Zeiten
Ganz gleich, ob Fotografie oder Film, die Belichtungszeit bei unseren Aufnahmen ist ein wichtiges Gestaltungsmittel. Bei der Fotografie ist man deutlich flexibler in der Wahl der Belichtungszeiten, hier gehören sie nahezu gleichberechtigt mit der Auswahl der Blende zu den wichtigsten Einstellmöglichkeiten für die Belichtung. Ihre Abstufungen bedeuten übrigens, genau wie die Stufungen bei der Blende im Objektiv jeweils Halbierung oder Verdopplung der Belichtung. Also die Veränderung von einer 30" zu einer 60" Sekunde Belichtungszeit bedeutet eine Halbierung der Lichtmenge, welche auf den Sensor oder analogen Film gelangt.
FotografInnen kennen das Phänomen in Zusammenhang mit Aufnahmen aus der Hand. Hier ist die 60" Sekunde nur für ruhige Hände geeignet. Kameras mit Sensoren, die eine Bildstabilisierung besitzen und order Objektive mit Bildstabilisierung helfen, das Verwackeln zu vermeiden und sogar mit längeren Belichtungszeiten wie einer 30" oder 15" Sekunde ruhige Aufnahmen zu machen.
Auch als Gestaltungsmittel in der Fotografie kann die Belichtungszeit eine unterschiedliche Visualisierung des Moments zum Ausdruck bringen. Ein Wasserfall oder ein Brunnen können mit kurzer Belichtungszeit fotografiert, nahezu jeden einzelnen Wassertropfen in seiner Bewegung eingefroren oder bei längerer Belichtungszeit weich verwischend, fast wie Watte oder Eis zeigen.
Bildfrequenz und Belichtungszeit
Beim Film, ganz gleich ob Digital oder klassisch Analog, ist die Belichtungszeit sehr stark verknüpft mit der Anzahl an Bildern pro Sekunde. Bei 24 bzw. 25 Bildern in der Sekunde haben wir es mit 1/45 oder 1/50 Sekunde pro Filmbild zu tun. Länger als diese Zeit kann man die laufenden Bilder nicht belichten. Wohl aber kürzer. Das kann durchaus Sinn machen, denn die 1/50 Sekunde kann bei schnellen Bewegungen der Objekte oder der Kamera leicht zu Bewegungsunschärfe (Motion Blur) führen. Man sprach dabei auch von sogenannten "Nachzieheffekten".
Wählt man bei seiner Video,- oder Filmkamera eine kürzere Belichtungszeit, so verlieren die Aufnahmen diese Bewegungsunschärfe. Allerdings verliert man auch an Licht,- denn die kürzere Belichtungszeit reduziert eben auch die Lichtmenge die zum Belichten zur Verfügung steht. Dreht man beispielsweise mit 50 oder 60 Bildern in der Sekunde, so ist auch die Belichtungszeit mit 1/100 oder 1/120 Sekunde deutlich kürzer, weshalb diese Bildfrequenzen sich auch für Sportaufnahmen besser eignen. Auch für den Export von Einzelbildern aus einem Video als Fotos sind kurze Belichtungszeiten von Vorteil. Allerdings besteht auch das Risiko, dass der Bewegungsfluss abgehackter, härter, manchmal gar stroboskopisch wirkt.
Obwohl man bei digitalen Videokameras mehr Freiheiten bei der Wahl der Belichtungszeiten hat, wählen die meisten Kameraleute doch die 1/48 oder 1/50 Belichtungszeit, weil sie den idealen Kompromiss darstellt, zwischen leichter Bewegungsunschärfe und technisch präziser Abbildung.
Autofokus
Ältere Autofokus-Systeme, welche Kontrast-Autofokus verwenden, liefern dann wenn Bewegungsunschärfe vorhanden ist, schlechtere Ergebnisse. Sie können, wenn die Belichtungszeiten kürzer sind, besser Kontrastkanten identifizieren und zuverlässiger scharfstellen. Modernere sensorbasierte Phasen-Autofokus Systeme arbeiten anders und können unabhängig von der Bewegungsunschärfe den optimalen Fokuspunkt ermitteln.
Filmlook
Kinofans lieben den Filmlook, lieben das Aussehen der Aufnahmen, wie sie es vom analogen Film her kennen. Dort regierte die Umlaufblende bzw. der 180 Grad Shutter. Dieser regelte, dass genau die Hälfte der Zeit, die das einzelne Filmbild im Bildfenster stand, zur Belichtung verwendet werden konnte. An die daraus resultierende minimale Bewegungsunschärfe hatte man sich über ein Jahrhundert gewöhnt,- sie ist ein Teil dessen, was man heute als "Filmlook" bezeichnet.
Manchmal kann auch die leichte oder auch stärkere Bewegungsunschärfe den Aufnahmen etwas Unsicheres geben, kann Angst und Bedrohung visualisieren. Als dramaturgisches Gestaltungsmittel kann so eine längere Belichtungszeit durchaus ihre Berechtigung haben.
Es gab übrigens auch analoge Filmkameras, bei denen der Filmtransport von Bild zu Bild schneller bewerkstelligt wurde, manche konnten auf diese Weise einen Hellsektor von etwa 270 Grad erreichen, also eine deutlich längere Belichtungszeit, was die Lichtempfindlichkeit verbesserte, aber zu mehr Bewegungsunschärfe führte.
Auch konnte man bei niedrigeren Bildfrequenzen wie Zeitraffer oder gar Langzeitbelichtungen einezlner Frames andere Belichtungszeiten realisieren.
Bei höheren Bildfrequenzen wie 50 oder 60 Bildern in der Sekunde wird man die Bewegungsunschärfe aber uach die ruckelnden Strobo-Effekte allerdings kaum mehr festellen können. Für noch höhere Bildwechselfrequenzen und Player sind bisher keine festen Standards vorhanden. Die höhere Bewegungsauflösung durch die vielen Einzelbilder sorgt dafür, dass die Bewegungen sehr fließend aussehen und trotz kurzer Belichtungszeiten kein Stroboskop-Effekt auftritt.