Bei Objektiven ist die Lichtstärke ein wichtiges Gestaltungs,- und Qualitätsmerkmal. Worum geht es dabei genau und wovon ist die Lichtstärke abhängig? Zunächst einmal gibt es bei der Konstruktion von Objektiven bestimmte Gesetzmäßigkeiten, an denen kein Hersteller wirklich vorbei kommt. Weshalb sich auch die verschiedenen Objektivtypen zumindest was bestimmte äußere Parameter angeht, voneinander kaum unterscheiden.
Unter der Lichtstärke eines Objektivs (nicht zu verwechseln mit der Lichtstärke eines Sensors), versteht man die Fähigkeit, möglichst viel Licht durch das optische System auf den Sensor oder zu analogen Zeiten auf das Filmmaterial zu leiten. Im Filmbereich spricht man auch von High-Speed Objektiven.
Vorgeschichte
Bevor wir unsere eigenen Objektive mit Abschätzung strafen, weil deren offene Blende vielleicht bei 2,8 oder 3,5 beginnt, sollten wir uns vergegenwärtigen, welch große Fortschritte die Forschung auf diesem Gebiet verzeichnen kann. Kameras in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hatten Normalobjektive, bei denen die Öffnungsblende bei 11 oder 8 lag, später dann in den 40er und 50er Jahren zählten Blenden von 4 oder 2,8 zu den üblichen Werten. Objektive mit höherer Lichtstärke gab es bereits in der Mitte des 19ten Jahrhunderts, wie etwa das "Petzvalobjektiv" (nach seinem Erfinder Petzval benannt) mit einer Offenblende von 3,6, welches Peter Wilhelm Friedrich von Voigtländer produzierte und erfolgreich vermarktete. In Zeiten, in denen fotografierte Menschen für die Belichtung minutenlang sillhalten mussten, eine Sensation. Die Schärfe fiel bei diesem Objektiv allerdings dramatisch zu den Bildrändern hin ab.
Berechnungen
Das "Petzalobjektiv" war übrigens eines der ersten, wenn nicht das erste Objektiv, bei dem der Aufbau anhand optischer Gesetze berechnet wurde. Bis dahin war es die Erfahrung, auf Grund der die Optiker ihre Linsen herstellten. Dabei gibt es verschiedene Abhängigkeiten. Einmal muss man sich darüber im klaren sein, dass Glas Licht schluckt. Je mehr Linsen ein Objektiv hat, desto mehr Licht wird, abhängig von deren Glasqualität, geschluckt. Zweitens spielt die Brennweite eine Rolle. Drittens ist der Durchmesser der Frontlinse/Eintrittslinse von Bedeutung. Je größer dieser ist, desto mehr Licht kann eingefangen werden. Viertens ist die mechanische Blende relevant, wie groß diese konstruiert ist, bzw. wie groß deren größte Öffnung sein kann ohne dass sie in den Rändern des abgebildeten Bildes vignetiert.
Berechnen lässt sich die Lichtstärke, indem man die Brennweite des Objektivs durch den Durchmesser der Lichteintrittsöffnung teilt. Aus dieser Formel ergibt sich ein Automatismus immer größerer Frontlinsen für höhere Lichtstärke bzw. bei immer längeren Brennweiten. Dabei handelt es sich letztlich um eine theoretische mathematische Formel, das Ergebnis, die sogenannte F-Blende wird dann auf das Objektiv gedruckt.
Diese Formel erklärt auch, weshalb man bei Zoomobjektiven häufig zwei Blendenwerte findet, weil die Lichtstärke bei längerer Brennweite abnimmt. Im Weitwinkel schaffen sie dann vielleicht eine 2,8 während im Telebereich nur eine 5,6 möglich ist. Einige hochwertige Exemplare schaffen es dennoch, durchgängig die gleiche hohe Lichtleistung zu erzielen...
Zwei verschiedene Blendenwerte...
Allerdings berücksichtigt dieser Wert nicht, wieviel an Licht noch durch die verschiedenen Reflexionen und Spiegelungen auf dem Weg zum Sensor verloren geht. Das kann nämlich durchaus noch einmal ein signifikanter Prozentsatz sein. Wenn man diesen Wert berücksichtigen möchte, dann misst man den Unterschied zwischen dem Licht an der Eintrittslinse und dem Licht an der Austrittslinse des Objektivs. Aus dem so ermittelten Verlust kann man dann die sogenannte T-Blende (t-stop), die Transmissionsblende ermiteln, die besonders wichtig für Filmkameras war, weil man hier mit einer festen Belichtungszeit gearbeitet hat. So kann ein 50 mm Objektiv eine f 1,8 und eine t 2,3 haben. Die T-Blende ist also immer schlechter bzw. kleiner als die f-Blende.
