Es gibt nur wenige Filmfestivals, die an einem so illustren Ort stattfinden, natürlich Cannes an der Cote d´Azur, aber dann folgt schon auf dem Fuße Locarno, jene Perle am Lago Maggiore. Das Festival entstand Ende der 40er Jahre und widmet sich vor allem dem Autorenkino.
Die optisch auffälligsten Markenzeichen sind die Open Air Vorführungen auf der Piazza Grande. Das ist schon ein besonderes Gefühl auf dem riesigen Platz im Dunkel zusammen mit 8000 Zuschauern einen Festivalfilm anzuschauen, bei dem die Leinwand sich sanft biegt, wenn mal wieder eine Windbrise sie streift. Die Piazza ist dazu während des Festivals durch Polizei, Security-Kräfte und Festivalpersonal komplett abgeriegelt. Schließlich sollen nur zahlende Zuschauer der Vorführung beiwohnen dürfen.
Die Polizei und Security sind natürlich auch zum Schutz der Zuschauer dort und nach einem Vorfall im Vorjahr, wo jemand scheinbar die Verstärkeranlage für den Filmton unter der Bühne angezündet und zerstört hatte, deutlich verstärkt worden.
Die Wettbewerbsfilme allerdings laufen eher nicht auf der Piazza, sondern in zu Kinos umgerüsteten Sporthallen, zu denen Shuttle-Busse die Besucher fahren. Auf der Piazza laufen stattdessen Filme, bei denen man auf das große Publikum hofft,- so ganz traut man trotz erklärtem Schwerpunkt auf dem Autorenkino, diesem dann doch nicht über den Weg.
In diesem Jahr ist es besonders heiß, wie überall in Europa. Frauen in luftigen Kleidern und Männer in kurzen Hosen, normalerweise ein No-Go, bevölkern die Gassen rund um die Piazza Grande. Locarno kann zwar fast jeden Tag auch ein zünftiges Gewitter vorweisen, manchmal auch samt Regenguss mitten in der Vorführung auf der Piazza, doch wirklich Abkühlung bringen diese nicht.
Meg Ryan und Programmpunkte
Man erkennt das Fachpublikum zumeist an den gelben Leopardenmustern, die sie als Band umhängen haben. Eigentlich werden erst am Sonntag die Leoparden vergeben, doch Meg Ryan hat in ihren Leopard Club Award bereits erhalten. Carlo Chatrian, der künftige Berlinale-Chef (ab 2020) hat ihn ihr überreicht, es wird für ihn die letzte Locarno-Ausgabe sein. In Locarno laufen auch ein paar deutsche Filme, darunter Jan Bonnys "Wintermärchen", Eva Trobischs "Alles ist gut" und Sandra Nettelbecks "Was uns nicht umbringt".
Eröffnungsfilm 2018 war die französische Komödie "Les Beaux Esprits" von Vianney Lebasque . Im Wettbewerb sind 15 Dokumentar,- und Spielfilme zu sehen. Insgesamt laufen in Locarno über 200 Filme, darunter angeblich mehr heitere Filme als die letzten Jahre. Vielleicht möchte der Festivalchef zum Abschied doch noch beweisen, dass er auch anders kann.
Auf jeden Fall hinterlässt er kein schlecht bestelltes Festival, die internationale Anerkennung ist gefestigt und auch die finanzielle Ausstattung des Festivals ist bestens, nicht zuletzt wegen der allabendlichen 8000 Zuschauer auf die Piazza.
Was wird
Hier trifft sich natürlich auch die internationale Filmszene und auch die Schweizer Filmbranche feiert sich und den Schweizer Film auf diversen Empfängen. Was insbesondere die Schweizer Filmszene natürlich besonders bewegt, ist die Frage nach der Nachfolge des Festival Direktor Chatrian. Keine einfache Sache, man kann davon ausgehen, dass es zeitgeistig sicher gewünscht ist, eine Leiterin an diese Stelle zu bringen, andererseits sollte diese Person doch Festival-Erfahrung mitbringen und hervorragend weltweit vernetzt sein. Genau in dieser Kombination dort scheint es schwierig zu werden, zumal Chatrian bereits jetzt aufhört und es für den/die Nachfolger-in praktisch keine Einarbeitungsphase gibt.
So versammelt sich die Filmgemeinde mit gemischten Gefühlen noch ein paar Male auf der Piazza bevor dann wieder die einjährige Wartezeit auf die nächste Ausgabe des Festivals beginnt. Wenn es dann erst dunkel wird, entfaltet sich hier wieder die alte Magie des Sehnsuchtsorts Kino.