Nichts Geringeres als die Realität, die Künstliche Intelligenz, die sozialen Medien und mehr waren die Themen des ersten Tages der Münchner Medientage 2024.
Gleich zur Eröffnung, mit dem sogenannten "Mediengipfel" diskutierten Politik, Journalisten und Medienunternehmer miteinander das vielseitig auslegbare Thema "Realities". Der Plural macht bereits deutlich, dass darüber, was Menschen als Wirklichkeit wahrnehmen oder was ihnen als solche verkauft wird, offenbar große Differenzen bestehen.
Natürlich schürt das Ängste, insbesondere wenn man sich vor Augen hält, was das weltweit inzwischen bei Wahlen und politischen Weichenstellungen anrichtet. Laut einem aktuellen Bericht von Microsoft fluten staatlich finanzierte riesige Agenturen aus China, dem Iran und Russland massenweise soziale Netzwerke um Wahlen zu beeinflussen und Chaos zu stiften.
So äußert sich Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident ganz deutlich, dass er das Gefühl hat, dass die meisten noch gar nicht ahnen würden, welche Möglichkeiten die neuen Medien bieten würden. und er würde Jedem raten, die neuen Technologien in den sozialen Medien inklusive Künstlicher Intelligenz nicht Extremen zu überlassen.
Henri Ajder, Spezialist für Deep Fake Technologien malte ein recht düsteres Bild, was die Glaubwürdigkeit von Bildern, Videos und Originaltönen in den Medien angehe. Die Künstliche Intelligenz würde alle Grenzen sprengen und die Glaubwürdigkeit von Allem in Frage stellen.
Während früher die merkwürdigsten Lügen und Behauptungen nur auf der verbalen und schriftlichen Ebene verbreitet wurden, werden diese heutzutage durch authentisch wirkende Fotos, Videos und Originaltöne belegt. Damit werden für die Lügen scheinbare Beweise geliefert, die sich millionenfach im Web verbreiten.
Unsere Medienwelt, so die These von Ajder, sei bereits zu großen Teilen synthetisch generiert. Während die manipulierten Aufnahmen aber früher primitiv und fehlerbehaftet waren, sind sie heute dank Bild und Videogeneratroen auf Basis von Künstlicher Intelligenz extrem realistisch. Außerdem seien viel weniger hochwertige Daten notwendig als früher, um derartige Fakes zu erstellen, die KI rechnet einfach hochauflösend Details hinzu. Man kann heute problemlos Gesichter und Stimmen von Menschen stehlen und damit neue, frei erfundene Videos generieren. Weniger Daten und bessere Resultate und eine Nutzbarkeit ohne aufwändiges Spezialwissen,- so sein Urteil.
Fake Videos haben bereits Karrieren zerstört, Wahlen manipuliert, Börsenkurse abstürzen lassen und mehr. Der Effekt, den es hat, dass theoretisch alles gelogen sein kann, dass das Bild, der Film und die Sprache keinerlei Beweiskraft mehr hat, führt dazu, dass die Menschen alles für möglich und zugleich für unmöglich halten. Das schürt Zweifel an den bestehenden Systemen.
Neue Fähigkeiten notwendig
In die gleiche Richtung wie der Vortrag von Henri Ajder ging das Panel mit dem Thema "Desinformation und Digitale Resilienz". Künstliche Intelligenz wurde hier unter verschiedenen Aspekten betrachtet. Einerseits ermöglicht sie die Erzeugung perfekterer Unwahrheiten, anderseits könnte sie aber auch helfen, genau diese Fakes auch erkennen zu können. Welche ethischen Standards und regulatorischen Maßnahmen sollten entwickelt werden, um die verloren gegangene Transparenz, Fairness und Verantwortung in den Medien wieder sicherzustellen, darüber haben die Teilnehmer*Innen dieses Panels miteinander diskutiert.
Freies Spiel der Kräfte
Während es früher nur die Politik, die klassischen Medien und die Wirtschaft waren, die Einfluss auf die damals klassischen Medien Fernsehen, Radio und Presse nahmen, ist die Welt heute unübersichtlicher geworden. Praktisch jeder, der über die entsprechenden Tools und Fähigkeiten verfügt, kann per Internet und Social Media publizieren und entzieht sich damit weitgehend all den klassischen Kontrollorganen der "alten Medien". Im Internet gibt es nun mal keine Rundfunkgremien, keinen Presserat, keine Medienanstalten, die mehr oder weniger zuverlässig darüber wachen, dass gewisse moralische, politische und inhaltliche Standards eingehalten werden.
So kann Jeder, der will, seine eigenen Weltsichten und Wirklichkeiten weltweit verbreiten, ganz gleich, wie weit diese von jeder objektiven Wahrheit entfernt sind. Jede noch so abstruse Behauptung kann sich Millionenfach verbreiten und in den entsprechenden Medienkanälen die unglaublichsten Haltungen fördern. Die Regelwerke für die neuen Medien haben zu keinem Zeitpunkt Schritt gehalten mit der technischen Entwicklung, die Künstliche Intelligenz erweitert diese Hilflosigkeit um ganz neue Dimensionen.
Auf vielen Panels des ersten Tages war man sich einig darüber, dass den Medien die große und herausfordernde Aufgabe zukommt, neue Standards der Glaubwürdigkeit herzustellen und gegen die Macht der Lügen anzustehen. Was für eine Riesenaufgabe...
Reality TV
Neben den genannten, brennenden Themen gab es auch Panels, die in gleicher Weise vermutlich auch schon auf den Medientagen vergangener Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, so oder so ähnlich hätten stattfinden können. Unter dem Motto "The Regels sind the Regels" diskutierten, moderiert von Anja Rützel- Micaela Schäfer, Thomas Münzner, Lars Tönsfeuerborn und Fabian Tobias darüber ob Trash TV noch zeitgemäß sei. Für Fans von Reality-TV sicher spannend, zu hören, wer durch das Produktionsteam dazu gedrängt wurde, wem einen Heiratsantrag zu machen und vieles mehr. Die irgendwann gestellte Frage, wie man die Qualität im Trash-TV anheben könne (echt jetzt?), ließ einen für einen Moment dann doch die Luft anhalten...
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