Traumset
Für Dreharbeiten wünscht man sich optimale Wetterbedingungen, keine Störgeräusche, ausreichend Räume für Kostüm, Maske, Technik und sonstiges Team, ausreichende Stromversorgung und angenehme Temperaturen trotz zahlreicher Scheinwerfer. Man möchte die Geräte nach Arbeitsschluss nicht zusammenräumen müssen, sondern für den nächsten Drehtag einfach stehen lassen können. Requisiten und Werkstätten sollten direkt in der Nähe des Sets sein, um auch rasch auf Änderungswünsche reagieren zu können. Verschiedenste Motive sollten unmittelbar nebeneinander liegen. All dies und mehr bietet eigentlich nur ein Studio. Insbesondere für Trickaufnahmen vor Green-Screen gibt es fast keine Alternativen.
Kulissenbau
Im Studio können vor allem Innenmotive sehr gut aufgebaut werden. Dabei sind die Wände der dort erstellten Gebäude zumeist aus Holz, welches ganz nach Wunsch verputzt, tapeziert oder etwa mit Mauerstruktur versehen werden kann. Nach oben hin sind die geschaffenen Räume offen, damit man vom Studiohimmel aus (Beleuchterbrücke) mit den hängenden Scheinwerfern die Szene beleuchten kann. Ein wenig sieht es wie in einer Puppenstube aus, die viele Zimmer, aber nur ein Erdgeschoss hat. Die Sets sollen zugleich realistisch und praktisch sein, um die Dreharbeiten zu erleichtern.
Besonders bei Totalen kann es leicht passieren, dass man im Hintergrund Gefahr läuft, das obere Ende der Wände ins Bild zu bekommen. Deshalb ist die Bauhöhe der Wände sehr wichtig. Sie sollte wenigstens der von Altbauten entsprechen (drei bis vier Meter). Alternativ kann man auch ein Stück Zimmerdecke (Plafond beweglich) jeweils dort anbringen, wo die Kamera sonst die Oberkante der Wand erreichen würde.
Besonders, wenn man aus optischen Gründen (mehr Abstand mit der Kamera für längere Brennweite) zusätzlichen Abstand von Schauspielern haben möchte, sind so genannte Sprungwände hilfreich. Das sind Wände, die nicht fest mit den Nachbarwänden verschraubt sind, sondern beweglich verschoben werden können. Man sollte solche Wünsche möglichst frühzeitig den Szenenbildnern mitteilen.
Ausstattung
Selbstverständlich werden im Studio nur die Räume aufwändig gebaut, die auch wirklich bespielt werden. Räume, die nur im Hintergrund bleiben, können einfacher gehalten werden. Man baut nur das, was die Kamera sieht. Es wäre eine Verschwendung von Geld, Zeit und Arbeitskraft, eine riesige, vollständig funktionierende Wohnung aufzubauen, von der letztlich nur ein einziger Raum zu sehen ist. Die Böden im Studio können entweder gemalt (Steinimitation, Holzimitation etc.) oder belegt (Teppichboden, Teppich etc.) werden. Will man mit einem luftbereiften Dolly fahren (ein Vorzug auf glattem Studioboden), ist der gemalte Boden vorzuziehen.
Kritisch sind in Studios immer die Fenster. Schaut man durch, so ist da zunächst nur eine kahle Studiowand. Man hilft sich mit Hintersetzern oder Leinwänden mit Landschaften oder sonstigen Hintergründen, die leider nicht besonders echt aussehen. Man ist gut beraten, innen vor die Studiofenster Jalousien oder Gardinen zu hängen und außen Pflanzen (Balkonkästen/Terrassentöpfe) vor den Fenstern anzubringen, um den Blick etwas zu verschleiern. Für Nachtszenen kann man mit einem Paillettenvorhang den nächtlichen Sternenhimmel, mit farbigem, wechselndem Licht, Leuchtreklamen imitieren. Wandernde Lichtkegel können vorbeifahrende Autos simulieren.
