Die Netflix Serie "1899" arbeitete damit, "Mandalorian Season 1", "Thor: Love and Thunder", "Star Trek: Discovery", "Bullet Train", "Shazam: Fury of the Gods" und "Megalopolis" nutzten die Technik. Dank randloser LED Displays haben sich virtuelle Filmsets grundlegend verändert. Virtuelle Filmsets gibt es schon sehr lange. Erst als Rück,- oder Aufprojektion mit Hilfe von Filmprojektoren und dann später als Green,- oder Blue Screen Studios bei denen die Hintergründe später hinzugefügt wurden. Die alte Auf,- und Rückprojektion sah in den Filmen nur selten wirklich echt aus,- aber die Schauspieler*Innen konnten zumindest sehen, vor welchen visuellen Welten sie agieren sollten. Bei den Green,- oder Blue Screen Aufnahmen kam es häufig vor, dass die Schauspieler*Innen einfach nur vor riesigen grünen oder blauen Wänden spielen und sich die Hintergründe einfach dazufantasieren mussten.
Mit den LED Walls, großflächigen, aus vielen randlosen Einzeldisplays zusammengesetzen Hintergründen, die gerade oder auch kreisförmig gebogen angeordnet sein können hat sich das grundlegend geändert, denn die Hintergründe werden präzise als Hintergrund hinter den Akteur*Innen dargestellt und auch die Kameraleute können theoretisch viel besser die Ausleuchtung an die Hintergründe anpassen. Der Zusatz "theoretisch" bezieht sich auf ein Phänomen, welches man häufig bei damit produzierten Filmen beobachten kann,- das Licht wirkt stets sehr weich und kontrastarm, um nicht zu sagen "flau".
Virtuelle Sets mit LED Walls können also Green und Blue Screen Studios ersetzen. Viele VFX lastige Produktionen etwa für Disney und ILM wurden bereits mit diesem neuen Verfahren produziert. Insbesondere in CGI generierten Welten kann das Verfahren einen immersiven virtuellen Raum erzeugen, in dem generierte Hintergründe etwa aus der Unreal Engine zusammen mit Tracking-Software in Echtzeit synchron mit den Kamerabewegungen verändert werden können.
Aufbau
Um die notwendige hohe Anzahl an Displays ansteuern zu können ist ein entsprechender LED Controller erforderlich. Dieser „Prozessor“ teilt ein einzelnes, möglichst hoch aufgelöstes Bild in die notwendigen Teile für einzelne Bildschirme. Die professionellen LED Walls haben oft bereits einen Controller eingebaut, beispielsweise als integrierten Videomatrix-Prozessor oder Splitter. Die Hardware-Lösung ist aber zumeist Softwarelösungen unterlegen.
Computer, die unter Windows, Linux oder Mac arbeiten, können mit speziellen Grafikkarten mit zahlreichen Ausgängen ausgestattet werden. Darauf laufen dann softwarebasierte Video-Wall-Controller mit denen man präzise die volle Auflösung der Videowand nutzen kann. Solche Software Controller besitzen meistens auch eine Korrektur mit denen man die Einzelbilder jedes Displays leicht am Rand überlappen lassen kann um unsichtbare Übergänge zu schaffen.
So eine virtuelle LED Wall kostet Millionen, das ist also kein kleines Investment und deutlich teurer als der Einsatz von Green oder Blue Screen. Auch die Tagesmieten solcher Studios können sich sehen lassen. Die größeren unter ihnen rufen durchaus 10.000 € und mehr pro Tag als Miete auf.
Die weltweit größten LED Wall Studios sind 25 Meter breit und 8 Meter hoch und befinden sich in den USA (Los Angeles, Amazon Studios) bzw. Kanada (Vancouver). Wie so oft gibt es höchst unterschiedliche Qualitätsniveaus. Von preiswerten chinesischen Panels bis hin zu japanischen High-End Panels (z.B. Samsung, Sony) reicht die Palette.
Die Nahtlinie zwischen Bildschirm und Boden muss unbedingt kaschiert werden: LED-Wände bestehen aus einzelnen randlosen Displays, die in einem Grüst miteinander möglicht ohne Lücken verbunden sind. Damit die LED Bildschirme beim Aufbau keinen Schaden nehmen, stoßen die untersten Displays nicht unmittelbar am Boden auf, sondern sie sind minimal höher befestigt. Deshalb existiert eine Trennlinie zwischen den Displays und dem Boden. Diese kann und sollte man durch reale Requisiten versuchen zu verbergen. Das kann Gras, können Bretter, Steine etc. sein.
Um die empfindlichen LEDs nicht zu beschädigen, sollte man jede Art von Feuer oder Explosionen in der Nähe der Wände unbedingt vermeiden.
Wissen, was man tut
Bei klassischem Green Screen musste man den Schauspieler*Innen erklären, wo sie gerade sind und was sie dort spielen. Schauspieler sehen während Ihrer Arbeit mit der LED Wall die tatsächliche Szenerie, erkennen ihre spätere Position in dem Bildmotiv und können so glaubwürdiger agieren. Green Screen birgt oft das Risiko von Ermüdung und Orientierungslosigkeit in sich, beides verschwindet gänzlich mit diesen neuen virtuellen Studiosets.
Auch für die Regie erleichtert diese realistischere Visualisierung die Arbeit enorm. Man kann unterschiedliche Variationen mit unterschiedlicher Lichtsetzung, alternativen Kamerapositionen und Richtungen, sehr viel besser austesten. Man kann die Bildwirkung durch die Kamera sofort beurteilen. Der/die Regisseur-in kann den Endeffekt sofort durch die Kameralinse überprüfen und Anpassungen vornehmen. LED Walls stellen daher eine Mischung aus klassischer und digitaler Beleuchtung dar. Sie geben damit den Filmemacher*Innen mehr Kontrolle über Bildwirkung ihrer Szenen.
