Viele lieben, andere meiden ihn, jenen Kameratrick, der die Zeitkontinuität scheinbar überspringen kann. Wie funktioniert er, was muss man wissen? Die drei Begriffe meinen nicht alle das Gleiche, sie haben dennoch miteinander zu tun.
Frühe Tricktechnik
Zeitraffer ist ein Kameratrick, der schon recht früh in der Filmgeschichte genutzt wurde, um komische, seltsame Effekte und Zeitbeschleunigungen sichtbar zu machen. Dass man ihn so früh schon entdeckte, hing damit zusammen, dass die frühen Kameras und Projektoren von Hand betrieben, die Filmstreifen per Handkurbel transportiert wurden. Kurbelten die Kameraoperateure nämlich bei der Aufnahme langsamer als bei der Vorführung, schien sich die Zeit schneller zu bewegen.
Wenn also konkret ein bestimmter Ablauf, etwa der Gang einer Person, mit langsamerer Geschwindigkeit als die in der Frühzeit üblichen 16 Bilder in der Sekunde aufgenommen wurde, beispielsweise mit nur Acht Bildern und dann mit 16 Bildern in der Sekunde wiedergegeben wurden, so bewegten sich die so aufgenommenen Menschen, Autos, Fahrräder etc. doppelt so schnell, als real. Filmvorführer in der frühen Stummfilmzeit hatten die Möglichkeit, durch schnelleres oder sogar rückwärtskurbeln lustige Effekte zu erzielen, die beim Publikum gut ankamen.
Zeitraffer als Gestaltungsmittel
Das obige Video zeigt übrigens den Wolkenhimmel über München, gesehen von der Milchstraße aus, dem Firmensitz des Movie-College. Eine solche Beschleunigung nennt man Zeitraffer oder auch auf Englisch "Timelapse". Natürlich kann man die Beschleunigung von Zeit auch deutlich drastischer ausfallen lassen, etwa indem man nur alle paar Sekunden, Minuten, Stunden, Tage oder gar Monate ein einzelnes Filmbild aufnimmt. Das lässt sich natürlich nicht mehr mit Stummfilmkamera und Handkurbel realisieren. Beim analogen Film waren dafür Kameras mit einem sogenannten Schrittschaltwerk erforderlich. Beim digitalen Film beherrscht fast jede Video oder Fotokamera dieses Verfahren. Auf diese Weise können Wolken in abenteuerlicher Geschwindigkeit über den Himmel ziehen, Blumen in Sekunden erblühen, Gebäude entstehen.
Bildsprachlich steht beim Zeitraffer, wie der Name schon sagt, die Beschleunigung von Vorgängen sowie das Sichtbarmachen von Abläufen, die wir sonst nicht bemerken würden, im Vordergrund. Damit lassen sich erzählerisch große Zusammenhänge verknappen, es gibt gibt aber auch die eher billige Variante, welche gerne von Privatsendern genutzt wird, um schlechtes Timing durch Zeitraffungen zu verdecken. Da wird dann einfach in normalen Realaufnahmen ein Teil der Einstellung zeitlich gerafft, Menschen rennen dann einfach mal schneller über einen Platz oder beladen ihr Auto in Rekordzeit. Gestalterisch ist das furchtbar, es belegt oft eine gewisse Hilflosigkeit der Cutter, selten einen Gestaltungswillen.
Es gibt aber natürlich auch eine große Zahl von Filmen, in denen der Zeitraffer filmsprachlich große Kraft entwickelt, allen voran Naturdokumentationen wie "Die Magie der Moore" (D 2015, Regie Jan Haft) oder "Das geheime Leben der Bäume" (D 2020, Regie: Peter Wohlleben). Doch bereits deutlich früher, nämlich 2000 feierte ein Kinofilm, der in vielen Sequenzen mit Zeitraffer arbeitete, "Koyaanisqatsi" (Regie: Godfrey Reggio) weltweit Erfolge. Der Regisseur ließ diesem 2002 „Powaqqatsi" und 2012 "Naqoyqatsi" folgen.
Noch viel früher, nämlich in dem Science Fiction Klassiker "Die Zeitmaschine" (USA 1960, Regie: George Pal), nach dem Roman von H.G. Wells wurden die jeweiligen Zeitreisen des Wissenschaftlers und Erfinders George jeweils durch Zeitrafferaufnahmen visualisiert. Unvergessen das Schaufenster in der Straße seines Hauses in dem sich rasend schnell die Kleidung der Schaufensterpuppe verändert oder das Glasdach seines Labors über dem die Wolken am Himmel dahinrasen.