Die Installationen in den Räumen sind natürlich auch alle gemogelt. Lichtschalter haben keine Funktion. Wenn in einer Szene die Schauspieler das Licht im Raum ausschalten, so drücken sie zwar auf den Schalter, aber es ist ein Beleuchter, der die Scheinwerfen abschaltet. Waschbecken haben auf der Rückseite der Holzwand einen kleinen Wassertank mit Frischwasser und einen Auffangbehälter für den Abfluss. Ähnlich funktionieren die Duschen in den Studios. Ein wenig hat das Ganze Campingplatzatmosphäre.
Etwas Lebendiges muss hinein...
Besonders schwierig wird es im Studio, wenn Außenszenen gedreht werden sollen. Natur ist besonders schwer zu imitieren. Am besten besorgt man sich jede Menge echte Pflanzen, Gras, Sand, Erde etc. und bringt sie ins Studio. Was die Entfernungen angeht, so sind diese natürlich auch begrenzt. Weite im Hintergrundbereich wird meist durch eine Hohlkehle erzielt, eine Art gerundete Rampe, die den Boden nahtlos in die Wand übergehen lässt. Liegt die Wand dann auch noch im Unschärfebereich, so gelingt die Illusion.
Damit ein wenig Leben in die Räume kommt, sind weitere Maßnahmen nötig. Ein wehender Vorhang, Blumentöpfe, etwas Patina hier und da sowie ungleichmäßige Raumausleuchtung mit Lichtinseln (Cucoulores und viele sichtbare Zimmerlampen) können einiges von der Sterilität wegnehmen. Das Unvollkommene, das Zufällige, die Flusen hier, der Kaffeefleck dort, all das, was im Lauf der Zeit in unseren wirklichen Räumen Spuren hinterlässt, kann auch ein Studioset realistischer aussehen lassen. Nehmen Sie sich mal die Zeit, das Licht in realen Räumen zu studieren. Sie werden bemerken, wie lebendig, wie bewegt es ist. Wenn es gelingt, einen Teil dieser Lebendigkeit im Studio nachzubilden, werden die Räume auch glaubhaft.
Feine Unterschiede
Stimmen klingen anders in Räumen, die keine Decke haben und deren Wände nur wenige Zentimeter dick sind. Hier gilt es, besonders präzise zu angeln, um den direkten Schall der Stimme möglichst präsent aufzuzeichnen. Auch die Geräusche sind anders als gewohnt. Türen machen kein sattes, sondern eher ein hohles Geräusch, der Wasserabfluss gluckert lauter als normal und auch die Schritte auf dem Boden klingen anders. Hier kann die Nachvertonung weiterhelfen.
Der Lichtumbau geht im Studio deutlich schneller. Die Scheinwerfer hängen alle von der Decke und müssen nicht wie am Originalschauplatz aus irgendwelchen Licht-LKW geholt und aufgebaut werden. Das spart Zeit. Die Dreharbeit in einem Studio ist meistens konzentrierter, aber auch isolierter. Viele äußere Einflüsse, die den Schauspielern helfen, sich in Situationen einzufinden, fehlen. Ein Fahrstuhl, der sich nie bewegt, vermittelt nicht unbedingt das Gefühl einer realen Umgebung. Auch die Bequemlichkeit eines Studios kann Einfluss auf das Spiel haben. Wer gerade aus der Kantine kommt, und nur ein paar Schritte hat, bis er wieder in seiner Studiogefängniszelle landet, braucht etwas mehr Vorstellungskraft, um sich in sein gespieltes Leid hineinzuversetzen.
Spannende Beispiele für Kulissen finden sich bei den Fotostrecken der ZHDK: https://medienarchiv.zhdk.ch/entries/a3392f4e-98e0-4a6d-ad7a-9a693fbd3998