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Writers Room 3 4000 

Vor dem Start

Wie in unserem ersten Teil über den Writers Room erläutert, durchlaufen Projektvorschläge in den USA bei Anbietern wie HBO oder Netflix ein aufwändiges Auswahlverfahren, nur etwa 2-3 Prozent aus etwa 300 bis 400 Vorschlägen werden dann zu Pilotfolgen um sie zu testen und daraus werden dann vielleicht zwei oder drei ausgewählt um entwickelt und geschrieben zu werden. Wie geht es dann weiter?

Nun der oder die Showrunner-in stellt ein Team aus talentierten und erfahrenen Autoren zusammen und sie richten sich in ihren Büroräumen, einem großen Konferenzraum sowie mehreren kleineren Büros, ein. Zu diesem Zeitpunkt erhalten sie einen festen Zeitplan für alle Schritte ihrer Arbeit bis hin zu den Sendeterminen jeder einzelnen Folge. Der große Konfernzraum hängt voller Whiteboards, Karteikarten, Post-Its, Schemata der Dramaturgie (insbesondere die horizontalen Entwicklungen), manchmal auch Moodboards, Bilder der bereits festgelegten Schauspieler, Bilder wichtiger Drehorte oder deren Entwürfe. Das ist sehr vom individuellen Geschmack abhängig und soll einerseits Übersicht verschaffen und andererseits die Fantasie ankurbeln.

Im Grunde genommen folgt das Konzept der Erkenntnis, dass viele Kreative gemeinsam mehr Ideen produzieren, das Brainstorming und ein gewisser spielerischer Ansatz verlaufen im Team ganz anders. Dennoch muss zugleich verhindert werden, dass ein kreatives Chaos entsteht. Damit der Writers Room reibungslos funktioniert wird klar geregelt, wer wem zu berichten hat, wie man kommuniziert, wer Entscheidungen treffen kann. Für eine effiziente, industrielle Entwicklung und Umsetzung der Seriendrehbücher gelten feste Regeln, genaue Vorgaben und es werden dramaturgische Raster verwendet, in welche die zu entwickelnden Stories hineinpassen müssen.

 

Es geht los

Die Autoren*Innen kommen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, wissen mehr oder auch weniger über das Projekt an dem sie die nächsten Monate zusammen arbeiten werden. Je nach vorhandenem Budget und der Anzahl der Serienfolgen, kann so ein Writers Room aus drei aber auch aus sechzehn und mehr Personen bestehen. Vorab sollte man klar festlegen, wie man Vorschläge oder auch Kritik sorglos in das Team einbringen kann. Grundsätzlich sollte so ein Writers Room auf gegenseitigem Vertrauen basieren, niemand sollte sich fürchten müssen, dass die Anderen über eigene Ideen lachen oder gar lästern. Kreativität gedeiht am besten ohne Ängste, das gilt auch in anderen Zusammenhängen. Man muss lernen und sich daran gewöhnen, dass eigene Ideen auch abgelehnt, für nicht so gut oder ungeeignet befunden werden. Diese Aussagen meinen immer nur die Ideen, nicht diejenigen, die sie erdacht haben.

Alle im Team werden zunächst auf den gleichen Stand gebracht, meist ist es der Showrunner, der dies leistet. Außerdem erhalten sie in der Regel eine sogenannte Serienbibel, in welcher Backstories, Besonderheiten der verschiedenen Hauptfiguren, das Genre und der Stil der Serie festgelegt sind.

In einem nächsten Schritt legt man für einzelne Serienfolgen noch ziemlich rudimentär Ideenskizzen, Milieus, Settings fest, ohne dass es bereits eine Story gibt. Nachdem diese feststehen, wird gemeinsam auf dieser Basis überlegt, wie denn die Geschichten in der jeweiligen Folge aussehen könnten. Die Autoren erdenken gemeinsam im Writers Room mögliche Verläufe, notierend die auf Whiteboards und wählen schließlich die jeweils beste aus. Das kann auch bedeuten, dass sie die jeweils interessantesten Teile aus verschiedenen Ideen miteinander kombinieren.

Diese Ideen werden sehr locker, wie in einem Spiel entworfen, man wirft sich die Bälle zu, testet aus, wie weit man innerhalb der Serie gehen kann, schiebt nicht so gute Ideen schnell und schmerzfrei vom Tisch ohne dass jemand daran ewig gearbeitet hat und identifiziert gemeinsam die besten Ideen.

Im nächsten Schritt werden die Serienfolgen auf der Basis der jeweils gefundenen Idee grob verschriftlicht, man spricht auch von "Plotten". Dies folgt einem klar vorgegebenen dramaturgischen Raster, welches die einzelne Serie, je nach Länge und den Werbeplatzierungen in vier bis sieben Akte einteilt.

