröffnungsfilme haben ja meist die Funktion, prominente Gäste wie in diesem Fall Cillian Murphy und den Co-Produzenten Matt Damon auf den roten Teppich zu locken.
Ein zauberhafter Film ist der iranische Film "My favourite Cake". Den beiden Regisseuren Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, wurden die Pässe weggenommen, sie durften nicht zur Berlinale reisen.
Nach fünf auch wegen Corona und dem Angriffskrieg auf die Ukraine schwierigen Jahren endet damit die Doppelleitung. Das Programm 2024 ist auf jeden Fall anspruchsvoll und breit gestreut, also von runtergerockt kann was das Filmangebot angeht, keine Rede sein. Aber weiterentwickelt wurde das Festival leider auch nicht.
Einige der Fragen, welche die Zukunft der Berlinale angehen, haben die beiden nicht angepackt. Möglicherweise endet bald auch die Zentrierung der Berlinale am Potsdamer Platz. Die Verträge mit dem Musicaltheater, welches im Februar in "Berlinale-Palast" umbenannt wird, laufen 2025 aus und eine Reihe von Institutionen rund um den Film, so etwa das Kino Arsenal, (Forum), die Deutsche Kinemathek, das Filmmuseum und die dffb ziehen vom bisherigen Standort weg. Es bleibt spannend...