"Maïmouna - la vie devant moi" - Interview mit Fabiola Maldonado und Ulrike Sülzle
Auf dem Dokfest 2007 war mit "Maïmouna - la vie devant moi" ein bemerkenswerter und hoffnungsvoller Film über das schwierige Thema der weiblichen Genitalverstümmelung zu sehen. Wir trafen uns mit der Regisseurin Fabiola Maldonado und der Kamerafrau Ulrike Sülzle, um mit ihnen über den Film und seine Entstehung zu sprechen.
Können Sie sich kurz in zwei Worten vorstellen, erzählen wie Sie zu dem Film gekommen sind und wie Sie zu dem Projekt stehen!
Fabiola: Mein Name ist Fabiola Maldonado. Ich komme aus Honduras. Vor drei Jahren habe ich Ulrike an der Filmhochschule in Stuttgart getroffen. Sie hatte die Idee für ihre Diplomarbeit einen Film über die Beschneidung von Frauen in Burkina Faso zu machen. Wir haben dieses Projekt dann zusammen entwickelt und umgesetzt, mit ihr als Kamerafrau und mit mir als Regisseurin.
Ulrike: Ich bin Ulrike Sülzle und komme aus Deutschland. Das Thema der Beschneidung beschäftigt mich schon länger, da ich mich in Frauengruppen engagiere und auch Frauenpolitisch aktiv bin. Eigentlich hatte ich nicht vor, darüber einen Film zu machen, weil es doch ein sehr schwieriges Thema ist. Dann bin ich eher zufällig nach Burkina Faso gekommen und habe die Organisation Bangr Nooma kennen gelernt. Ich habe gesehen, wie sie dort arbeiten, Aufklärungsarbeit machen und das hat mich so fasziniert, dass ich gedacht habe, das muss auch in Deutschland gezeigt werden. Zusammen mit Fabiola habe ich dann das Konzept für einen Dokumentarfilm entwickelt, und wir sind zusammen auf eine Recherchereise nach Burkina Faso gefahren. Das war circa ein Jahr vor den Dreharbeiten.
Hatten Sie, Frau Maldonado, vorher auch schon einen Bezug zum Thema Beschneidung?
Fabiola: In Lateinamerika hört man sehr wenig über dieses Thema. Ich wusste natürlich davon, hatte aber keinen Bezug zu dem Thema. Das kam mehr von Ulrike und dem, was sie mir von ihren Erfahrungen erzählt hat. Was ich wirklich interessant fand, war diese Idee, sich ein bisschen von der Grausamkeit zu distanzieren und stattdessen zu versuchen, Hoffnung für eine positive Veränderung zu transportieren.
Wie sind sie während und nach der Recherche daran gegangen, das Projekt konkret umzusetzen?
Fabiola: Ulrike hatte schon einen Kontakt zu der Organisation „Bangr Nooma“. Das war unser Startpunkt. Dort hatte man großes Interesse an dem Projekt, weil es für die Organisation natürlich eine große Chance ist, wenn ihre Arbeit und die positiven Ergebnisse gezeigt werden. Wir hatten uns im Vorfeld unserer Recherchereise schon intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und auch etwas geschrieben. Aber das eigentliche Filmkonzept hat sich erst aus den Erfahrungen, die wir vor Ort mit unterschiedlichen Menschen gesammelt haben, entwickelt. Wir haben danach alles wieder umgeschrieben.
War Ihre Protagonistin Maïmouna auch eine solche Reisebegegnung?
Ulrike: Nein. Ich hatte Maïmouna bereits beim aller ersten Kontakt mit Bangr Nooma kennen gelernt, wo sie arbeitet. Während der Recherche war es dann bereits das dritte Mal, dass ich sie und ihr Dorf besuchte. Der Kontakt zur Organisation und zu Madame Poyga, ihrer Gründerin, war bereits hergestellt. Damals wollten wir noch einen andere Frau und einen Mann als Interviewpartner im Film. Wir hatten uns intensiv mit ihnen beschäftigt, lange Interviews geführt und sogar schon Testaufnahmen gemacht. Im Nachhinein kam dann aber die Entscheidung, dass es bei Maïmouna bleibt.
Fabiola: Maïmouna ist sehr gut darin, Aussagen zu vermitteln. Sie ist daran gewöhnt strukturiert zu sprechen und zu arbeiten. Das war sehr wichtig für mich. Außerdem ist sie eine starke Frau mit einer interessanten Geschichte.
Wie lange haben Sie gedreht?
Fabiola: Wir waren fünf Wochen vor Ort und haben vier Wochen gedreht. Da wir Kamera und Equipment von der Hochschule ausgeliehen hatten, musste organisatorisch alles klappen. Und in Afrika kann man das nicht so planen wie in Deutschland. Daher war es sehr wichtig, dass die Protagonisten mit Stress vom Dreh klarkommen. Bei Maïmouna konnten wir uns da sicher sein.
Wie sind Sie mit der schwierigen Drehsituation bei den Aufklärungsveranstaltungen umgegangen? Wie haben sich die Leute verhalten?