Auch wenn das mit den Karteikarten noch sehr nach Oldschool klingt, in den weiteren Arbeitschritten wird natürlich nur  noch digital gearbeitet und dies auch so, dass alle auf die Texte und Fassungen Zugriff haben. Man arbeitet deshalb mit Programmen wie FinalDraft, die Dateien liegen auf einem gemeinsam zugänglichen Server oder in einer Cloud.

 

Struktur und Rhythmus

Die Struktur der Serien hat sich in den USA über viele Jahrzehnte entwickelt und sie ist immer weiter optimiert und angepasst worden. Da die meisten Kabelsender in den USA drei Werbeunterbrechungen in einer Serie unterbringen, bestehen die meisten Serien aus vier Akten, die jeweils ungefähr 10 Minunten Länge haben. Zusammen mit dem Titelvorspann, einem "Was bisher geschah" und einem Abspann ist die typische Serienfolge also 45 Minuten lang.

Das dramaturgische Schema legt auch fest, wie viele Handlungsereignisse, auch "Beats" genannt in jedem Akt passieren müssen. Die Anzahl gibt zugleich ein gewisses Tempo vor, ruhigere Serien arbeiten mit vier, fünf Ereignissen in der Storyentwicklung pro Akt, eher schnell erzählende Serien kommen auf Sieben, Acht "Beats" in einem Akt. Eine hohe Taktung zwingt die Autoren dazu, reiche Storyverläufe zu schreiben, was der Zeichnung der Charaktere zugute kommt.

Und am Ende eines jeden Aktes muss etwas stehen, was die Zuschauer daran hindert, im Werbeblock auf ein anderes Programm umzuschalten. Das ist der klassische "Cliffhanger", die Frage, wie es weitergehen wird. Der nach der Werbeunterbrechung folgende nächste Akt bringt dann, ähnlich wie ein neuer Akt auf der Theaterbühne, erzählerisch etwas Neues, Anderes, es wird wie bei einem Buch ein neues Kapitel aufgeschlagen.

 

Malen nach Zahlen

Gemäß den schematischen Vorgaben werden nun für die einzelnen Akte separate Bereiche an der Pinwand markiert und für jeden "Beat", also jede neue Handlungsabfolge einzelne Karteikarten ausgefüllt und angepinnt. Auf diese Weise lässt sich die Konstruktion der jeweiligen Serienfolge sehr gut überblicken.
Und vor allem kann man sehr leicht Umstellungen, Veränderungen oder auch Streichungen vornehmen, weil es sich ja nur um Karteikarten handelt. Man kann spielerisch ausprobieren, was sich in der Story ändert, wenn man einzelne Karteikarten, die das erzählerische Schema repräsentieren, verschiebt. Dies geschieht im Team, noch hat niemand an Szenen oder Dialogen gearbeitet, das macht es leichter, weil man eigentlich nur an einem Schema arbeitet.

So können innerhalb eines Tages eine oder sogar mehrere Serienfolgen entworfen werden, welche das Team dann dem Showrunner anhand der Pinwand präsentieren kann.

Wenn der Showrunner einer Serienfolge in diesem Entwurf zugestimmt hat, werden die Inhalte von den Karteikarten entsprechend in eine Textdatei übertragen, das sogenannte Beatsheet, hierzulande würde man wohl eher von einer Step-Outline sprechen.

Im typischen Writers-Room folgt darauf allerdings dann kein Exposé oder Treatment, sondern es geht gleich in die Drehbuchphase. Die Akte und Beats geben theoretisch sogar vor, wieviel Raum jeder Handlungsschritt im Drehbuch einnehmen darf. Das ist natürlich nicht in Stein gemeißelt, es kann durchaus einzelne Folgen oder Szenen geben, die geringere oder höhere Taktung bekommen. Es hängt von den inhaltlichen Entwicklungen ab, doch über weite Strecken wird das Schema genau eingehalten. Diese Begrenzung zwingt die Autoren zu gleichmäßig dichten und inhaltsreichen Szenen.

 

Feedback

Ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Teamarbeit sind regelmäßige Diskussionen und Feedback durch die jeweils Anderen. So wird verhindert, dass man lange in eine falsche oder nicht so optimale Richtung arbeitet. Außerdem verhindert es, dass die erstbeste, vielleicht überhaupt nicht originelle und viel zu naheliegende Idee zu einer Szene oder Story umgesetzt wird.

