Warum wirken manche Filmszenen künstlicher als andere, obwohl die Schauspieler und die Regie gute Arbeit leisten? Warum sieht man manchen Studioszenen sofort an, dass man sich nur in Kulissen bewegt, während andere absolut realistisch anmuten? Warum sehen die Wohnzimmer der meisten Soap-Heldinnen und -Helden aus wie ein „Küchenstudio“ im nächsten Möbelcenter?
Eine mögliche Antwort auf diese Fragen lautet: Es liegt am Licht. Es genügt eben nicht, per Dreipunkt-Licht die Darsteller und ein wenig den Raum hell zu machen. Jede-r gute Kameramann /Kamerafrau weiß das und entwickelt seine eigenen Methoden, dem künstlichen Licht wenigstens einen Teil der Lebendigkeit zu geben, die unser natürliches Licht in zahllosen Variationen erzeugt. Dafür ist es sehr hilfreich, seine Umgebung mal etwas genauer auf den Licht,- und Schattenfall hin zu untersuchen.
Vorbilder
Licht, Farben, Reflexionen und Schattenspiele verzaubern und überraschen unentwegt, doch die meisten von uns übersehen sie einfach. Gute Kameraleute haben ein Auge dafür und studieren regelrecht die permanenten Wechsel von Hell und Dunkel, die Lichtverteilung und die Schattenwürfe. Darüber hinaus lernen sie auch von ihren Vorgängern, den Malern, deren bedeutendste Vertreter Meister der Lichtanalyse waren.
Maler wie William Turner, aber insbesondere die Impressionisten haben Anfang des vorigen Jahrhunderts durch die zahllosen Lichtflecken und farbigen Schatten in ihren Bildern etwas auf den Punkt gebracht, was auch für die Ausleuchtung von Filmsets von größter Bedeutung ist: lebendiges, atmendes, verzauberndes Licht. Welche der wichtigsten Phänomene können wir an der Natur beobachten und versuchen, mit künstlichem Licht nachzubilden?
Verläufe
Ob man es physikalisch betrachten will oder sich einfach nur auf die eigene Seherfahrung stützt, Tatsache ist, dass die Helligkeit des Lichts mit der Entfernung von der Lichtquelle (bzw. am Set Lichterklärung) abnimmt. Da unsere künstlichen Lichtquellen niemals die Fläche und Gleichmäßigkeit des Himmels nachbilden können, muss man durch Diffuser, gestaffelte „Scrim“-Folien oder „Tough Spun“ ähnliche Lichtverläufe nachbilden. Dazu werden diese an die Tore der Scheinwerfer oder besser noch auf Rahmen, die man vor den Scheinwerfern aufstellt, in der Dichte gestaffelt angebracht.
Wichtige Eigenschaft der Verläufe: Keine harten Kanten!
Lichtflecken
Wenn wir uns an einem sonnigen Tag in Innenräumen umschauen, so entdecken wir unzählige Lichtflecken an Wänden, Boden und Decke, sowie auf vielen Gegenständen. Für jeden Lichtfleck einen eigenen Scheinwerfer abzustellen wäre ziemlich unsinnig. Deshalb verwendet man dafür eine ungeheuer effektive und zugleich auch noch simple Vorrichtung, über deren Name sich die Beleuchter nicht immer einig sind.
Die Amerikaner nennen es Cuculores, bei uns wird es daneben auch als Chichi oder Löchermaske bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein dünnes, vorzugsweise schwarzes Kunststoff- oder Holzbrett von ca. 80x120 cm, aus dem zahlreiche runde, eckige, längliche Formen (Kreise, Halbmonde, Rechtecke, Schlangenlinien) ausgeschnitten sind (ein Fall für die Laub-, oder Bandsäge). Das Ganze erinnert an den zurückbleibenden Teig ausgestochener Weihnachtsplätzchen. Auf einem Stativ befestigt und in etwas Abstand vor einem Scheinwerfer aufgestellt, entstehen so lebendige Lichtflecken im Motiv.
Rahmen und Schatten
Fällt Sonne durch ein Fenster, so bildet sich irgendwo im Raum ein Fensterkreuz ab. Diese erzeugen eine vertraute Atmosphäre und unterstreichen das natürliche Lichtempfinden. Man erzeugt sie genau wie die Natur: Ein Holzrahmen mit Kreuz darin (z. B. 50 X 80 cm), auch seine Nachbildung mit schwarzer Alufolie „Black Foil“ wird vor einem Stufenlinser (hartes Licht) aufgebaut.
Durch Veränderung des Rahmens und der Scheinwerferposition wird der Effekt justiert. Man kann natürlich auch den Scheinwerfer durch vorhandene Fensterrahmen schicken (Erdgeschoss), die Justage des Effekts ist damit aber etwas schwieriger.
Besonderes Kennzeichen: Helles Licht wird durch Rahmen und Fensterkreuz begrenzt. Meist fallen diese Effekte perspektivisch verzerrt, also schräg oder länglich aus, rechte Winkel wirken meist eher künstlich. Auch werden die Rahmen in der Natur selten vollständig und oft auch mit weichen Kanten abgebildet.
Ein weiterer Effekt sind Blätter und Äste eines Baumes, die sich als Schatten abbilden. Häufig wird dafür einfach ein abgebrochener Ast an einem Stativ befestigt und vor einem Scheinwerfer aufgestellt. Wenn sich unsere Zweige auch noch ein wenig im Wind bewegen (Handarbeit!), sieht es noch realistischer aus.
Wer die vorgenannten Spielarten des Lichts beherrscht und dem Zuschauer vernünftige Lichterklärungen anbietet, ist einer lebendigen Lichtgestaltung ein gutes Stück näher gekommen.