Digital am Set
Wenn wir uns mit digitalem O-Ton beschäftigen, sollen nicht nur die technischen Unterschiede, sondern auch die Arbeitsabläufe in der Postproduktion aufgezeigt und verglichen werden, denn hier zeigen sich die wichtigsten Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Systemen. Wie bereits im Kapitel über die Nagra erwähnt, gab es durchaus auch Gründe, sich selbst heute im digitalen Zeitalter in gewissen Fällen für die analoge Aufnahme von Originalton zu entscheiden, die überwältigende Mehrzahl der Aufnahmen wird jedoch heute digital gemacht.
Die hier abgebildeten DEVA Rekorder von Zaxcom gehörten zu den Pionieren der mobilen digitalen Tonaufnahme. Neben den hier genannten gab es noch andere digitale portable Systeme, etwa die MiniDisc oder Memory-Card Rekorder. Manche arbeiten zum Teil mit Datenreduktion und haben sich auf Grund technischer Gegebenheiten nicht an Filmsets etabliert.
Digitale DAT Aufnahme
Nach der Ära analoger, bandgestützter Tonaufnahme (Nagra / Stellavox /Uher / Tandberg) hatte sich zunächst ein weiteres, allerdings digitales Bandformat als Standard für die digitale Tonaufnahme am Set durchgesetzt. Die dem analogen Tonband ähnlichste Aufzeichnung erfolgt ebenfalls auf Magnetband, nämlich auf DAT-Kassetten. Gegenüber dem analogen Magnetband bieten sie eine längere Aufzeichnungsdauer pro Kassette und zu Beginn jeder Aufnahme sogenannte ID´s, Starmarkierungen, die das Auffinden individueller Takes enorm erleichtern.
Wenn eine DAT Kassette voll, oder ein Drehtag abgeschlossen ist (viele Tonmeister zeichnen aus Sicherheitsgründen nicht mehrere Drehtage auf eine einzelne Kassette auf) wird das Band zusammen mit dem Tonbericht (s.o.) an die Produktion übergeben.
Wird am Schneidetisch geschnitten, so wird das Material genau wie ein analoges Tonband auf das ebenfalls analoge Perfoband überspielt. Auch hier sucht der/die Tontechniker-in die Kopierer heraus, allerdings erleichtern die ID´s das Auffinden derselben.
Wird digital geschnitten, so werden die Aufnahmen von der DAT-Kassette direkt in die Workstation überspielt, da das Material digital auf der Kassette vorliegt, ist keine Wandlung notwendig. Auch hier werden nur die Kopierer eingespielt. Timecodefähige DATs können auch bei Playbackaufnahmen den Timecode etwa einer Film- oder Videokamera aufzeichnen, dann ist später das Bild zum Playback absolut synchron ohne Klappen, Vorzähler etc.
Time is Money
Der Zeitaufwand ist nicht unerheblich, das Überspielen geschieht bei allen vorgenannten Varianten in Echtzeit. Speziell wenn man unter Termindruck steht, aber auch wenn man schlicht und einfach die vielen zu bezahlenden Arbeitsstunden berechnet, die es braucht, das Tonmaterial bearbeiten zu können, sucht man nach anderen Lösungen. In Zeiten, in denen CD- Brenner mit zig-facher Geschwindigkeit Daten schaufeln, Memory Sticks Geschwindigkeitsrekorde einfahren, drängen auch immer mehr File-basierte Verfahren auf den Markt.
Wer allerdings nicht so sehr auf die Zeit und damit verbundene Kosten schauen muss, und nicht den höchsten Stand digitaler Audiotechnik benötigt, kann mit DAT nach wie vor hervorragenden Originalton aufzeichnen.
Digitale Aufnahme per Harddisc
Praktisch alle führenden Anbieter von Filmton-Aufnahmegeräten bieten inzwischen unterschiedlichste Festplatten oder Disc- Recording Geräte an. Aufgezeichnet wird dabei auf die aus den Personal Computern bekannten Medien. PCMCIA-Karten, Microdrive-HD, Festplatte oder auch bei Fostex auf DVD. Wichtigste Unterschiede zwischen den Geräten stellen die Bedienphilosophie, die Zahl der Spuren sowie die technischen Daten dar. Stand der Technik ist in diesem Bereich 24 Bit Wortbreite, die Sample Rates sind zumeist einstellbar und reichen bis 96 KHz.
