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Franta, Standbild aus dem Film

Expressive Farbgestaltung in der Literaturverfilmung "Franta" nach Erst Weiß (Jan Kurbjuweit als Franta)

 

Das Genre ist beinahe so alt wie der Film selbst. Kein Wunder, schließlich hat man für das neue Medium händeringend nach Vorbildern gesucht und diese unter anderem im Theater und in der Literatur gefunden. Allerdings waren die frühen Filme eher kurz, während die Romanvorlagen doch recht stolze Seitenzahlen zu bieten hatten. So schrumpfte Jule Vernes Reise zum Mond bei George Meliés in "Voyage dans la Lune" auf etwas über 10 Minuten oder Tolstois Anna Karenina in einer frühen Stummfilmversion von Wladimir Gardin auf knapp 17 Minuten.

 

So wurde bei diesen frühen Verfilmungen einerseits darauf gesetzt, dass die Zuschauer die Buchvorlage bereits kannten und dadurch besser der Filmgeschichte folgen konnten und es diesen genügte, wichtige Schlüsselszenen wiederzuerkennen. Dass dabei so ziemlich alles an Charakterisierung und Figurenentwicklung der Literaturvorlage auf der Strecke blieb, ist naheliegend. Der Protest der Filmkritiker folgte postwendend, verhinderte aber nicht, dass zahlreiche Bestseller zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zur billigen Jahrmarktattraktion gerieten. Man kann hier getrost von Fast-Food Verfilmungen sprechen, die in dem zur Geldmaschine reduzierten jungen Medium zu Unrecht vom Ruhm ihrer literarischen Vorlagen profitierten.

 

Franta und Mascha liegen im Bett, Standbild aus dem Film

Franta (Jan Kurbjuweit) mit seiner jungen Frau Mascha (Nicole Ansari)

 

Erst im zweiten Jahrzehnt des 20ten Jahrhunderts machten sich Autoren, Regisseure und Produzenten gemeinsam daran, für längere Filme sinnvolle Kürzungen und Verdichtungen der Literaturvorlagen vorzunehmen. Der Begriff der Werktreue wurde erstmals zum Qualitätskriterium.

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Sicherlich ist einer der wichtigsten Unterschiede, dass der Film viele Elemente, die das Buch der Fantasie des Lesers überlässt, interpretierend sichtbar werden lässt. Während sich der Leser ein ganzes Universum fantasierend vorstellen muss, liefert die Literaturverfilmung klare Vorgaben. Die Regie muss deshalb  versuchen, den Kenner des Buches dennoch zu überraschen. Auch fehlt der Erzähler, der im Buch eine gewisse Konstante darstellt, in den meisten Filmen gänzlich. Die Komplexität von Charakteren und Figurenentwicklungen, wie ein Roiman sie bietet, lässt sich niemals in eine Verfilmung umsetzen. Verkürzungen und Vereinfachungen sind also zwingend erforderlich, um so einen Stoff, für dessen Lektüre man vielleicht sogar mehrere Tage benötigt, in etwa zwei Stunden im Kino erzählen zu können.

 

Franta und die Bäuerin

Vom Krieg verroht, überfällt Franta (Jan Kurbjuweit) eine Bäuerin (Sabine Gutberlet)

 

Filmfiguren müssen viel stärker noch als eine Romanfigur einer Filmhandlung folgen und dem Zuschauer Identifikationsmöglichkeiten anbieten. So jedenfalls fordern es die Hollywood-Strategen. Tatsächlich kann der Film eine große optische Nähe zu den Figuren herstellen, das Buch aber durch die inneren Monologe stärker in das Innenleben eintauchen. Im Film müssen die inneren Beweggründe der Filmfiguren stärker veräußerlicht werden. Dies geht in der Regel auch mit einer Vereinfachung komplexer Innenwelten daher.

In einigen Fällen versucht die Verfilmung die Ich-Perspektive der Romanvorlage durch einen Ich-Erzähler in das Filmmedium herüber zu retten, doch die Voice Over kann die literarische Innensicht nie erreichen und dient häufig dazu, zeitliche Straffungen, Sprünge und Veränderungen für den Filmzuschauer verständlicher zu machen. Insbesondere die Gedanken der Protagonisten lassen sich filmisch nur begrenzt vermitteln.