Die Effekte einer hohen Lichtstärke sind einerseits eine bessere Empfindlichkeit, das Sensorsignal muss weniger verstärkt werden und, was besonders Kameraleute schätzen, eine geringere Schärfentiefe bei offener Blende. Damit kann man Personen oder Objekte besser vom Hintergrund isolieren.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Leider bringt die höhere Lichtstärke auch Probleme, wie die sphärische Aberration mit sich, deren Korrektur ist aufwändig (man setzt mehr Linsen ein) und meistens sind lichtstarke Objektive in ihrer Abbildungsleistung vergleichbaren Objektiven die nicht so lichtstark sind, unterlegen. Sie sind durch die zusätzlichen Linsen, welche die sphärische Abberation korrigieren müssen, empfindlicher gegen Streulicht. Da kann sich seitlich einfallendes Licht einfach viel mehr brechen.
Mit sogenannten asphärischen Linsen kann man die Effekte der sphärischen Abberation reduzieren. Bei lichtstarken Objektiven ist es deshalb besonders wichtig, mit Mattebox bzw. Kompendium und ggf. French Flag störenden Lichteinfall zu verhindern.
Kein direkter, aber ein indirekter Effekt der großen Blendenöffnung ist, dass sich der Schärfentiefebereich stark reduziert, was es für die Kameraasssistenten (focus puller) deutlich schwerer macht, die Schärfe mitzuziehen. Es ist damit nicht unmöglich, aber anspruchsvoller, fordernder, Schauspieler, die ihre Entfernung zur Kamera verändern oder bei Kamerafahrten, die Schärfe sauber mitzuziehen.
Doch derartige Paradigmen sind relativ, so wie auch absolute Schärfe und höchste Abbildung Aufnahmen nicht unbedingt schöner aussehen lässt.
Gewicht und Größe
Lichtstarke Objektive haben schlichtweg mehr Glas sowohl durch die Durchmesser als auch die Anzahl der Linsen. Dadurch sind sie größer und schwerer als nicht so lichtstarke Objektive. Man versucht, durch hochwertigere Glassorten wie Kron- und Flintglas, den Lichtverlust durch Glas zu reduzieren.
Außerdem sind sie in der Regel für die offene Blende optimiert und ihre Leistung wird nicht signifikant besser, wenn sie abgeblendet werden. Ein weniger lichtstarkes Objektiv wird deshalb bei Blendenöffnungen die kleiner als 2 oder 2,8 sind, in der Regel besser sein.
Möglichkeiten und Grenzen
50mm Objektive sind mit 1,4 oder 1,2 keine Seltenheit, bei Weitwinkel wie 35 oder 28 mm wegen der erhöhten Abbildungsfehler und bei Teleobjektiven wegen der längeren Brennweite und des geringeren Lichteinfallwinkels jedoch sehr. Bereits ein 85mm Objektiv mit hoher Lichtstärke kostet ein Vielfaches eines 50mm Objektivs mit Lichtstärke 1,4.
Zu den lichtstärksten Objektiven gehört das Zeiss Planar 1:0,7/50 mm, welches Stanley Kubrick bei "Barry Lyndon" verwendete und in dem er ausschließlich mit Kerzenlicht in Innenräumen leuchtete. Allerdings hatte es keine asphärischen Linsen, in diesem Bereich gilt das Leica Noctilux-M 1:0,95/50 mm ASPH als das lichtstärkste Objektiv.
Die Größe der Frontlinse, also der Durchmesser eines Objektivs entscheidet mit über die Menge an Licht, die in das Objektiv hinein gelangt. Oft ist die Frontlinse sogar größer als es eigentlich notwendig wäre. Es kommt mehr Licht hinein, von allen Seiten, es sucht sich geradezu seinen Weg, so wie der Schall. Man kann das ganz gut testen, wenn man einen Stift oder den Finger direkt vor die Frontlinse hält. Bei einem lichtstarken Objektiv werden die fast unsichtbar. Man kann ja auch durch Maschendrahtzaun der nah am Objektiv ist, Aufnahmen machen, ohne dass dieser sichtbar wird. Die Lichtstrahlen gehen einfach darum herum.