Das gemeinsame Entwickeln von Ideen ist in gewisser Weise auch ein Contest des Schräg Denkens, der ungewöhnlichen Ideeen. Es ist eine Herausforderung, mit den Anderen zusammen die besten Lösungen zu finden. Es gibt jed Menge Synergie-Effekte und durch die Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten im Team erweitert sich auch der Erfahrungs,- und Kompetenzbereich. Natürlich darf man da auch nicht völlig abheben, doch die Chance, dass man auf besondere Einfälle kommt, ist im Team meistens größer.

Da man sich als Team begreift, kannn auch fast Jeder aus dem Team die Arbeit eines Anderen übernehmen, alle sind auf dem gleichen Wissensstand, selbst wenn ein Autor mit seiner Folge, die er / sie dem Schema entsprechend ausarbeitet, nicht zurande kommt, können die Anderen weitermachen. Alle Autoren kommentieren die Arbeit der Kollegen, sie überarbeiten und optimieren sie.

 

Rückmeldungen vom Set einarbeiten

Kaum sind die ersten Folgen geschrieben, beginnen meist schon die Dreharbeiten.  Dies birgt die große Chance in sich, auf Erfahrungen aus dem Dreh einzugehen und zu reagieren. So können Wünsche und Erkenntnisse der Regie, Schauspieler oder auch der Produktion unmittelbar in die weiteren Seriendrehbücher einfließen. Das kann so weit gehen, dass man bemerkt, dass man anders erzählen muss, das man das Tempo (die Anzahl der Beats) verändern muss oder auch die Tonalität verändern, weil man Dinge an den Schauspielern entdeckt hat, die sich lohnen, in die Figuren und Erzählbögen übernommen zu werden.

Das Drehen während noch geschrieben wird, funktioniert natürlich auch nur, weil eine größere Anzahl von Autoren parallel an den verschiedenen Folgen schreibt. Das Risiko so etwas mit einem einzelnen Autor zu versuchen, wäre gigantisch, ein einzelner Mensch kann das gar nicht leisten.

 

Mit angezogener Handbremse

Natürlich fragt man sich, wie man das Prinzip auch bei uns anwenden kann. Selbstverständlich wird dies auch seit ein paar Jahrzehnten auch hierzulande immer wieder eingesetzt. Doch so ganz vergleichbar ist es in den meisten Fällen dann doch nicht.

Autoren, die wie in den amerikanischen Writers Rooms das Schreiben als Handwerk und solide Umsetzung nach Vorgaben betrachten, gibt es hierzulande kaum bis gar nicht. Hier herrscht das Prinzip des individuellen Kreativen, der sich nahe dem Genie darauf verlässt, aus sich selbst die besten Ideen zu schöpfen.

Bereits in der allerersten Phase, dem Brainstroming der besten Ideen für die jeweilige Folge, tun sich die europäischen Autoren sehr schwer. Die wenigsten können den Gedanken, nur ein Zahnrad im Getriebe eines industriellen Schreibprozesses zu sein, akzeptieren. Bereits hier würden die meisten für sich reklamieren wollen, eine bstimmte Idee allein entwickelt zu haben, auf der die jeweilige Serienfolge beruhen wird.

Der Begriff Writers Rooms" wird gerade in unseren breiten häufig missbräuchlich eingesetzt. Da werden drei, vier Autor*Innen zu einem Team zusammengefasst und arbeiten dann aber eigentlich trotzdem höchst individuell an den einzelnen Serienfolgen. Sei es, dass jeder eine andere Folge schreibt und das Ergebnis logischerweise sehr schwankende Tonalität und auch Qualität ist oder dass jeweils ein Autor das Seriendrehbuch eines anderen Autors überarbeitet oder sogar umschreibt. Auch dies ist unbefriedigend, weil da niemand weiß, woran er/sie ist. Das ist auch nicht wirklich ein Writers Room sondern irgendeine unbefriedigende Form der Arbeitsteilung.

Es gib neben dem fehlenden Budget viele Autoren zu bezahlen, also eine Reihe von Gründen, weshalb unter diesem Begriff höchst unterschiedliche Arten der Zusammenarbeit organisiert werden. Viele Unterschiede, die Eitelkeit mancher Autoren, Widerstände auch wegen des Urheberrechts machen es hierzulande sehr schwer, das US Amerikanische Prinzip des Writers Room auf unsere Verhältnisse zu übertragen.

Und bevor wir allzu neidvoll auf die USA schielen,- dort sind die goldenen Zeiten der Writers Rooms vorerst vorüber. Der Autorenstreik und Sparmassnahmen der Networks haben auch dort die Teams massiv schrumpfen lassen. Die Rooms sind kleiner, die großen Serien weniger geworden.

 

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