Während die NAGRA IV derzeit 2 Spuren bietet, erlauben andere Systeme etwa Cantar X (AATON), Deva (Zaxcom), 4, 6 oder auch 8 Spuren parallel. Geräte wie der Portadrive von (HHB) erlauben 8 gleichzeitige Spuren bei 24 bit/96 kHz.
Neben eigens für den Location-Ton konstruierten Geräten kann man auch auf geeigneten Laptops mit Hilfe entsprechender Mikrofonvorverstärker, Analog/Digital Wandler (PMCIA-Karte) sowie Software Filmton aufzeichnen. Das Aufnehmen mit 24 Bit verschafft dem Tonmeister eine größere Dynamik (bis zu etwa 100 dB) und damit mehr Headroom. Das erleichtert das Aussteuern, der Tonmeister muss nicht ständig Pegel anheben oder absenken, nur weil der Schauspieler mal etwas lauter oder leiser spricht. Auf diese Weise wird auch eine natürlichere Darstellung für die Schauspieler erleichtert.
Mit dieser Gerätegeneration ist es möglich durch Wechselmedien die Tonaufnahmen in den Schneideraum zu transportieren und dort mitsamt allen erforderlichen Informationen wie Klappennummer, Timecode etc. per Firewire, USB etc. in kürzester Zeit in das Schnittsystem zu überspielen. Gängiges Format ist das Broadcast-WAV-Format. Einige Geräte bieten aber auch die Möglichkeit direkt im Format Pro Tools V5 oder AE31-3 ADL für PC-Systeme aufzuzeichnen, das erleichtert das importieren.
Aus Sicherheitsgründen ziehen es aber viele Tonmeister vor, nicht die Original Harddisc weiterzugeben, sondern die Aufnahmen auf eine weitere Platte oder auf DVD zu kopieren, um bei Datenverlust noch eine Sicherheitskopie zur Verfügung zu haben.
Zwei parallele Wege
Da die meisten Schnittprogramme (AVID, FinalCut Pro etc.) noch immer mit 16 Bit Wortbreite arbeiten, wird das Tonmaterial für den Bildschnitt mit 16 Bit importiert. Wird die Vertonung an einem getrennten Tonbearbeitungsplatz digital vorgenommen, kann man hier, falls der Tonmeister mit 24 Bit aufgenommen hat, den gleichen Ton in voller Qualität importieren. Das sichert bei den folgenden Bearbeitungsschritten eine spürbar höhere Tonqualität auch wenn das Endprodukt zumindest momentan noch in 16-Bit sein wird.
Sind die Tonaufnahmen auf den Festplatten des Ton- und Bild- Schnittplatzes sowie ggf. auf DVD gesichert, kann der Datenträger wieder im Aufnahmegerät für neue Aufnahmen verwendet werden.
Arbeit vor dem Tonschnitt
Wenn das Tonmaterial auf einer Audio Workstation zur Verfügung steht, kann die eigentliche Vertonung erst beginnen, nachdem der Bildschnitt abgeschlossen ist. Dennoch gibt es eine Menge vorbereitender Tätigkeiten für den Toneditor. Fehlerhafte Aufnahmen können optimiert werden.
Wenn etwa kurze Störgeräusche in einzelnen Takes in den Dialog hineingeraten sind, kann man versuchen, aus anderen Takes genau die Worte oder Silben heraus zu kopieren und über die schadhafte Stelle zu legen. Störungen, die sich über einen ganzen Take hinziehen, (Netzbrummen, Kamerageräusch, Verkehrslärm) kann man versuchen, sensibel heraus zu filtern.
Gleichzeitig kann eine Auswahl von passenden Atmos und Geräuschen aus Archiven herausgesucht und in das Projekt im Galgen (Bin) abgelegt werden. Auf diese Weise ist alles gut vorbereitet, wenn es dann endlich mit der Vertonung losgeht.