Zweifelhafter Fortschritt
Totgesagte leben länger- Das vor allem durch die Kabelnetzbetreiber ins Abseits beförderte Antennenfernsehen machte eine Metamorphose durch in Form einer Umstellung auf digitale Signale. Dabei wurden die Zuschauer natürlich nicht gefragt, sondern mit sanfter Gewalt in die neuen Empfangsangebote hineinbewegt.
DVB-T lautete das Zauberwort, die Abkürzung für "Digital Video Broadcasting Terrestrial". Neue Sendefrequenzen waren allerdings nicht hinzugekommen, vielmehr musste man die alten abschalten um die Frequenzen digital nutzen zu können.
Zwangsabschaltung
Hätte man den Menschen vor 20 Jahren mitgeteilt, dass ihr gewohntes Antennenfernsehen von einem auf den anderen Tag abgeschaltet würde und sie nur durch den Kauf von Zusatzgeräten in der Lage wären, weiterhin Fernsehen anschauen zu können, wäre vermutlich großer Unmut entstanden.
Heute, wo Antennenempfang nicht mehr die wichtigste Empfangsart für TV ist (nur noch etwa 8%) und Kabel sowie Satelit entsprechende Verbreitung haben, berührte eine solche Umschaltung nicht mehr so viele Menschen gleichzeitig. Die Strategie, diese Umstellung nur punktuell und in Ballungsräumen vorzunehmen, trug ein Übriges dazu bei, die Stimmung beim Fernsehvolk nicht unnötig zum Schäumen zu bringen.
In den USA, wo ähnliche Umstellungen nötig waren, wagte man so radikale Schritte nicht, hier war der Zeitraum gleichzeitiger analoger und digitaler Übertragung (Simulcast) deutlich länger.
Neue Geräte
Die Investition von mindestens 50-60 Euro für eine Set-Top Box wurde den Zwangskunden dieser Geräte versüßt durch eine Vermehrung des Programmangebots (ca. 20). Dass sämtliche angeschlossenen Geräte, wie etwa der Videorekorder eine eigene Set-Top Box benötigen und dass die timergesteuerte Rekorderaufnahme deutlich umständlicher wird, merkten sie erst beim praktischen Einsatz. Und was ist schon eine Fernbedienung mehr,- man legt sie einfach zu den anderen.
Der Fernseher empfängt das Programm nicht mehr über den eingebauten Empfänger, sondern über den AV-Eingang und ein Scart Kabel aus der Set-Top Box. Vorsicht, es muss schon eine DVB-T- Set-Top Box sein, die anderen für digitales Kabel- oder Satellitenfernsehen (DVB-C, DVB-S), darunter auch die dBox (Premiere) tun es nicht. Einige neue Fernsehgeräte haben DVB-T Empfänger auch bereits eingebaut. Alternativ gibt es für 100 bis 140 Euro auch PCMCIA Empfängerkarten, die Laptops für den Unterwegs-Empfang tauglich machen.
Einige Bundesländer hatten finanziell schwach gestellten Familien Zuschüsse für den Erwerb von Set-Top Boxen gewährt. Zudem gab es Übergangszeiten, in denen zumindest noch die öffentlich-rechtlichen Sender (Grundversorgung) noch analog gesendet wurden, bevor auch diese abgeschaltet wurden. In München etwa wurde diese Übergangsfrist auf drei Monate begrenzt, in anderen Regionen waren es immerhin 10 Monate.
Die gute alte Dachantenne ist auch nicht mehr zwingend notwendig, Zimmerantennen sind durchaus in der Lage, das digitale Fernsehen zu empfangen.
Umstellung
Begonnen hatte diese Empfangsänderung 2002/3 in Berlin, gefolgt von Köln/ Bonn, Hannover/ Braunschweig und Bremen / Unterweser Mitte 2004 und dann Hamburg/Lübeck, Kiel und Düsseldorf/Ruhrgebiet, Frankfurt/Mainz/Wiesbaden gegen Ende 2004. Am 30. Mai 2005 stellten der Großraum München, Nürnberg und Südbayern um, im November 2005 folgten dann Halle/Leipzig sowie Erfurt/Weimar auf.
In Österreich hatte es bereits einen eng begrenzten Testbetrieb gegeben. Die großräumige Umstellung war 2007/2008 vollzogen. In der Schweiz wurde die Umstellung ebenfalls schrittweise vollzogen, erste Kantone waren Engadin und Tessin.
Bessere Bilder?
Grundsätzlich bedeutet das digitale Antennenfernsehen, dass man auf der Bandbreite eines einzigen analogen Fernsehkanals (5 MHz) gleich vier digitale Fernsehsender unterbringen kann. Nein, nicht dass wir uns nicht missverstehen, Digitalisierung von analogem Fernsehen verringert nicht die Datenmenge, sondern, sie vergrößert sie. Würde man alle Informationen eines analogen Fernsehbildes in digitale Informationen umsetzen, bräuchte man sogar etwa 8 Mal soviel Bandbreite.
