Storyboard
Es ist das Unvermögen des Menschen, ab einer bestimmten Bildfrequenz keine einzelnen Bilder mehr trennen zu können, welches Animationsfilme erst möglich machen. Die Künstler, die Zeichentrickfilme herstellen, müssen dagegen sehr genau die einzelnen Bilder trennen und die Bewegungsphasen erstellen. Je mehr unterschiedliche Bewegungsphasen gezeichnet werden, desto natürlicher und fließender wirkt später die Bewegung. Auch wenn der Computer bereits eine wichtige Rolle bei der Produktion von Zeichentrickfilmen spielt, am Anfang einer Produktion sitzen noch immer Zeichner mit einem weichen Bleistift (2 oder 3B). Zunächst entwerfen sie für den gesamten Film ein Storyboard. Dieses ist meist recht grob, zeigt die wesentlichen Örtlichkeiten und einige Positionen. Mit dessen Hilfe und der des Drehbuchs werden die Dialoge vorproduziert. Dies kann entweder mit den endgültigen Stimmen, oder von anderen Sprechern als Layout aufgenommen werden. Als Arbeitsgrundlage werden dann die abgefilmten, starren Storyboardzeichnungen mit den dazugehörigen Dialogen vertont. Damit werden wichtige Zeitabläufe festgelegt.
Layout
Jetzt erst beginnt die eigentliche Zeichenarbeit für den Film. Layouter entwickeln Abläufe der einzelnen Szenen, lösen sie, als seien sie Kameramänner/-frauen, in Einstellungen, Blickwinkel und Perspektiven auf. Sie planen die Hintergründe, die Bewegungen der Kamera, die Anschlüsse zu den übrigen Szenen. Dabei ist eines der wichtigsten Ziele, Szenen möglichst effektiv zu erzählen, und die Zeichenfiguren möglichst im Zentrum der Zuschaueraufmerksamkeit, d.h. der Bildmitte, zu platzieren (Staging). Sind mehrere Figuren gleichzeitig im Bild, versucht man sie weitgehend nebeneinander auf der selben Bildebene agieren zu lassen. Überschneidungen von Figuren sollen möglichst vermieden werden.
Charaktere
Die einzelnen Zeichenfiguren werden hinsichtlich ihrer Gestalt, Bewegungsmöglichkeiten und Farbgebung entworfen. Es werden Zeichnungen in verschiedenen Positionen angefertigt, um den Phasenzeichnern Richtlinien und Vorschläge für die Animation zu geben.
Hauptphasen (Rough Animation)
Professionelle Zeichner, die ausgebildet sind in klassischen Zeichentechniken (Akt, Anatomie, Tiere) entwerfen dann die Bewegungsabläufe zu jeder Handlung. Sie sind es, welche die starren Figurenentwürfe zum Leben erwecken. Die Zeichner, welche die Hauptphasen (Key frames) mit dem Bleistift entwerfen, zeichnen sehr
locker und skizzenhaft nur etwa jede dritte oder vierte Bewegungsphase ihrer Zeichencharaktere. Dabei ist besonders der Umriss, die Kontur von Interesse, Oberflächen oder Strukturen interessieren in diesem Arbeitsgang noch nicht. Die Phasen werden in einem zeitlichen Ablauplan (Fahrplan oder auch Exposure Sheet = X-Sheet) notiert, und die genaue Gesamtlänge und Anzahl der Zwischenphasen festgehalten. Bereits in dieser Arbeitsphase ist es wichtig, den Zeichenfiguren eine fließende, bogenförmige Bewegung mit auf den Weg zu geben. Ähnlich einem Realfilm, sollte eine Zeichentrickeinstellung einen Handlungsfluss mit Akzenten und einem Höhepunkt besitzen.
Die Zeichnungen werden zur Überprüfung der Abläufe gescannt oder mit einer Videokamera aufgenommen und in einem sogenannten Line-Test, einem kontinuierlichen Abspiel der Phasen (Rough-Animation), angeschaut. Der Bildschirm zum Betrachten des Line-Tests sollte unmittelbar neben dem Zeichentisch stehen um notwendige Korrekturen sofort umsetzen zu können.
Zwischenphasen (Inbetweens)
Sind die Bewegungsabläufe gelungen, werden die Phasenzeichnungen zu dem oder den Zwischenphasenzeichnern gegeben, welche der Skizzenreihe die fehlenden Zwischenphasen, die der Phasenzeichner ausgelassen hat, hinzufügen.
