Baustelle Filmkopie
Bei alten Nitro-Filmen kennt man das, etwa bei der Restaurierung von "Münchhausen", aber auch neuere Filme werden aufwändig restauriert. Was passiert da genau? Analoge Filme waren anders als heutige digitale Master und die Filmkopien altern, sodass es durchaus Sinn macht, sie in die heutige Zeit hinüber zu retten. Außerdem liegen viele Filme digital nur in niedriger Auflösung vor, im besten Fall schon HD, oft aber auch darunter.
Der Aufwand, analoge Filme aus den letzten Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts zu restaurieren, kann sehr unterschiedlich ausfallen, es kommt natürlich auf den Zustand des Ausgangsmaterials, im Idealfall des Originalnegativs an, aber auch auf die Auflösung und die Korrekturwünsche der Auftraggeber. Natürlich setzen auch das vorhandene Budget für die Restaurierung und die vorhandene Zeit hier klare Grenzen. Auf jeden Fall benötigt man für die Digitalisierung analoger Filme hochwertige Filmscanner und spezielle Software, um optimale Videodateien zu erzeugen.
Falls das Negativ,- wie bei hochwertigem Negativschnitt früher der Fall, als Schachbrett, also AB geschnitten wurde, sind zwei Scan,- bzw. Abtastvorgänge erforderlich. Das belegt die Maschinen doppelt so lange und erhöht meistens auch die Kosten entsprechend.
Auch muss man sich darüber im Klaren sein, dass manche Tricks und Effekte zwar für die damalige Auflösung im Kino, die vielleicht bei 2-3 K gelegen hat, gut funktionierten, bei 4K aber bereits als solche auffallen. Sie waren einfach nicht für höhere Auflösungen gedacht. Dazu muss man wissen, dass die Auflösung bei einem 35mm Filmnegativ eigentlich irgendwo zwischen 3 und 6 K gelegen hat, durch das Umkopieren auf zunächst ein Internegativ und dann auf eine Kinokopie aber so viel Auflösung verloren ging, dass man im Kino nur noch etwa 2-3 K Auflösung zu sehen bekam. Durch das Filmkorn und weitere technische Parameter des Projektionsverfahrens war das Kinobild einfach weicher und kontrastärmer als es heutige DCPs in der Regel sind.
Bei den Restaurierungen ist es natürlich von Vorteil, wenn die Kreativen, die ursprünglich an den Filmen beteiligt waren, allen voran Kamera und Regie, noch leben, um darauf achten zu können, dass die Restaurierung im Sinne der ursprünglichen Gestaltungsabsicht umgesetzt wird. Bei den beiden folgenden Beispielen verhielt sich das höchst unterschiedlich. Bei "Seven" hat der Regisseur David Fincher persönlich die Restaurierung betreut. Bei "Roman Holiday" waren weder der Kameramann Henri Alekan, noch der Regisseur William Wyler zum Zeitpunkt der digitalen Restaurierung mehr am Leben, um die ursprüngliche Gestaltung sicherzustellen.
Seven
Natürlich gibt es sogenannte Leuchtturmprojekte, also solche bei denen praktisch alles was technisch möglich ist, auch eingesetzt wurde. Eines dieser Projekte war beispielsweise die Restaurierung von David Finchers "Seven" (USA 1995) jenem Film Noir Thriller mit dem Fincher bekannt wurde. Die Restaurierung wurde 2023 begonnen und Fincher war darum bemüht, nicht einfach nur eine neue, saubere digitale Fassung zu erhalten, sondern auch, Unzulänglichkeiten auszukorrigieren. Dazu gehörten auch Dinge, die man in der analogen Filmkopie schlichtweg nicht gesehen hat, die aber in 8 K plötzlich stören. So beispielsweise bei einer Dinner-Szene zwischen Gwyneth Paltrow und Morgan Freeman, wo einzelne Haare in Paltrows Gesicht direkt vor dem Auge hängen. Perfektionist Fincher ließ die Haare in der restaurierten Fassung herausretuschieren.
