Nicht erst seit dem Skandal um Harvey Weinstein, den Gründer und früheren Eigner von Miramax und später der Weinstein Company, wird deutlich, dass Machtpositionen in der Medienindustrie vielleicht noch stärker ausgenutzt werden, als in anderen Branchen. Weinstein hat Filme wie "Pulp Fiction", "Good Will Hunting", "Shakespeare in Love", "Sex, Lies and Videotape", "Der Englische Patient" und "The Iron Lady" produziert. Kein Wunder also, dass es junge Schauspielerinnen für wichtig erachtet haben, sich diesem mächtigen Produzenten vorzustellen. Er hatte die Macht, Karrieren anzuschieben oder auch zu verhindern.
Zuerst war es ein Artikel in der New York Times, die der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen, Ronan Farrow, ein Jahr lang recherchiert hatte. Er deckte auf, das Harvey Weinstein, Produzent zahlreicher Blockbuster, seine Machtposition Jahrzehntelang genutzt hat, um junge Frauen sexuell zu belästigen oder gar zu missbrauchen. Doch erst dieser Artikel führte dazu, dass sich zahlreiche Opfer geoutet haben, unter ihnen auch Gwynneth Paltrow. Angeblich erwägt Weinstein, die New York Times wegen des Artikels zu verklagen.
Das Erschreckende an der Geschichte ist sicherlich, dass offenbar viele im Umfeld von Weinstein davon wussten, es aber nicht wagten, darüber zu sprechen. Immer mehr Bausteine zeigen ein seltsames Bild auch davon, was geschah, wenn Jemand sich traute. Courtney Love hat in Zusammenhang mit einer 2005 er Sendung von Comedy Central öffentlich vor den Übergriffen von Harvey Weinstein gewarnt. Kurz danach sei sie wegen ihrer Äußerungen von der mächtigen Hollywood Agentur CAA für ewig gebannt worden.
Scheinbar haben sich in der Vergangenheit mindestens acht Opfer außergerichtlich und gegen Zahlung von Schmerzensgeld mit Weinstein darüber geeinigt, mit ihren Vorwürfen nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.
Die Reihe der Schauspielerinnen, die inzwischen Vorwürfe gegen Weinstein erheben, liest sich wie das Who is Who der amerikanischen Filmbranche. Asia Argento, Rosanna Arquette, Jessica Barth, Cara Delevingne, Romola Garai, Judith Godreche, Heather Graham, Angelina Jolie, Ashley Judd, Rose McGowan, Lea Seydoux und Mira Sorvino sind unter den prominenteren Opfern.
In vielen Fällen bleiben die Vorfälle unter der Oberfläche, noch seltener kommt es zu Gerichtsverfahren, wie im Fall von Roman Polanski, der wegen Missbrauchs einer minderjährigen Schauspielerin in den USA verurteilt wurde. 2017 hat sich angeblich ein weiteres Opfer des polnischen Regisseurs gemeldet.
Auch in Europa Übergriffe
Wenige Tage nach der New York Times Veröffentlichung postete die Sängerin Björk auf ihrer Facebook-Seite, dass sie ebenfalls während einer Filmarbeit von einem dänischen Regisseur belästigt wurde. Da sie keinerlei Ambitionen als Schauspielerin hatte, und einfach hätte gehen können, war es für sie leichter möglich, sich zu wehren und die Umstände wieder zu vergessen. Der Regisseur jedenfalls habe "geschmollt, sie bestraft und vor dem ganzen Filmteam schlecht gemacht." Auch wenn Björk keinen Namen nennt, ist klar, wer gemeint ist, schließlich hat sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben mit einem und zugleich dem bekanntesten dänischen Regisseur gedreht.
Björk drückte ihre Sorge um all die Frauen aus, die in der Medienbranche auf Jobs angewiesen und möglicherweise übergriffigen Menschen ausgeliefert seien. Und tatsächlich gehörten mehrheitlich Nachwuchsschauspielerinnen zu den Opfern von Harvey Weinstein. Und natürlich beruft sich der Produzent darauf.
Es wäre blauäugig, zu behaupten, dass die Übergriffe nur in den USA stattfänden. uch hierzulande gibt es nicht wenige Schauspielerinnen,- und vereinzelt sogar Schauspieler, die hinter vorgehaltener Hand von ähnlichen Situationen berichten. Meherere deutsche Regisseure, aber auch Produzenten und sogar Redakteure, haben in der Vergangenheit in der Branche ebenfalls ihre Machtpositionen missbraucht.
Für Nachwuchsschauspielerinnen die auf Karrierechancen bei wem auch immer hoffen, gilt also auch hierzulande die bereits 2005 über Weinstein ausgesprochene Warnung von Courtney Love: "Wenn er Dich auf eine private Party ins Vier Jahreszeiten einlädt,- geh nicht mit!"