Viele Klassiker des Kinos, wie etwa "Doktor Schiwago" (Roman: Boris Leonidowitsch Pasternak), oder "Vom Winde verweht" (Roman: Margaret Mitchell) beruhen auf Romanen.

 

Eigene Kunstform

Franta, Wassili und Vicky, Standbild aus dem Film

Franta begegnet Vicky (Daniela Lunckewitz als Vicky, Jan Kurbjuweit als Franta und Ben Hecker als Wassily)

 

Die meisten Kritiker sind sich einig, dass die Literaturverfilmung möglichst keine bebilderte Zusammenfassung für Lesefaule Menschen sein sollte, sondern eine eigenständige Interpretation, die der Buchvorlage neue, andere Elemente und Gestaltungsformen hinzufügt. Grundsätzlich verfügt der Film über zusätzliche gestalterische Elemente, durch die eine stärkere emotionale Beteiligung des Zuschauers erreicht werden kann. Insbesondere die Einstellungsgrößen, die Tonebene einschließlich der Musik sowie Farben und Kadrierung bieten hierbei unendlich viele Möglichkeiten.

 

Garantierte Erfolge?

Von Beginn des Films an bis in unsere Tage wird die erfolgreiche Literaturvorlage als so etwas wie eine Garantie betrachtet, dass der darauf aufbauende Film ebenfalls erfolgreich werden könnte. Das Buch ist so etwas wie der preiswerte Testlauf, der in der Herstellung wenig kostet, während der Film hohe Investitionsbeträge erfordert. In der Geschichte des Films wurden erfolgreiche Literaturvorlagen immer wieder als Finanzierungsargument verwendet, bis hin zu staatlichen Förderungen, die über viele Jahrzehnte auch in Deutschland Literaturverfilmungen nahezu automatisch bezuschusst haben. Doch längst nicht jeder Erfolgsroman führte auch automatisch zu einem Filmhit. Nicht wenige Flops basieren auf erfolgreichen Literaturvorlagen.

Oft genug werden Veränderungen, die man an den Verfilmungen vorgenommen hat, scharf kritisiert. Interessanterweise haben in der Moderne diverse Autoren der Romanvorlagen auch das Drehbuch zu den jeweiligen Verfilmungen geschrieben, wie beispielsweise John Irving bei "The Cider House Rules". In all diesen Fällen wagten Kritiker es nicht, die teilweise drastischen Veränderungen gegenüber dem Originalbuch abzustrafen.

 

Unverfilmbar?

 

Regisseur Mathias Allary mit Jan Kurbjuweit und Nicole Ansari

Arbeitsfoto Inszenierung von "Franta", Regisseur Mathias Allary mit Nicole Ansari und Jan Kurbjuweit

 

Es gibt nicht wenige Romane, die schlichtweg als schwer oder gar unverfilmbar gelten. Doch selbst an einige von ihnen haben sich Regisseure heran gewagt. Dabei war das Scheitern durchaus auch möglich. Eine Verfilmung von Max Frischs "Sein Name sein Ganthenbein" unter dem Filmtitel "Zürich Transit" ist, unter anderem aus gesundheitlichen Problemen zweier Regisseure, die nacheinander während des Drehs erkrankten, nie vollendet worden. Andere, wie etwa Tolkiens "Herr der Ringe" oder Marlien Haushofers "Die Wand" sind gelungen. Auch Terry Pratchetts Romane gelten als nur bedingt verfilmbar.

 

Verfilmte Werktreue vs. Kreativkraft

Hier unterscheiden sich die Sichtweisen vermutlich am stärksten. Während Dogmatiker auch von Filmen eine möglichst große Nähe zur literarischen Vorlage einfordern, was regelmäßig zu mehr oder weniger beamtenhaft verfilmten Umsetzungen führt, gehen eingensständigere Filmemacher den entgegengesetzten Weg und wagen magimale Interpretation und Eigenständigkeit des filmischen Werkes. Das Argument der Einen lautet, dass man die literarische Vorlage adäquat umzusetzen habe, das Argument der Anderen, dass ein Film nur dann Sinn mache, wenn ein eigenständiges, neues Kunstwerk daraus entstehen könnte.

Die Auslegungen der eher freien Ansätze gehen sehr weit. Es können andere Schwerpunkte und Interpretationen sein, wie etwa bei "Wuthering Hights", wo etwa in Andrea Arnolds Verfilmung ganz anders als in der Bronté Vorlage, wo die unwirtliche Landschaft nur in Blicken aus dem Fenster oder durch offene Haustüren und Dialogen vorkommt, die Protagonisten ständig in der Landschaft zu sehen sind und die Hauptfigur zu einem Dunkelhäutigen Heathcliff umgewandelt wurde.