Roman Holiday
Der Klassiker "Ein Herz und eine Krone" von Wiliam Wyler aus dem Jahre 1953, mit Audrey Hepburn und Gregory Peck in den Hauptrollen, wurde in 4 K gemastert, in welcher Auflösung tatsächlich gescannt wurde, ist nicht öffentlich gemacht worden. Die restaurierte Fassung bietet feinstes Schwarzweiß und sichtbares Filmkorn, die Sehrerfahrung in 4 K fühlt sich sehr analog an. Der Ton ist übrigens, wie seinerzeit üblich, in Mono, glücklicherweise aber ohne jedes Lichttonspur-Rauschen.
Möglichkeiten
In jedem Fall versucht man heute, aus dem Negativ so viel wie möglich an Informationen herauszuholen. Und das ist eine ganze Menge. So kann die Auflösung eines 35mm Negativs durchaus bei 3K bis 6K und mehr liegen und auch der Dynamikumfang kann bis zu 20 Blendenstufen betragen, falls der Scanner das kann oder man das Negativ zwei Mal abtastet, einmal in den Tiefen, den dunklen Bereichen und einmal in den Lichtern.
Es müssen nach dem Scan Farbkorrekturen, Retuschen und VFX in der Zielauflösung gerechnet werden, also heutzutage 4K oder 8K. Noch gibt es keine Vertriebswege für 8 K, dennoch sollte man, falls das Budget dafür vorhanden ist, versuchen, zukunftssicher vorzugehen und ein 8 K Master anzulegen. Wenn man es allerdings nur mit 16mm oder Super 16 zu tun hat, dann sind 4K Auflösung sicher die Obergrenze des Möglichen.
Damit das Ergebnis möglichst sauber aussieht, wird das Filmegativ oder die Kopie vorher per Ultraschall gereinigt und die Abtastung bzw. der Filmscan mit einem sogenannten Wet-Gate vorgenommen. Dank eine Spezialflüssigkeit, welche den gleichen Lichtbrechungsindex hat wie das Trägermaterial Acetat oder Polyester, werden Kratzer und winzige Schrammen unsichtbar.
Und man muss sich Gedanken darüber machen, wie weit man eine gewisse Unperfektion der analogen Aufnahmen aus den 70er, 80er und 90er Jahren beibehalten oder so weit wie möglich herauskorrigieren möchte. Wie sieht es mit dem Filmkorn aus, soll es sichtbar bleiben oder digital herausgerechnet werden? Hier gibt es "De-graining" Verfahren, bei denen man das Filmkorn digital reduzieren kann. Falls man das will.
Herausforderungen
Man darf sich da nichts vormachen, die alten analogen Filme hatten viele Ungenauigkeiten, Schwankungen und Fehler. Viele Menschen lieben das als "Film-Look", man muss sich gut überlegen, ob man und wenn ja, welche dieser Schwächen von damals man bei der Restaurierung reparieren möchte. Hinzu kommen winzige Wasserflecken auf den Negativen und Kopien sowie minimale Lichthöfe an Konturen. Oft ist man erstaunt, was man so alles damals bei den analogen Kinokopien toleriert hat. Andererseits,- es waren die Formate, die zur Verfügung standen, außer IMAX und 65mm gab es einfach nichts Besseres als 35mm und Super 16mm.
Die Aufnahmen waren viel softer und der Kontrast je nach Verfahren deutlich härter. Heute kann man dank HDR auch in den Schatten reiche Differnzierungen herausarbeiten, das war beim Analogen Film nur durch Tricks wie Vorbelichtung machbar. Es braucht eine ganze Menge Erfahrung und hochwertige Geräte, um alle Arbeitsschritte möglichst optimal ausführen zu können. In Deutschland gibt es einige wenige Anbieter mit der notwendigen Experise, wie etwa die ALPHA-OMEGA digital GmbH in Taufkrichen, die PHAROS in München oder die CINEGRELL in Berlin. In Österreich fehlt aktuell die Infrastruktur, das Filmarchiv Austria bemüht sich um den Aufbau neuer Strukturen und in der Schweiz gibt es das Stammhaus der CINEGRELL in Zürich.