Viel angeschaut wurde auch der Zeitraffer Film "A Taste of New York", der aus 65000 Einzelaufnahmen besteht. (Ö 2016, Regie: Peter Jablonowski, Thomas Pöcksteiner und Lorenz Pritz). Aus Deutschland stammt der Dokumentarfilm "80000 Shots" (D 2002, Regie: Manfred Walther) über die Veränderungen am Potsdamer Platz nach dem Fall der Mauer. Gedreht wurde von 1990 bis 2000. Zeitrafferaufnahmen sind übrigens auch im Corporate,- und Imagefilmbereich sehr beliebt, etwa bei Baustellen, auf denen Baufortschritte über längere Zeiträume dokumentiert werden. Hierfür gibt es spezielle Zeitraffer Webcams in Wetterfesten Gehäusen mit hoher Auflösung und auf Wunsch auch Stromunabhängig mit Solarenergie betrieben.
Je nachdem, wie diese Aufnahmen eingebettet, in welchem Kontext und mit welcher Tonspur sie unterlegt sind, können Zeitraffereinstellungen eine ganz besondere Wirkung erzielen. Sie können wie eine übergeordnete Kraft unsere gewöhnliche Zeitwahrnehmung verändern, können aufzeigen, wie klein und unbedeutend der Mensch und seine Lebenswelten im Kontext mit der Natur so sind, können in seltenen Fällen gar eine Art göttliche Perspektive suggerieren.
Pixilation
Eine Sonderform des Zeitraffers ist übrigens der Pixilation-Effekt mit dessen Hilfe Menschen beispielsweise ohne Eis oder Schnee auf trockener Fahrbahn scheinbar Schlitten fahren oder Eis laufen können.
Was ist bei eigenen Zeitraffer-Aufnahmen zu bedenken?
Zunächst mal kann man in der digitalen Produktionsweise solche Shots auch mit Fotoapparaten bewerkstelligen. Neuere Videos wie "A Taste of New York" sind mit Kameras wie der Sony A7R II, Sony a6300 und Canon 6D gedreht worden. Übrigens beherrschen auch viele Virtual Reality Kameras Zeitraffer. All das verlangt nach einem festen Kamerastandpunkt, schließlich soll ja die Illusion einer kontinuierlichen Aufnahme entstehen, da wären ständige Veränderungen des Bildauschnitts oder der Kameraposition fehl am Platze. Ein Stativ ist also angesagt und man sollte, wie bei allen Stativaufnahmen, die Bildstabilisierung des Objektivs und des Kamerasensors ausschalten.
Die gewünschte Dauer der fertigen Aufnahme bestimmt die Anzahl der Einzelbilder. Bei der in Europa üblichen Bildrate von 25 Bildern in der Sekunde bedeuten sechs Sekunden also 150 Einzelaufnahmen. Wann jeweils ausgelöst wird, bestimmt man entweder selbst, indem man manuell auslöst, oder aber ein Timer, Kameraintern oder auch als externe Elektronic löst automatisch in festen Intervallen aus. Die Regelmäßigkeit der Auslösungen sorgt für flüssigere Ergebnisse.
Sony Kameras beherrschen von alleine leider keinen Zeitraffer. Man muss im Sony App Store die entsprechende App für knapp 10 € kaufen. Das allein wäre eigentlich nicht das Problem, doch das Verfahren wurde von Sony extrem komplex gestaltet. Unser Account etwa funktionierte aus unerfindlichen gründen nicht in dem Store. Dann stellte sich heraus, dass der Account offenbar an einen Computer gekoppelt war, um von einem anderen Computer den gleichen Account zu nutzen, musste der erst mühsam verknüpft werden. Außerdem war Firefox nicht als Browser zum Bestellen zugelassen, man musste auf Chrome oder den Explorer wechseln. Und dann, man kann es fast nicht glauben, wollte Sony beim Bezahlen per paypal,- ein Vorgang der ja bereits Log-In Schritte erfordert, noch die Eingabe diverser Angaben aus dem Personalausweis. Es scheint, als bekäme man hierzulande leichter einen Kredit über sechsstellige Summen, als eine App von Sony.
