Heimatfilm als Hoffnung
Man darf es ruhig deutlich aussprechen,- das Genre des Heimatfilms, diese Mischung aus deutschsprachiger Antwort auf den überaus beliebten amerikanischen Western und Wiederherstellung einer aus den durch Nazideutschland aus den Fugen geratenen Werteordnung hat nur wenige bis keine Exemplare hervorgebracht, die sich in der Filmgeschichte wiederfinden. Andererseits hatten Heimatfilme wie "Der Förster vom Silberwald" (1954) in den 50er Jahren ungeheure Zuschauerzahlen in den Kinos, was aber sicherlich auch dem Umstand geschuldet war, dass im Nachkriegsdeutschland die Sehnsucht nach einer heilen Welt besonders groß war.
Außerdem sehnten sich viele durch den Krieg Vertriebene, nach ihrer alten, verlorenen Heimat zurück, hier waren die Heimatfilme zugleich Sehnsuchtsorte der Zuschauer. In den Heimatfilmen kam der zweite Weltkrieg praktisch nicht vor, zerstörte Gebäude, wie sie die Stadtbewohner damals täglich vor Augen hatten, gab es in der Welt der Heimatfilme nicht,- dafür reichlich unberührte Natur. Und auch die verhandelten Konflikte durften nicht zu komplex sein. Der illegale Wilderer war da schon ein eher härterer Konfliktfall, meistens reichten einfachere Probleme, etwa wer das Erbe oder welche Braut bekommt, um die Handlung voran zu treiben. Entsprechend banal und anspruchslos waren die meisten Heimatfilme dieser Jahre.
Übrigens hatten die Heimatfilme auch Vorläufer, die so genannten Volksfilme oder in der Literatur die Heimatromane a la Ganghofer & Co. Auch die Bergfilme von Arnold Fanck, Leni Riefenstahl oder Luis Trenker können als direkte Vorläufer dieses Genres angenommen werden.
Einer der wichtigsten Regisseure des klassischen Heimatfilms war Harald Reinl, der mit Filmen wie "Die Fischerin vom Bodensee (1956) oder "Alpenrausch und Edelweiß" (1957) Triumpfe feierte. Später setzte Reinl, da er bereits die deutsche Variante des Westerns, den Heimatfilm gemeistert hatte, auch die deutsche Kopie des Westerns, nämlich die Karl May Filme um. Niemand leugnet eine gewisse Verwandschaft und doch gibt es wesentliche Unterschiede.
Gemeinsames und Trennendes
Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen dem klassischen Heimatfilm und dem amerikanischen Western liegt sicherlich darin, dass im US Western die Siedlungsthematik, die Eroberung des Westens durch Siedler aus aller Welt und der Verdrängungskampf gegen die Indianer geradezu Mythos bildend sind, während es in den deutschsprachigen Heimatfilmen doch eher darum geht, die durch individuelle Vorkommnisse gestörte Ordnung im Dorf oder auf dem Bauernhof wieder herzustellen.
Wo in den Western eher der mutige Cowboy oder pflichtbewusste Sheriff für das Gute kämpft, sind es in den Heimatfilmen eher der Pfarrer, der Bürgermeister oder der ehrbare Bauer. Irgendwo gegen Ende der 70er Jahre endete diese Phase des deutschsprachigen Films weitgehend und wurde irgendwann durch moderne Varianten abgelöst.
Neue Variante
Seit einigen Jahren erlebt der Heimatfilm in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Untergenre ein Revival, nämlich als Horrorvariante, die von einer dunklen, unheilen Welt kündet. Filme wie "Raunacht" (Regie: Stephanus Domanig , 2005), "Marmorera" (Regie: Markus Fischer, 2007), "Hinter Kaifeck" (2008), "Tannöd" (2009), "Sennentuntschi" (2010), "Das unsichtbare Mädchen" (Regie: Dominik Graf, 2011) "Die Wand" (2012), "Blutgletscher" (Regie: Marvin Krens, 2013) "Das finstere Tal" (Regie: Andreas Prochaska 2014) spüren den Gruselmythen der alpinen Kultur und Lebensweise nach. Mysteriöse Morde, seltsame Kreaturen, Inzest, Lüge, Hinterhalt liefern die Matritzen für die neue Heimatfilmbefindlichkeit.
Dunkle Schatten im Mittelpunkt
Damit graben die neuen Heimatfilme all das aus, was das ursprüngliche Genre der 50er Jahre so sorgfältig verdrängte. Die dunkle Seite des von der Moderne weitgehend abgeschiedenen Alpenlebens. Übertriebene Religiosität, Angst vor dem Fremden und Aberglaube sind wunderbare Nährböden für heimatverbundenen Horror und Grusel aller Art.
Dies ist nicht der erste Anlauf dieser Art, "Der Fluch" (Regie: Ralf Hüttner, 1988) oder "Sukkubus (Regie: Georg Tressler, 1989) haben die gleichen Ereignisse aufgegriffen, die später das Genre wieder aufleben ließen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass die Abgründe der Heimatidylle erzählt werden, in denen Gewalt und Geheimnisse des alpenländischen Dorflebens in deutlichem Widerspruch zur heilen Welt der ursprünglichen Heimatfilme der 50er und 60 er Jahre stehen.
Das Besondere an dieser Variante des Horror Genres ist sicherlich, dass sie tatsächlich nicht im luftleeren Raum angesiedelt sind, wie die zahllosen anderen deutschsprachigen Genre-Versuche, die sich einfach an amerikanischen Vorbildern orientieren, sondern mitten drin in der Heimat und ihren uralten Mythen. Und wie schon in ihren frühen Anfängen, entstehen genau diese Filme in Deutschland, Österreich und der Schweiz und sie tragen in ihrer modernen Variante nun aber oft auch einen großen Realismus in sich.