Kamera
Da man in so einer vortuellen Studioumgebung aus allen möglichen Richtungen dreht, ist es wichtig, dass die verwendeten Displays einen konstanten Blickwinkel von mindestens 170 Grad haben. Um sich auch gegen die Ausleuchtung der Filmscheinwerfer und zur Nutzung ggf. kleinerer Blendenöffnungen durchzusetzen, sind Helligkeitswerte um die 1500nit empfehlenswert. Für die spätere Farbkorrektur sollte der Rec.709 Farbraum möglichst vollständig abgedeckt werden. Gebogene Panels bieten den Vorteil, dass man mindestens 180 Grad als Halbreis abbilden kann, was mehr Freiheiten bei den Kamerawinkeln zulässt. Ergänzend oder auch alternativ haben einige Kameraleute auch schon gute Erfahrungen mit Drehbühnen (drehbare Studioböden) gemacht,- damit kann man verschiedene Raumrichtungen leichter und mit weniger breiten LED Walls verwirklichen.
Grundsätzlich ist angeraten, mit der Kamera einen größeren Abstand zu der LED zu halten. Und auch der Aufnahmewinkel sollte nicht in die Extreme gehen. Dreht man steil von oben oder unten, nahe der LED Wall kann es vorkommen, dass man nur die roten oder nur die blauen Farbanteile sieht. Das hat mit dem Prinzipaufbau solcher Panels zu tun. Hochwertige LED Walls sind HDR fähig bei 10/12 Bit Signalbreite. Um auch andere Bildaufnahmefrequenzen zu bedienen, haben sie eine hohe Bildwiederholrate bis hin zu 3840 Hz.
Man kennt das vom Abfilmen von Bildschirmen,- allzu leicht kommt es zum gefürchteten Moiré-Effekt. Denn auch bei der LED Wall trifft ein Raster (das der lichtempfindlichen Fotodioden im Sensor) auf ein anderes Raster (das der LEDs in jedem einzelnen Display), was zu unschöner Musterbildung führen kann. Insbesonder bei geringem Abstand der Kamera zur LED Wand kann dieser Effekt auftreten. In solchen Fällen kann man mit nahtlosen Diffusionsplatten die man vor dem oder den betreffenden Bildschirmen befestigt oder durch Veränderung der Kameraentfernung zur Wall die Moirèstrukturen reduzieren.
Licht
Man kennt das von den riesigen LED Werbeflächen in großen Metropolen, wie etwa von Times Square in New York- sie sind einerseits Bildgeber, andererseits aber auch Lichtquellen. Mit den LED Walls im Studio ist das nicht anders, die LED-Bildschirme sind auch Lichtquelle und beleuchten daher die Personen und Requisiten von der LED-Wand. Man muss also die Farbgebung der digitalen Wand auf die Beleuchtung der Objekte und Schauspieler abstimmen. Nur dass die Leuchtdioden in den Displays nie als Lichtquellen konstruiert wurden.Das macht es nicht ganz einfach, natürliche Hauttöne zu produzieren.
Umgekehrt fällt auch reflektiertes Licht von den Objekten und Schauspieler*Innen auf die LED-Wand. Man muss also sehr genau die Beleuchtung und ihre Reflexionen auf die LED Wand abstimmen.
Licht und Hintergrund lassen sich ganz schnell ändern, entsprechende Apps auf dem Tablet reichen. Es gibt kein grünes Licht, welches vom Green Screen von Hinten auf die Darsteller*Innen fällt (spill) welches man später mühsam in der Postproduktion entfernen muss.
Da die Helligkeit der LED Wand begrenzt ist, benötigt man, wenn man harte, starke Lichtquellen aus dem Bildhintergrund als Backlight/Kante auf Objekten und Personen erzählen will, klassische starke Spots. Einige Kameraleute meinen, dass diese LED Walls am Besten für weiche Lichtsituationen sowie Sonnen,- Auf und Untergänge geeignet sind. Helles Mittags- oder Tagessonnenlicht können sie nicht so gut wiedergeben.
Ausstattung / Requisite
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, reale Objekte mit der auf den Displays abgebildeten Welt mögliochst nahtlos verschmelzen zu lassen. Reflektiertes Licht von realen Objekten wirkt durch die Oberflächenbeschaffenheit oft ganz anders, als die virtuelle Welt auf der LED Wall. Wenn man da nicht aufpasst gibt es ganz schnell eine Irritation, welche die Illusion zerstören kann. Es ist also wichtig, auch von der Auswahl der Requisiten und der Lichtführung her, den realen Bereich mit den Schauspieler*Innen, Objekten etc. genau so wirken zu lassen wie den Bildhintergrund auf der LED Wall.
Ton
Natürlich klingt die Realität anders als ein Studio. Während wir es in der Natur draußen mit einem "trockenen" Ton ohne Schallreflexionen zu tun haben, wird der Schall von einer glatten Videowand sehr deutlich reflektiert. Das muss man wissen, insbesondere wenn man Originalton / Location-Sound aufnimmt.
Derartige LED Walls sind recht teuer und sie halten im regelmäßigen Einsatz zwischen 5 und 10 Jahren. Sie mögen keine Feuchtigkeit und eigentlich auch keine Transporte. Wenn man sie einmal stationär im Studio einrichtet, sollte man sie am Besten einfach dort belassen und nicht transportieren. Die abgebildete LED Wall wurde im Rahmen der EuroCineExpo 2023 von bright! Studios, Teltec und Stage Precision präsentiert.