Nach der Corona-Pause startet nun am 8. Juni die Diagonale, das Festival des österreichischen Films. Direkt nach dem Kurzfilmfestival in Wien und dem Crossing Europe-Festival in Linz, kann nun auch die Diagonale in Graz als Präsenz-Festival beginnen und ist so Teil des kulturellen Wiederauflebens in Österreich. Nach der Absage des Festivals im letzten Jahr wurde es 2021 von März in den Juni verschoben. Unter diesen Umständen ist die Vorfreude groß, wieder vor Ort in die Kinos gehen zu können.
Auf Grund der Abstandsregeln werden dieses Jahr mehr Locations bespielt als sonst, unter anderem auch die knapp 600 Personen fassende Helmut-List-Halle. Zusätzlich werden auch digitale Vorstellungen über die Streaming-Plattformen Flimmit, KINO VOD CLUB und DAFilms sowie Liveübertragungen ausgewählter Branchen- und Publikumsdiskussionen stattfinden.
Im Filmwettbewerb wird es 108 aktuelle österreichische Spiel-, Dokumentar-, Kurz-, Animations- und Experimentalfilme zu sehen geben. Außerdem gibt es zwei historische Specials zum Leben in der Stadt und Migrationsbewegungen sowie eine Retrospektive zu den Filmen von Jessica Hausner. Eröffnet wird die Diagonale’21 am 8. Juni mit der Österreichpremiere von FUCHS IM BAU von Regisseur Arman T. Riahi (Die Migrantigen).
Das Festival 2021
Durch die zweijährige Pause sind nun Filme ab 1.1.2019 im Programm dieses Post-Lockdown-Festivals vertreten. Dadurch befinden sich auch bereits Filme darunter, die während der Pandemie entstanden sind und auch manche, die sich direkt mit dem Thema beschäftigen. Darunter sind beispielsweise neue Spielfilme, wie "1 Verabredung im Herbst" von Sebastian Brauneis oder "3:30pm" von Ludwig Wüst sowie der Dokumentarfilm "Vakuum" über die verschiedenen Lockdown-phasen in Österreich von Kristina Schranz. Auch in der Sparte "Innovatives Kino" wird Corona verhandelt, wenn auch auf experimentellere Weise.
Doch insgesamt bietet die Zeit im abgedunkelten Kinoraum Gelegenheit zur Realitätsflucht im positivsten Sinne. So kann man sich an ein und demselben Tag in Georgien in der Gesellschaft von Schachweltmeisterinnen wiederfinden und später seine hypothetische Pension in Florida beginnen. Doch Realitätsflucht klingt zu einseitig: Es ist nicht reiner Eskapismus, der das Kinoerlebnis ausmacht, sondern auch die vielen verschiedenen Eindrücke, die uns Neues zeigen und zugleich auch die Gelegenheit bieten, die eigene Situation zu reflektieren. Wie die Festival-Leiter es formulieren, ist dieses Festivaljahr schon deshalb außergewöhnlich, da die vielen Filme „eine Einladung zum grenzüberschreitenden Leinwandtrip durch Länder und Biografien" darstellen und so nach "einem beinahe 'monothematischen Jahr' den Blick (wieder) weiten“.
Der Dokumentarfilm "The Bubble" verkörpert dieses "den Blick weiten" auf vorbildliche Weise. Gezeigt wird das Leben in "The Villages" einem Wohnkomplex in Florida, der von 150 000 Seniorinnen und Senioren bewohnt wird. Der Ort bietet über 50 Golfplätze, 70 Swimmingpools und rund 3000 verschiedene Aktivitäten für seine Einwohner und ist eine der am schnellsten wachsenden Gegenden der USA. Im Film werden kritisch viele Probleme aufgezeigt, die diese Entwicklung auslöst, und gleichzeitig durch ausführliche Interviews mit Bewohnern und Bewohnerinnen der "Villages" deren Motive gezeigt und - besonders bemerkenswert - nachvollziehbar gemacht. So schafft die Dokumentation, das Problem von beiden Seiten zu zeigen. Es kann zwar deprimierend sein, wenn man feststellt, wie schwierig Situationen zu lösen sind, bei denen sich verschiedene Interessen gegenüberstehen. Doch nur so werden realistische Ansichten geschaffen, die eine Lösung für beide Seiten überhaupt erst ermöglichen.
Das Rundherum eines Filmfestivals ist natürlich nach wie vor nur bedingt möglich. Die Sperrstunde für die Gastronomie in Österreich wurde zwar zufälligerweise während dem Festival von 22 auf 24 Uhr verschoben, offizielle Feiern sind jedoch noch nicht möglich. Das Alternativprogramm bildet der "Club Diagonale", eine Mischung aus Filmvorführung und Konzert, bei der man sitzend Musikvideos und live-vertonte Filme betrachten kann.
Die Preisträger 2021
Bester Spielfilm:
Evi Romen für "Hochwald"
Bester Dokumentarfilm:
Tizza Covi und Rainer Frimmel für
"Aufzeichnungen aus der Unterwelt"
Bester innovativer Film, Experimental- oder Animationsfilm:
The Golden Pixel Cooperative für "Half of the Sky"
Bester Kurzspielfilm:
Maximilian Conway für "Liebe, Pflicht & Hoffnung"
Bester Kurzdokumentarfilm:
Sophie Gmeiner für "FRAUENFRAGMENTE: Gini und Resi"
Bester Nachwuchsfilm:
Lukas Ladner für "EVA-MARIA"
Beste Schauspielerin:
Hilde Dalik in "SARGNAGEL"
Bester Schauspieler:
Lukas Miko in "Me, We"
Beste künstlerische Montage Spielfilm:
Karina Ressler und Joana Scrinzi für "Fuchs im Bau"
Beste künstlerische Montage Dokumentarfilm:
Yves Deschamps und Hubert Sauper für "Epicentro"
Beste Bildgestaltung Spielfilm:
Ludwig Wüst für "3.30PM"
Beste Bildgestaltung Dokumentarfilm:
Jordane Chouzenoux für "Wenn es Liebe wäre"
Bestes Sounddesign Spielfilm:
Vinzenz Schwab für "Another Coin for the Merry-Go-Round"
Bestes Sounddesign Dokumentarfilm:
Benedikt Palier für "Soldat Ahmet"
Bestes Szenenbild:
Renate Martin und Andreas Donhauser für "SARGNAGEL"
Bestes Kostümbild:
Cinzia Cioffi für "Hochwald"
Preis „Außergewöhnliche Produktionsleistungen“:
Film AG für "Was wir wollten"
UND
PANAMA Film für "The Trouble With Being Born"
Kodak Analog-Filmpreis:
Tizza Covi und Rainer Frimmel für "Aufzeichnungen aus der Unterwelt"
Publikumspreis der Kleinen Zeitung:
Fabian Eder für "Der schönste Tag"
Bestes Drehbuch (Thomas Pluch Hauptpreis):
Ulrike Kofler, Sandra Bohle und Marie Kreutzer
für "Was wir wollten"
Drehbuch-Spezialpreis der Jury:
Arman T. Riahi für "Fuchs im Bau"
UND
Pia Hierzegger für "Waidmannsdank"
Bestes Drehbuch für kurze oder mittellange Kino-Spielfilme:
Klara von Veegh für "Fidibus"
UND
Mo Harawe für "Life on the Horn"
Für das Movie-College ist Roman Neider-Olufs vor Ort und berichtet. Von ihm stammen auch die Fotos aus Graz.