Gerne werden Auftragsproduktionen aber auch Spielfilme an illustren Örtlichkeiten angesiedelt, die sich dann aber als recht teuer herausstellen. Nicht nur die Drehgenehmigungen sind an bestimmten Orten, allen voran die großen Metropolen, sehr teuer, auch die Hotels und das anzumietende technische Equipment kosten mancherorts auch gerne das drei bis vierfache. Hinzu kommt, dass wenn eine Produktionsfirma für Drehtage, die am eigenen Firmensitz, beispielsweise Köln, München, Berlin oder Hamburg stattfinden, keine Reisespesen an das Team zahlen muss, während die Drehs an behaupteten Schauplätzen wie Norden, Flensburg, Rosenheim etc. eben diese Zusatzkosten verursachen. Am preiswertesten sind für Produktionsfirmen deshalb meistens die Drehtage im gleichen Ort wie der Firmensitz.
Aus verschiedenen Gründen werden daher Teile von Filmen und Reihen gerne an alternativen Drehorten aufgenommen, von denen man einfach behauptet, es sei London, München, Wien oder Zürich beispielsweise.
Wildnis in der Nachbarschaft
Das ist keine neue Vorgehensweise, bereits die beliebten Karl-May Verfilmungen der 60er Jahre wurden nicht in den USA gedreht, wo die Geschichten eigentlich angesiedelt waren, sondern in Kroatien. Nämlich in den Nationalparks Paklenica, Plitvice, Krka, in der Schlucht des Flusses Zrmanja, in der Nähe von Dubrovnik sowie im Naturpark Vrana-See.
Ähnlich verhielt es sich mit der Bully-Persiflage "Der Schuh des Manitu", die ebenfalls nicht in den USA sondern im südspanischen Almeria gedreht wurde. Oder man denke nur an die sogenannten Italo-Western, wie etwa "Für eine Handvoll Dollar" (Sergio Leone, 1964), "Zwei glorreiche Halunken" (Sergio Leone, 1966), "Leichen pflastern seinen Weg" (Sergio Corbucci, 1968) oder Django (Sergio Corbucci, 1966), die durchwegs in Italien gedreht wurden.
Doch nicht nur der wilde Westen wurde durch vergleichbare Landschaften in Europa ersetzt. Der Kinofilm "Good Will Hunting" (1997) spielt eigentlich in Boston, doch die meisten Szenen entstanden in Toronto, Kanada. Braveheart" (1995), welcher in Schottland angesiedelt ist, wurde was die Kriegsszenen angeht, in Irland gedreht.
Kostenexplosion
Manchmal war es auch nicht Sparsamkeit, sondern das schiere Explodieren der Produktionskosten. Für den französischen Liebesfilm "Die Liebenden von Pont Neuf" (F 1991) von Leos Carax, in dessen Mittelpunkt die gleichnamige Brücke in Paris steht, wurde nachdem die drei kalkulierten Drehwochen in Paris vorüber waren, aus Kostengründen in der Camargue bei Montpellier weitergedreht, die Brücke dort war nur ein Nachbau des Originals. Mit dem Film wurde Juliette Binoche weltbekannt, für die Produktionsfirmen,- Carax rouinierte gleich zwei Firmen nacheinander, war das Abenteuer vernichtend, es wurde der teuerste europäische Film aller Zeiten.
Finanzierungsanreize
Viele Länder bieten Finanzierungszuschüsse wie etwa Tax-Shelter oder auch Förderungen an. Damit locken sie internationale Produktionen ins Land, die auf diese Weise Millionen an Budget einsparen können. Für die Länder ist das trotzdem lukrativ, weil dort dann produziert wird, was bedeutet, dass am Standort mehr Geld ausgegeben wird, als die Zuschüsse ausmachen. So entstand "American Werwolf in Paris" mitnichten in der französischen Hauptstadt sondern in Luxembourg. Und der urfranzösische Kinohit "Die wunderbare Welt der Amelie" wurde in großen Teilen in Nordrheinwestfalen gedreht.
Der erste Asterix-Film mit Realfiguren wurde teilweise in Bayern, in den Bavaria-Studios gedreht. Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" (2009) entstand zum Teil im Schloss Engers in Neuwied, NRW, in Görlitz, Dresden und den Babelsberg Studios.
"The International" (2009) mit Clive Owen und Naomi Watts wurde aunter anderem in Köln und Düsseldorf, gedreht. All diese Produktionen folgtem dem Lockruf des Geldes.