Ulrike: Es war nur dadurch möglich, dass die Organisation vollkommen hinter uns stand, und wir auf dem Dorf immer vorher angekündigt wurden. Außerdem waren wir ja auch schon bei der Recherche im Dorf. Man hatte uns schon gesehen, kannte uns. Ich war fünf oder sechs Mal in dem Dorf, wir waren also keine Fremden. In den Dörfern, die uns nicht kannten war klar, wir kommen mit der Organisation, wir kommen mit den Leuten von Bangr Nooma. Unsere Dolmetscherin hat uns sehr viel geholfen. Sie hat uns oft gesagt, wo wir hingehen müssen und wie wir jemanden begrüßen sollen. Ihr Wissen über die Traditionen hat uns oftmals aus peinlichen Situationen wieder heraus geholt oder uns vor Peinlichkeiten bewahrt. Es geht auch einfach darum, vor Ort respektvoll zu sein, und bei so einer Aufklärungsveranstaltung nicht wie ein rasender Reporter mit der Kamera den Leuten direkt vor dem Gesicht herum zu hüpfen. Sondern zu schauen, wo integriere ich mich in die Veranstaltung, aber störe nicht. Es haben sich dann auch alle Leute filmen lassen und sind nicht einfach gegangen. Wir wurden immer freundlich empfangen und konnten ein Teil der Veranstaltung sein.
Hat Ihre Anwesenheit und die Dreharbeiten direkte Resonanz hervorgerufen?
Fabiola: Ich weiß nicht, ob das groß thematisiert wurde wegen uns. Die Veranstaltungen selber haben sich im Laufe der Zeit verändert. Am Anfang hat fast niemand an einer Diskussion teilgenommen, aber durch die ständigen Wiederholungen ist man offener geworden. Das ist allerdings ein sehr langer Prozess. Und wenn die Kamera dabei ist, wird es natürlich schwieriger. Ich glaube jedoch, dass sich unsere Anwesenheit nicht inhaltlich oder auf den Ablauf der Veranstaltungen ausgewirkt hat.
Ulrike: Ich denke, dass hat sich vorher schon entschieden. Die Menschen, die es in Ordnung fanden, dass wir kommen und filmen, dass wir da sind und über das Thema berichten, die sind gekommen. Und die, welche es nicht in Ordnung fanden, sind nicht gekommen. Zum Teil sind sogar mehr gekommen, weil die Kamera da war. Sie waren neugierig und wollten uns ansehen. Das hat sich von allein reguliert. Aber es war nicht so, dass direkt jemand zu uns gekommen ist und gesagt hat, finden wir gut oder finden wir nicht gut. Es ist eher so, dass die Leute, die da waren, damit zum Ausdruck gebracht haben, dass sie es gut finden, wenn jemand sich für ihre Belange interessiert. Sie haben uns damit auch dahingehend Vertrauen entgegengebracht, dass wir sie und die Situationen in Deutschland richtig darstellen werden.
Wird der Film auch in Burkina Faso gezeigt werden?
Ulrike: Er ist schon in Burkina Faso gezeigt worden! Gleich als der Film fertig war, bin ich nach Burkina Faso gefahren, um ihn Maïmouna zu zeigen. Natürlich ist er auch an die ganzen Organisationen in Burkina Faso verteilt worden und an den Deutschen Entwicklungsdienst, welche ihn für ihre Zwecke nutzen werden. Es gab die Idee, ihn im Fernsehen zu zeigen, dazu ist es aber leider nicht gekommen. Auch auf dem Filmfestival in Burkina Faso ist er nicht genommen worden. Warum wissen wir nicht so genau, aber wir werden ihn nächstes Jahr wieder einschicken. Der Film soll auf jeden Fall gezeigt werden.
Sind die Dreharbeiten so gelaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Fabiola: Ich glaube, sie sind relativ gut gelaufen. Alles, was geplant worden war, konnten wir auch umsetzen. Situationen, in denen man improvisieren muss, gibt es natürlich immer.
Ulrike: Für eine Szene sind wir extra mit Notstromaggregat ziemlich weit gefahren und hatten HMIs, Lampen, alles dabei. Dann ist das Notstromaggregat ausgefallen. Wir hatten sogar für den Notfall geplant und einen Elektriker mitgenommen, aber das Aggregat hat einfach den vielen Strom nicht ausgehalten. Deswegen ist die eine Szene nun etwas dunkel. So was passiert halt. Aber im Großen und Ganzen hat es gut geklappt.
Konnten sie im Film Ihre Vorstellungen und Ziele umsetzen?
Fabiola: Ja. Unser Ziel, den Menschen vor Ort und konkret Maïmouna eine Stimme zu geben, haben wir erreicht. Auch das Vorhaben, über dieses so schwierige Thema eine hoffnungsvolle Dokumentation zu machen, ist uns gelungen.
Ulrike: Trotz der Schwere des Themas kann man den Film gern ansehen und vielleicht sogar glücklich raus gehen. Ich finde es sehr schön, dass viele, die den Film schon gesehen haben, sagen, dass sie so einen Film eigentlich nicht sehen wollten, weil das Thema so schrecklich ist. Damit wollen sie nichts zu tun haben. Aber nachdem sie den Film gesehen haben, können sie sich dem Thema nähern, können viel verstehen. Sie verurteilen die Menschen nicht, die noch beschneiden, wissen jedoch trotzdem um die Grausamkeit. Sie sind offener geworden, weil sie den Film gesehen haben.