Reinzeichnung (Cleanup)
Die nächste Station in der Zeichentrickproduktion ist der Cleaner. Ein oder mehrere Zeichner wandeln die skizzenhaften Zeichnungen in klare Linien um und kümmern sich um die Feinheiten der Figuren. Je nach Aufnahmeverfahren werden die Reinzeichnungen entweder auf Papier oder auf transparenter, mit Passer-Lochungen versehener Folie ausgeführt.
Colorierer
Die gecleanten Phasenzeichnungen werden entweder von Hand mit Folienfarbe auf der Rückseite ausgemalt, oder eingescannt und am Computer coloriert. Dabei wird nach einer vorher festgelegten Farbpalette gearbeitet, damit die farbliche Gestaltung der Figuren durch den Film hinweg konstant bleibt.
Schatten
Je nach Szene, Raum oder Landschaft werfen die Zeichenfiguren unterschiedliche Schatten. Für jede Szenerie wird durch eine Markierung im Layout eine Lichtrichtung (Sonne, Feuer, Lampen etc.) fest gelegt. Danach richten sich dann die Zeichner, die für die Schatten zuständig sind.
Hintergründe (Backgrounds)
Für die Hintergründe sind wieder andere Zeichner verantwortlich, die mit flüssigen Lasurfarben von hoher Farbkraft, die Räume und Landschaften für die Zeichenfiguren erschaffen. Diese werden in mindestens 3 getrennten Ebenen gemalt: Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund.
Dieses Verfahren lehnt sich eng an Disneys Entwicklung der Multiplan-Kamera an. Auf diese Weise bekommen die zweidimensionalen Zeichnungen Räumlichkeit und unterschiedliche Schärfeebenen wie bei Realaufnahmen. Für einen abendfüllenden Film entstehen so mehr als Tausend Hintergrundbilder. Besonders wichtig ist, dass sich die verschiedenen Zeichner auf einen einheitlichen Stil einigen, schließlich soll der spätere Film wie aus einem Guss wirken.
Aufnahme
Man kann die fertig colorierten Phasenzeichnungen entweder an einem klassischen Tricktisch mit den Hitergründen kombinieren und abfilmen, oder eben eingescannt per Software zusammenfügen. Ein einfacher Tricktisch besteht aus einem Tisch mit eingelassener Milchglasscheibe, die von unten beleuchtet werden kann, sowie einer Säule zur Befestigung einer Trickkamera. Solch eine Kamera ist in der Lage, Einzelbilder, wie ein Fotoapparat mit sehr präzisem Bildstand aufzunehmen. Spezielle Passerstifte neben der Milchglasscheibe stellen sicher, dass die Folien stets exakt übereinander liegen.
Disneys Multiplan Kamera war im Prinzip ein Tricktisch mit einer sehr hohen Säule und vielen zwischen Kamera und unterster Ebene liegenden Glasscheiben. Durch die Anordnung der verschiedenen Vorder- Mittel und Hintergründe bekamen die Bilder Tiefe.
Die heute gebräuchlichere Variante ist die der Computerbearbeitung und späteren Ausbelichtung der fertigen Bilddateien. Im Compositing werden die Ebenen zusammengefügt, die colorierten Phasenbilder eingepasst. Die digitale Arbeit an Zeichenfilmen hat neue Arbeitsweisen zur Folge. Ältere Animationsfirmen können mit den beschleunigten Produktionsprozessen nicht mithalten, neuere Firmen müssen hohe Investitionen in Soft- und Hardware tätigen, die sie später zwingen, ständig Aufträge zu haben, um diese bevor die Technik veraltet ist, amortisieren zu können.
Wer sich selbst an Zeichentrickfilmen versuchen möchte, sollte vor allem zeichnen lernen. Jede Menge Papier, weiche Bleistifte und vielleicht einen geduldigen Mitmenschen als Model sind die idealen Voraussetzungen. Anfänger können sich beim Zeichnen von Figuren helfen, indem sie Arme, Beine, Körper und Kopf zunächst aus zylindrischen Formen zusammenstellen und diese dann mit Bögen und Kreisformen miteinander verbinden. Die Methode mit den zylindrischen Formen verwenden übrigens auch manche Profi-Phasenzeichner um die Bewegungsabläufe einfacher festhalten zu können.
Die Ergebnisse, auch wenn Sie Zeichentrickfilme machen wollen, sollten zunächst möglichst reale Figuren sein. Erst wenn man diese beherrscht, sollte man sich an Fantasiefiguren heranwagen. Ein wenig Geduld ist auch noch von Nöten. Für einen abendfüllenden Zeichentrickfilm arbeitet ein mittleres Zeichnerteam immerhin mehrere Jahre.