Nachruf auf einen großen Schauspieler
Ein seltsamer Tag dieser 19 November, stürmisch wild, dann wieder voller zarter, verträumter Wolken, vor die der ungestüme Wind dann wieder wütende graue Sturmwolken schiebt.
Einer wie er konnte nur an einem solchen Tag sterben, dieses Urgestein der Schauspielkunst,- erschütternd, dass es so früh sein musste.
1932 in Hamburg geboren, führte ihn sein Weg über das Studium der Philosophie und Literatur zum Kabarett und rasch zum Theater. Lübeck, Köln, Hamburg, Berlin und dann bis zuletzt München, dort stand er nicht nur auf der Bühne sondern führte auch Regie.
Ab den 60er Jahren überzeugte er auch auf der Leinwand und im Fernsehen, bekannt wurde er vor allem durch Viscontis "Die Verdammten", Bob Fosses "Cabaret", Jasnys "Ansichten eines Clowns oder Rouffios "Die Spaziergängerin von Sanssouci".
In "Cabaret" spielte er an der Seite von Liza Minelli, in der "Spaziergängerin von Sansoussi mit Romy Schneider in Viscontis "Ludwig" mit Trevor Howard. Nur wenige deutsche Schauspieler haben in so vielen internationalen Kinofilmen mitgewirkt, wie er. Das Kino der letzten zwei Jahrzehnte hat ihn dennoch einfach übersehen, vielleicht waren es aber auch die vielen allzu schlechten Drehbücher, die er nur übersehen konnte.
Welch ernsthafter, sensibler zugleich alles Andere als einfacher Schauspieler er war, durfte ich 1994 selbst erleben, bei der Arbeit an "Endloser Abschied", einem Fernsehspiel des SWR, in welchem er die männliche Hauptrolle spielte. Es fiel ihm die ersten Drehtage sichtlich schwer, als erfahrener Schauspieler und Bühnenregisseur, den Vorstellungen eines jungen Nachwuchsregisseurs zu folgen.
Doch selbst an den ersten Tagen des Misstrauens, das sich bald in Vertrauen wandelte, war seine differenzierte Ausdruckskraft, sein stetes Suchen nach der inneren Wahrheit der Filmfigur und die stetige Arbeit an Nuancen in seiner Sprache, seiner Gestik, unglaublich bewundernswert.
Wichtige Regiearbeiten von ihm für das Theater waren 1989 Joe Ortons "Seid nett zu Mr. Sloane", John M. Synges "Held der westlichen Welt", Eugene O'Neills "Eines langen Tages Reise in die Nacht", 1992 Ariel Dorfmans "Der Tod und das Mädchen" und 1997 Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden".
Zuletzt im Spätsommer hörte man von Schauspielerkollegen in München das Gerücht, er sei an einer unerfreulichen Theaterarbeit erkrankt. Völlig unerwartet ist er wenige Monate später an einem kurzen, schweren Krebsleiden gestorben.
Er hatte sich bei aller Lebenserfahrung stets etwas kindliches bewahrt, nie aufgehört voller Ungeduld zu Suchen, war manchmal ein wütender Melancholiker, manchmal verträumter Wilder, aber immer ganz er, Helmut Griem. Dieser seltsam stürmische Novemberwind hat ihn einfach so mitgenommen. Er wird uns fehlen.
Mathias Allary, im November 2004