Abgelöscht
Das Thema ist nicht einfach und es betrifft nur einen sehr kleinen Prozentsatz an Kolleg*Innen, doch der ist groß genug, ihn nicht zu ignorieren. Regie ist ein so leidenschaftlicher Beruf, dass man kaum glauben kann, was für gelangweilte und uninspirierte Regisseure, darunter nicht selten Altregisseure, manchmal für TV Filme beschäftigt werden. Nein, das ist hier keine "alte weiße Männer" Diskussion, es ist auch keine Kritik an Kollegen "alter Schule", sondern ein Spotlight auf einige Ausnahmeerscheinungen in der Filmbranche, die es so eigentlich gar nicht geben dürfte. Und die haben nichts mit dem Alter zu tun.
Wie kann es sein, dass vereinzelt Regisseure bei Fernseh-Auftragsproduktionen ohne jedes Interesse an der kreativen Umsetzung des Produktes, für das sie engagiert wurden, kaum mehr als ein müdes "Bitte" oder "Danke" bei den Dreharbeiten zum Gelingen des Vorhabens beitragen? Darunter sind auch Regisseure, die in der Vergangenheit im Kino durchaus qualitätsvolle Filme vorgelegt haben, sogar Filmpreise erhielten und man fragt sich, ob ihre Eitelkeit oder welche sonstige Gegebenheit es verhindert, eine vergleichbare Sorgfalt wie bei Kinofilmen, auch in Fernsehproduktionen zu investieren.
Beschädigungen
Durch ihr Verhalten schaden sie nicht nur der Qualität der jeweiligen Filme,- sie schaden auch und vor allem ihren älteren Kolleg*Innen, die mit Fantasie und Engagement bei Dreharbeiten inszenieren und die dann unter dem schlechten Ruf den die faulen "älteren Regisseure" produzieren, leiden müssen. Denn eigentlich können erfahrene Regisseure eine ganze Menge positive Aspekte in die Waagschale werfen, gerade was die Schauspielarbeit und gestalterische Aspekte angeht. Die "faulen Socken" Regisseure sind zum Glück Ausnahmen, doch man darf sich schon fragen, weshalb diese trotz ihrer schlechten Arbeitshaltung viele Aufträge bekommen.
Irgendwie wird darüber nur unter vorgehaltener Hand gesprochen, aber nie öffentlich. Dieser Aspekt, dass nämlich einige wenige ältere Regisseure durch ihr Verhalten den Ruf aller anderen und insbesondere älteren Regisseur*Innen schädigen, wurde beispielsweise auf einem Panel am Rande des Münchner Filmfests 2022 zu dem Thema überhaupt nicht erwähnt.
Dort hatten Thomas Jauch, Jobst Ötzmann und Christian Wagner beklagt, dass es eine deutliche Benachteiligung von Regisseur*Innen über 40 gäbe, weil die Sender inzwischen weibliche Regisseur*Innen unter 30 deutlich bevorzugen würden. Dass einige Ausnahme-Kolleg*Innen aus den eigenen Reihen durch ihr Fehlverhalten dazu beitragen, ältere Regisseure zu diskreditieren, wurde schlicht nicht angesprochen. Man möchte vielleicht nicht als Nestbeschmutzer gelten und diese preisgekrönten Kollegen daher nicht öffentlich anschwärzen.
Egal-Haltung
Zugegeben, viele, vor allem größere Auftragsfilm-Produktionsfirmen haben längst die Qualität als wichtigstes Kriterium aus den Augen verloren und konzentrieren sich vor allem auf die Maximierung ihrer Gewinnmargen. Das ist verständlich, weil diese Margen über die Jahrzehnte zunehmend kleiner geworden sind. Das ist aber für die Qualität Deutscher Fernsehproduktionen fatal. Und offenbar haben manche Regisseure keine Ambitionen mehr, für eine höhere Qualität zu kämpfen, weil die ganze Produktion bereits eíne gewisse "Egal-Haltung" ausstrahlt.
Da hocken manche Regisseure dann vor dem Kontrollbildschirm und lesen, während die Einstellungen zu einer Szene gedreht werden, auf dem Smartphone ihre Mails. Die gleichen Regisseure proben kaum bis gar nicht und nehmen auch an den Vorbereitungen für den Dreh wie Motivbesichtigungen oder Vorbesprechungen nur sporadisch teil. Technische oder auch darstellerische Fehler werden zumeist ignoriert, man ist vornehmlich daran interessiert, den Drehtag frühzeitig zu beenden. Zu dem ausgeprägten Bequemlichkeitsdenken passt dann auch die Forderung nach einem eigenen Wohnmobil am Set und die vertraglich zugesicherten Wochenend-Heimflüge an den nur 5 Bahnstunden entfernten Wohnort. Und das bei Produktionen, die sich mit dem Label "Green Film Shooting" brüsten.
Dass diese Regisseure nach Abschluss der Dreharbeiten auch im Schnitt oder der Tonmischung kaum bis gar nicht auftauchen, versteht sich von selbst. Dass sie sich, wie in einem der Beispiele, nicht mal den Namen ihrer Hauptdarstellerin merken können und immer nur von der "Frau mit dem Hut" sprechen, passt da bestens ins Gesamtbild eines abgelöschten Spielleiters. Die Schauspielerin, die nach zwei Wochen Drehzeit dann genervt zu dem Regisseur geht und ihn fragt "Wie heiße ich?", bleibt leider die einzige Person, die einem arroganten und arbeitsscheuen Regisseur etwas entgegensetzt. Ansonsten bleibt das Fehlverhalten unter dem Radar, denn die Produktion will keine Probleme, die Schauspieler können Ärger am Set nicht gebrauchen, die Teammitglieder sind froh, jeden Drehtag früh nach Hause gehen zu können und irgendwie wird ja trotzdem irgendwas aus dem gedrehten Material entstehen.
Mit "alter Schule" (früheren Arbeitsweisen beim Film) hat all das nichts zu tun. Regie bedeutet eine Vision zu haben und diese kreativ verantwortungsvoll umzusetzen. Bequemlichkeit und Faulheit sind hier gänzlich fehl am Platze. In jedem anderen Job wären solche Leute in hohem Bogen herausgeflogen. Dass dies beim Film und Fernsehen nicht zwingend so ist, ist einer der Gründe für so viel Mittelmaß auf unseren Flatscreens. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir offener darüber reden.