Es ist also einmal mehr die Komprimierung von Daten, die dazu führt, dass man die notwendigen Bandbreiten reduzieren kann. Die üblichen Verdächtigen wie MPEG und Co arbeiten auch beim digitalen Antennenfernsehen eifrig mit. Übertragen wird nur das Nötigste. Wenn etwa eine Moderatorin vor einem Standbild oder der Wetterkarte ihre Informationen verliest, so überträgt der Sender nur das, was sich im Bild verändert, also die Sprecherin, während der Bildhintergrund bis zur Änderung des Hintergrundes weitgehend als Standbild übertragen wird. Bei MPEG-2 wird die Datenrate für ein einzelnes Programm zwischen 2 MBit/s und 15 MBit/s variiert, je nachdem, welche Qualität benötigt wird.
Natürlich gibt es nicht auf jedem Sender so praktische, platzsparende Inhalte, bewegte Bilder, Sport etc. benötigen schon mal etwas mehr Bandbreite. Deshalb sind die Datenraten variabel, braucht der eine Sender weniger Bandbreite, kann ein anderer dafür mehr verbrauchen. Grundsätzlich sollte man die Qualität des neuen digitalen Antennenfernsehens besser nicht direkt mit dem alten analogen Antennenfernsehen vergleichen. Sonst würde man die reduzierte Bildinformation nämlich tatsächlich bemerken.
Auch wenn die Industrie das nicht gerne hört und erst recht nicht zugibt: Vom Qualitätsstandpunkt betrachtet ist das volle analoge Antennensignal besser, als das komprimierte, um viele Bildinformationen beraubte digitale Fernsehbild.
So ganz störungsfrei kommen die Bilder nicht immer an. Da bleibt schon mal das Bild einfach stehen während der Ton weiterläuft, überlagern Blöcke mit Hintergrundinformation den Vordergrund, gerne auch das Gesicht des Moderators oder machen sich rechteckige Störstreifen im ganzen Bild breit. Wo in der analogen Welt verstärktes Rauschen oder ein verzerrtes Bild Gewitter oder Reflektionen anzeigten, ist das digitale Bild im Fall von Empfangsstörungen zwar rauschfrei, dafür aber voller seltsamer Artefakte.
Auf der anderen Seite kann durch DVB-T in vielen Fällen auf Kabelempfang verzichtet werden, fraglich ist jedoch, ob die Kabelbetreiber oder die Hausbesitzer ihre Kunden aus den Verträgen so einfach herauslassen.
Zeitfaktor
Ein weiterer Unterschied zum analogen Fernsehen liegt im Faktor Zeit. Auf Senderseite müssen die analogen Signale erst einmal digitalisiert und komprimiert (MPEG2), auf Empfängerseite wieder in ein analoges Signal umgewandelt (dekodiert und analog gewandelt) und zugleich noch von einer Fehlerkorrektur optimiert werden. Alles in Allem kann dadurch das Signal etwa 4 bis 7 Sekunden verzögert werden.
Insbesondere bei TV-Silvesterparties oder deutlicher noch bei Sportübertragungen, bei denen die Jubelschreie schon mal aus den Fenstern dringen, zeigt sich, dass manche Zuschauer erst deutlich später jubeln als andere. Kleiner Trost- wer per Handy fernsieht, jubelt noch deutlich später, hier ist die Verzögerung noch wesentlich länger.
Vorteil: Geringere Sendeleistung
Da die benötigte Sendeleistung bei digitalem Empfang wegen der geringeren Störanfälligkeit (Reflektionen durch Hügel oder Gebäude erzeugen keine Doppelbilder oder Schatten mehr) niedriger ist, wird auch die elektromagnetische Strahlenbelastung geringer.
Zudem sollte auch der mobile Empfang, also im Auto oder der Eisenbahn möglich sein, über erfolgreiche Versuche berichtete in all den Jahren allerdings Niemand, hier gingen die Fantasien der Anbieter weit über die Realitäten hinaus.
DVB-T2
2016 steigen möglicherweise bereits erste Privatsender aus der Übertragung ihrer Programme in DVBT aus. Gleichzeitig planen die öffentlich-rechtlichen Sender eine Umstellung auf einen HD-fähigen STandard, DVB-T2. Eine effektivere Komprimierung soll im neuen HEVC Verfahren mehr Daten als das bisher verwendete MPEG 2 transportieren. Von Juni 2016 bis 2019 sollen beide Standards also DVB-T und DVB-T2 über Antenne empfangbar sein. 2019 wird DVB-T dann abgeschaltet.
Technisch gesehen wird DVB-T2 besser sein und vor allem, viele Sender der ARD und das ZDF werden die HD-Programme in 1080p senden ( das ist Full-HD =1920x1080 Bildpunkte bei 50 Bildern pro Sekunde). Die Privatsender planen, diese Qualität nur gegen zusätzliche Gebühren anzubieten.
In Österreich funktioniert der Standard bereits, und wie so oft bei digitalen Neuerungen nutzt man ihn gleich um zusätzlich Geld in die Kassen der Programmanbieter zu spülen. Nur die ORF Programme sind kostenlos empfangbar, die Privaten sind verschlüsselt. Wenn DVB-T2 auch in Deutschland kommt, werden die Zuschauer zudem ein weiteres Mal ihre Geräte verschrotten und neue Empfänger kaufen müssen und vermutlich dann auch für diverse Sender zusätzlich zahlen.