 

Franta

 

Bild von den Dreharbeiten zu Franta

Arbeitsfoto von den Dreharbeiten von "Franta"

 

Es kann aber auch eine gänzlich in der Verfilmung neu hinzugefügte Erzählebene sein, wie die eines Malers in "Franta" (nach Ernst Weiß), die sich visuell dominierend und prägend durch die Verfilmung der expressionistischen Erzählung zieht. Regisseur Mathias Allary zu diesem Ansatz:

"Die Erzählung von Ernst Weiß ist eine sehr beeindruckende literarische Arbeit. Wenn man so etwas ins Filmmedium übersetzen will, muss man ungewöhnliche Ausdrucksformen finden, die solcher Wortgewalt nahe kommen. Farben können als ein Gestaltungselement des Films so eine Kraft haben. Manche Elemente wirkten nicht wie erwartet. Es zeigte sich, dass viele Gemälde nach dem Abbilden auf Film keine Kraft mehr hatten. Film gehorcht anderen Gesetzen als eine Galerie. Dafür wurden andere Dinge, die mir während der Drehzeit einfielen, wie etwa das rasche Aufstreichen diverser Kostüm- und Wandfarben auf Leinwand, zu enorm wichtigen Elementen der Montage. Den Anforderungen des Projekts entsprechend musste Willi Regensburger schnell und häufig auch nach Vorlage von gedrehten Szenen arbeiten. Die insgesamt 16 im Film eingebundenen Bilder, Zeichnungen und Skulpturen zeugen von dieser Arbeitsweise.

Dieses Konzept der Verbindung von Malerei und Film ist nur für diese Erzählung entstanden. Auch wenn es in diesem Fall gelungen ist, so lässt es sich nicht beliebig übertragen. Es birgt schließlich große Probleme und Gefahren in sich. Kein Wunder, dass diese beiden eigenständigen Kunstformen selten aufeinander losgelassen werden."

 

Die Filmvorschreiber

Franta, Arbeitsfoto vom Dreh

Dreh des Schlussbilds in der Literaturverfilmung "Franta" mit Kameramann Immo Rentz (Jan Kurbjuweit als Franta)

 

Einige Autoren unserer Tage scheinen ihre Romane beinahe so zu schreiben, als wollten Sie den daraus später möglichen Film bereits besonders deutlich sichtbar werden lassen. Autoren wie Nick Hornby, John Grisham, Dan Brown und Michael Chrichton werden nahezu automatisch auch verfilmt.

 

Die Vielverfilmten

Einige Klassiker sind gleich vielfach verfilmt worden, mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. "Sturmhöhe" etwa (Buchvorlage: Emily Brontë) wurde seit 1920 bisher ganze 18 Male verfilmt, wobei unsere Lieblingsversion jene von 2011 – "Wuthering Heights "(Regie: Andrea Arnold) ist. Oder auch Theodor Fontanes Effi Briest, die es immerhin auf bisher fünf Verfilmungen gebracht hat.

 

Siegertreppe

Zu den kommerziell erfolgreichsten Literaturverfilmungen der letzten Jahre gehören sicherlich "Harry Potter" (Buchvorlage: J.K. Rowling), "Der Herr der Ringe" (Buchvorlage: J.R.R. Tolkien), sowie "Twilight" (Buchvorlage: Stephenie Meyer)

 

Flops

Gar nicht erfolgreich in den letzten Jahren waren trotz Buchbestsellern "Der goldene Kompass" (Buchvorlage: Philip Pullman), Tintenherz (Buchvorlage: Cornelia Funke) oder die Neuverfilmung von "Ben Hur" (Buchvorlage: Lew Wallace). Oder etwa die Hamlet-Verfilmung von Kenneth Branagh (Buchvorlage: William Shakespeare) oder "Cloud Atlas" von Tom Tykwer (Buchvorlage: David Mitchell)

Man kann sicher sagen, dass die Filmgeschichte ohne Literaturverfilmungen deutlich ärmer wäre. Allerdings waren es stets jene Verfilmungen, die etwas riskierten, die eine eigenständige neue künstlerische Arbeit darstellten, jene, die am meisten in Erinnerung blieben.

 

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