Ganz gleich, ob man ein Buch, ein Theaterstück, eine Sinfonie oder einen Film betrachtet, um die Zuschauer bzw. Zuhörer oder Leser zu fesseln, sind Spannungsbögen wichtig. Bereits Aristoteles kannte diese Notwendigkeiten.
In einem Drehbuch bzw. Film sollten sich verschiedene Elemente bis zum Ende oder Höhepunkt hin steigern. Allerdings ist das so eine Sache mit der Steigerung, eigentlich kann man sie nicht wie eine einfache Diagonale kontinuierlich ansteigen lassen und andererseits bedarf es der dramaturgischen Abwechslung von Anspannung und Entspannung um für beides genügend empfindsam zu sein. Diverse Analogien finden wir in der sinfonischen Musik.
Peaks and Valleys
Wenn man zu Filmen Spannungskurven aufzeichnet, die sich aus der gründlichen Filmanalyse ergeben, so sind diese zumeist in Wellenformen aufsteigend. Einerseits steigt die Spannung an, andererseits gibt es aber auch immer wieder Beruhigungen in der Spannung, bevor diese erneut Anlauf nimmt und sich weiter bogenförmig steigert. Diese Beruhigungen müssen allerdings nicht wirklich echte Ruhephasen sein. Man kann die Filmfigur dort auch in falscher Sicherheit wiegen oder diese durch irgendwelche Umstände, wie einen Motorschaden am Auto zur Untätigkeit zwingen.
Doch zunächst einmal beginnen die meisten Geschichten in einer Art Normalzustand für die Hauptfiguren, man könnte auch sagen, sie leben so vor sich hin, wie sie es immer tun. Es ist die Phase der "Einführung" und quasi der Startpunkt unserer Steigerungskurve.
Ja und dann beginnen bereits Veränderungen, irgend etwas geschieht, was unsere Hauptfigur herausfordert, worauf sie reagieren muss. Man kann auch von ein er Störung sprechen, durch welche die Hauptfigur aus ihrem gewohnten Trott heraus muss. Und natürlich wird dem Leser/Zuschauer recht bald klar, vor welcher Herausforderung unsere Hauptfigur steht und welches ihr Ziel sein wird.
Das erzeugt Spannung, weil das Ziel natürlich nicht einfach zu erreichen ist und man auch nicht sicher sein kann, ob es erreicht werden kann. Unsere Hauptfigur begibt sich also auf einen Weg, eine Reise, auf der sie mehrere Hindernisse überwinden muss, bevor die ihr Ziel erreicht. Man nennt diese Phase auch "Konfrontation". Besonders massive Hindernisse oder entscheidende Herausforderungen nennt man auch "Plot Point".
Nach der Überwindung eines solchen Hindernisses darf durchaus wieder etwas Beruhigung in das Leben unserer Hauptfigur eintreten, aber nur relativ kurz und nie so, dass die Spannung ganz abfällt. Gleich danach geht es nämlich weiter mit den Anstrengungen auf dem Weg hin zum Ziel. Manchmal macht es Sinn, kruz vor dem Höhepunkt noch einmal die Spannungsbremse einzulegen und ein sogenanntes retardierendes Moment einzubauen. Das ist eine kurze Atempause, bevor es endgültig dem Ziel entgegen geht.
Denn schließlich steuert der Film auf einen Höhepunkt zu, jenen Punkt wo die größte und letzte Schwierigkeit bewältigt werden muss. Genau dort liegt die "Auflösung" der Geschichte,- man erfährt, wie sie ausgeht, ob die Hauptfigur es geschafft hat, ihr Ziel zu erreichen.
Und wenn dies geschafft ist, sollte der Film auch möglichst rasch beendet werden, denn alles was danach kommt, kann nur unspannender und langweiliger sein, als der lange spannende Weg hin bis zum Höhepunkt.
Beim Film gibt es durchaus auch Wiederholungen, manchmal kommt die Filmfigur mehrmals an einen bestimmten Ort und vielleicht hat dieser ort auch etwas mit einem Grundproblem der Filmfigur zu tun. In Hitchcocks Vertigo etwa sind dies Situationen der Höhenangst. Und natürlich gibt es all die Befürchtungen der Zuschauer, den Suspense. Aus der Musik kennen wir das als Leitmotiv, welches wir entsprechend auch in Filmen nachweisen können.
Verkehrte Spannung?
Wer an Drehbüchern oder Filmen arbeitet wird hin und wieder in Versuchung geführt, eine besonders eindringliche Szene ganz an den Anfang des Filmes zu stellen. Das erlaubt einen fulminanten Start hinein in die Filmhandlung. Allerdings gelingt es danach möglicherweise nicht, diesen starken Start noch glaubwürdig zu einem noch stärkeren Höhepunkt zu führen.
Wenn man ein gewisses Understatement hat und ein dramatisches Ereignis sehr zurückhaltend und undramatisch erzählt, wie es Billy Wilder mit der Leiche im Swimmingpool in "Boulevard der Dämmerung" tat, so kann diese Umkehrung gelingen. Ansonsten ist man in 90% aller Fälle besser damit bedient, die klassische Steigerungskurve zu nutzen und in einem ruhigen Normalzustand zu beginnen.
Moderne Serien der einschlägigen Streaming-Giganten unterliegen natürlich anderen Dramaturgien als abendfüllende Spielfilme. Sie arbeiten inzwischen sehr gerne mit genau dieser Methode. Gleich zu Beginn wird den Zuschauern der Grundkonflikt explosionsartig präsentiert, alle Register werden gezogen, temporeiche Action, Psychostress, Liebe, Kampf, Eifersucht, Feuer, Autocrash oder der Tod als Konzentrat.
Und der Zuschauer will dann, ohne auch nur irgend etwas begriffen zu haben, wissen, wie es zu diesem fulminanten Showdown kommen konnte. Dass er/sie möglicherweise noch drei bis sieben Staffeln mit jeweils etwa 10 Episoden von der Beantwortung dieser Frage entfernt ist, steht auf einem anderen Blatt. Manchmal bleibt es aber auch, trotz Action-Feuerwerk am Anfang, bei einer ersten Pilotfolge und es wird keine weiteren Folgen geben.