Doch dann kann man nach erfolgtem LogIn bei paypal tatsächlich die Kamera per USB mit dem Computer verbinden und die App auf die Kamera herunterladen. In der App kann man die Aufnahmefrequenz, alkso die Abstände zwischen den Aufnahmen, die Anzahl der Aufnahmen insgesamt und diverse weitere Paramter einstellen. Dazu gehört auch, ob die Belichtung dynamisch mitsteuern soll oder fixiert bleibt und ob einzelne Fotos oder gleich ein komplettes Video hergestellt werden soll. Die Antwort hängt natürlich mit der Bildqualität zusammen. Braucht man höchste Bildqualität, die frei von Videokomprimierung ist, wählt man die Einzelfotos aus. Die Aufnahmen speichert die App übrigens in einem eigenen Ordner auf der Speicherkarte. Der Pfad lautet: PRIVATE/SONY/APP_TLPS/"Datum des Aufnahmetages"
Belichtung
Eine Besonderheit bei der Zeitrafferaufnahme liegt darin, dass die maximale Belichtungszeit nicht wie bei der normalen Aufnahmegeschwindigkeit auf 1/50 tel Sekunde festgelegt ist. Dadurch dass zwischen den einzelnen Aufnahmen Pausen liegen, kann man deutlich länger belichten, was fantastische Möglichkeiten etwa bei geringem Licht oder Dunkelheit eröffnet. Ganze Sternensysteme kann man so beschleunigt über den Himmel ziehen lassen. Kürzer als die 1/50tel sollte man allerdings nicht belichten, es soll ja auch was Motion Blur (Bewegungsunschärfe) angeht, aussehen, wie eine reale Videoaufnahme. Und da ja immer nur ein Bild nach dem anderen gespeichert werden muss, kann man sorglos in RAW aufnehmen.
Wenn sich die Aufnahmedauer über lange Zeit hinweg erstreckt, kann es natürlich im Tagesverlauf zu deutlichen Helligkeitsänderungen kommen. Diese müssten bei der Aufnahme manuell (Blende nachführen) oder in der Postproduktion (Farbkorrektur) evtl. ausgeglichen werden.
Hyperlapse
Genau diese Regel bricht man bei der Hyperlase Aufnahme. Hier wird während der Zeitrafferaufnahme auch noch kontinuierlich die Kameraposition verändert, meistens mit Hilfe eines Sliders oder Remoteheads, die man präzise programmieren kann. Wenn nämlich die Kamera auf dem Slider von Bild zu Bild immer ein wenig die Position verändert, entsteht der Eindruck, man fahre beispielsweise auf eine aufblühende Blume zu oder durch einen sich im Tagesverlauf verändernden Raum.
Objektive & Automatiken
Damit eine möglicherweise vorhandene Belichtungsautomatik der Kamera nicht bei jeder Aufnahme eine andere Blendeneinstellung vornimmt, muss diese bei der Kamera unbedingt auf Manuell gestellt sein. Besser noch wäre es, gleich manuelle Objektive zu verwenden, auch in Hinblick auf die Schärfeeinstellung. Gleiches gilt für den Weißabgleich, der muss unbedingt manuell eingestellt sein. Durch die Positionsveränderungen werden Verzeichnungen von Objektiven, speziell kurzer Brennweiten leichter erkennbar. Man sollte also nur gut korrigierte Objektive verwenden.
Ohne Slider und Motorhilfe
Theoretisch kann man die räumlichen Veränderungen auch durch präzises Verschieben seines Stativs von Bild zu Bild (etwa entlang der Muster eines Parkettbodens, Bodenfliesen etc. in immer gleichen Abständen) erzeugen, muss aber dann auch die ganze Zeit daneben stehen und versuchen von Bild zu Bild eine bestimmte, gleichbleibende Position der Blume oder des Motivs nachzustellen. Das kann man beispielsweise mit Hilfe von Ausschnittsrahmen die im Display eingeblendet werden, tun, indem man einen bestimmten Fixpunkt stets an der Rahmenlinie kadriert. Natürlich ist man beim manuellen Verschieben und nach kadrieren nicht so präzise, die Ungenauigkeiten lässt man später per Verkrümmungsstabilisierung in Premiere auskorrigieren. Das bedeutet, man muss bei der Kadrage großzügiger sein, weil ja ein Teil des Bildrandes beim Stabilisieren abgeschnitten wird.
Die Möglichkeiten, mit Zeitraffer zu arbeiten sind vielfältig. Man muss sich immer darüber im Klaren sein, dass man damit definitiv die normale Zeitebene und die filmische Illusion verlässt und den Zuschauern unmissverständlich klar wird, dass das was sie sehen, künstlich generiert wurde.