Sparpotential
Heute wird ganz selbstverständlich der Zürich-Krimi der ARD mit dem Privat-Ermittler Thomas Borchert, auch wenn er in Zürich spielt, fast ausschließlich in Prag gedreht. Lediglich drei Drehtage werden in das teure Zürich gelegt, um die Außenshots zu drehen, die zwingend sein müssen und nirgendwo anders nachgebildet werden können. Für das Kamera,- und Ausstattungsdepartment ist das durchaus eine Herausforderung, in Prag entsprechende Sandsteingebäude zu finden, von denen man behaupten kann, es sei Zürich. Nicht unbedingt vorrangig aus Kostengründen, sondern wegen der unsicheren Lage in Istanbul wurde "Mordkommission Istanbul" 2016 in Izmir gedreht und inzwischen eingestellt.
Die ZDF-Serie "Der Schwarm" zeigt Forscherteams in der ganzen Welt. Im Ganzen gibt es dort laut Handlung 14 Länder als Handlungsorte. Tatsächlich entstanden die die Außenaufnahmen aber nur in einem einzigen Land: Italien. Genauer gesagt in den Regionen Apulien, Latium und Venetien. Darüber hinaus wurde natürlich viel im Studio, insbesondere auch in einem speziellen Unterwasserstudio in Belgien gedreht.
Die erfolgreiche Wikinger-Serie "Vikings" (2013-2020) wurde nicht in Skandinavien, sondern weitgehend in Irland gedreht. Interessant dazu auch unser Interview mit dem Drehbuchautor der Serie, Michael Hirst. Die Erfolgsserie "Game of Thrones" (2011-2019) entstand in Nordirland, Kroatien und Marokko.
Kommissariate
Für mehrere Tatorte der ARD werden die Innenaufnahmen im Kommissariat in Köln in ein und demselben Gebäude gedreht, obwohl die angebliche Lage der Kommissariate mehr als 100 Kilometer auseinander liegt. Ähnliches gibt es in Hamburg, wo das Kommissariat Flensburger Ermittler in Hamburg aufgebaut ist und dort gedreht wird. Dazu muss man wissen, dass die Kommissariate für die Krimi-Reihen von ARD. ORF, SRG und ZDF eine heikle Angelegenheit sind. Oft entstehen für einen Sender nur ein oder zwei Krimis pro Jahr, trotzdem müssen die Sender über Jahre auf die konstant gleichen Gebäude zugreifen können. Deshalb werden dafür oft Industriegebäude durchgehend gemietet, in denen die als Kommissariate ausgestatteten Räumlichkeiten dann die meiste Zeit des Jahres leerstehen.
Da macht es durchaus Sinn, wenn derartige Gebäude mehrere Etagen haben, dort gleich mehere Kommissariate für verschiedene Sender einzurichten. Dann kann man sich die Mietkosten teilen. So kommt es, dass dann Tatort Ermittler Thiel und Boerne, die angeblich aus Münster stammen, mehrheitlich in Köln ermitteln. Manchmal sind die Kommissariate so vieler Krimireihen in einem Gebäude untergebracht, dass es sogar Terminprobleme für die Drehtage gibt. Die Außenansichten der Kommissariate sind dann häufig wieder an den tatsächlichen Orten gedreht, man bespielt diese dann als sogenanntes Split-Motiv. Das heißt, die Kommissare gehen dann im Hamburger Studio aus dem Ermittlerbüro, dem Verhörraum oder Besprechungsraum und verlassen dann im (gesplitteten) Außenshot in Flensburg, Norden etc. das Backsteingebäude des Polizeireviers.
Gewichtung
Eine generelle Gewichtung für Drehtage gibt es nicht, es hängt sehr davon ab, wie aufwändig erzählt wird. Drehortwechsel und technische Notwendigkeiten sind oft Indizien für höheren Aufwand. Manchmal verfahren ProduzentInnen so, dass sie sowohl ein paar aufwändige Drehtage zulassen, dafür aber auch eine höhere Anzahl unaufwändige Drehtage mit einplanen. Diese sind dann meistens Innenmotive, nicht selten auch im Studio gebaut. In einer Serien/einem Film, in dem sich die meiste Zeit die Drehorte dauernd abwechseln, fällt einem die überproportional lange Szene mit einer Dialogsequenz einfach nur an einer Stelle stehender oder sitzender Menschen meistens auf. So etwas ist schnell gedreht.
Letzlich zählt das Ergebnis. Bei szenischen Filmen werden ganze Welten kreiert, da ist es mehr als legitim, diese an unterschiedlichsten Orten zu drehen, solange sie glaubwürdig sind und perfekt zusammenpassen.