Nebenwirkungen
Der Arthouse Film hatte es in den letzten Jahren nicht leicht, die Rahmenbedingungen waren schwierig, die großen Player in der Filmlandschaft hatten die stärkere Lobby wenn es um Fördergelder etc. ging und die Streaming Portale verbreiten Massenware. Doch der Abgrund, der sich angesichts der Pandemie für das Qaulitätskino aufgetan hat, ist tiefer und bedrohlicher...
In der Kultur hat es durch Corona viele Beschädigungen gegeben,- eines der kaum genannten Opfer ist der Arthouse Film. Viele Arthouse-Filmer wissen noch gar nicht, wie es um ihr Genre und ihre aktuellen Projekte steht.
Arthouse Filme sind kein Mainstream, sind keine Blockbuster, sie sind künstlerisch bedeutsame Werke unserer Filmkultur. Als solche sind sie, wie die Oper, das Theater oder Ballett auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Dies sind in der Regel die Öffentlich Rechtlichen Fernsehanstalten sowie die Filmförderungen.
Produktionsfirmen
Doch wenn AutorInnen und RegisseurInnen sich aktuell an Produzenten wenden, um diesen ihre Projekte vorzuschlagen, lehnen diese in aller Regel ab mit der Begründung, dass sich bei ihnen ein riesiger Rückstau an Projekten gebildet hat, die wegen Corona aufgeschoben werden mussten. Die Umsätze in derFilmindustrie sind unter Corona weltweit um etwa 70 Prozent zurückgegangen. Wer da kein finanzielles Polster hat, wie es die meisten Mainstream-Produzenten haben, gerät in Schwierigkeiten.
Fernsehsender
Nicht viel anders sieht es aktuell bei den Fernsehredaktionen aus- Rückstau von inzwischen eineinhalb Jahren und ganz klare Konzentration auf Eigenproduktionen sowie einige Kinokoproduktions-Mainstream-Projekte von denen man sich Einschaltquoten erhofft. Außerdem haben die öffentlich rechtlichen Sender sich teilweise an den Mehrkosten, die durch Drehabbrücke ihrer Produktionen wegen Corona entstanden sind, beteiligt. Dieses Geld fehlt jetzt und schmälert die Bereitschaft, in Arthouse-Filme zu investieren dramatisch.
Und die Förderungen?
Die Filmförderungen haben mehrheitlich von ihnen geförderte und durch Corona mit drastischen Mehrkosten und Drehunterbrechungen betroffene Produktionen durch zusätzliche Gelder unterstützt und so manchen Konkurs unter den Produktionsfirmen verhindert. Doch das Geld fehlt jetzt für die Förderung von Arthouse Filmen. Und,- was die Situation noch schwieriger macht,- normalerweise erhielten die Förderungen auch Rückflüsse aus erfolgreichen Verwertungen von Mainstreamfilmen. Diese sind wegen Corona komplett ausgefallen. Auch das Geld fehlt, die Fördertöpfe sind deutlich leerer.
Filmfestivals
Die wichtigsten Plattformen für Arthouse / Independent Filme sind die Filmfestivals. Selbst Filme, die während der Pandemiezeit von Festivals ausgewählt wurden, verschwanden weitgehend unbemerkt in den ersatzweise veranstalteten Online- Hybridausgaben. Wenn sie nicht gerade einen Hauptpeis errungen haben, blieb ihre Wahrnehmbarkeit unter der Oberfläche.Die Berlinale, oft Startrampe für Arthouse-Filme, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ob sich die Berliner dann die Filme im Sommer Open Air anschauen werden, die keinen Bären gewonnen haben, ist fraglich.
Außerdem wurden den Festivals viele Mainstream-Filme angeboten, weil diese sich nur durch Festivals als Ersatz für die ausgefallenen Kinostarts für wichtige Filmpreise wie die Oscars etc. qualifizieren konnten.
Filmverleihe
Arthouse Filmverleihe haben es wegen der deutlich kleineren Säle in den Arthouse Kinos und den viel zu kleinen Werbebudgets für solche Filme schon in normalen Zeiten sehr schwer. Dabei vertreiben sie häufig große und wichtige, häufig europäische Filme, die sogar auf A Festivals Preise geholt haben. Viele davon würden es ohne Arthouse-Verleihe gar nicht auf eine Kinoleinwand schaffen. Und auch die finanziellen Hilfen durch den Staat wegen Corona waren für die Verleiher sehr gering und eigentlich nur für FFA und BKM geförderte Filme abrufbar. Der größte Teil der wegen Corona mit dem "Neustart Kultur" bereitgestellten Geldes ist bei gerade mal fünf großen Verleihkonzernen wie Warner, Constantin & Co gelandet, die ausschließlich Mainstream zeigen und Krisen wie Corona vermutlich besser auffangen können als die kleinen Independet Verleihe.
Und selbst diese ändern angesichts der Umstände ihre Geschäftsmodelle. Warner Bros. will künftig alle Filme zeitgleich mit dem Kinostart auch auf seiner Streaming Plattform HBO Max laufen lassen. So etwas wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Auch hierzulande bröckelt die alte Kinoauswertungs-Sperrfrist, welche den Kinos exklusive Auswertungsfenster gewährt hat.
Arthouse-Kinos
Und auch die Arthouse-Kinos, jene wichtige und treue Stütze dieser Filmgattung, haben massiv gelitten unter der Corona Krise. Denn Arthouse Kinos haben meistens kleine Säle. Selbst in den vorübergehenden Phasen in denen Kino erlaubt war, hatten sie das Nachsehen. Bei nur 1/4 oder !/3 Belegung der Sitze sind die kleinen Programmkinos benachteiligt.
Während die großen Blockbuster Kinos trotz großer Sicherheitsabstände und damit reduzierten Zuschauerzahlen in ihren 200-400 Sitze Sälen mit 50 oder 100 Zuschauern immerhin nennenswerte Einnahmen generieren konnten, machte dies in so manchem 20-30 Sitze Arthouse-Kinoraum kaum Sinn, Vorführungen für die darin erlaubten 5-7 Zuschauer stattfinden zu lassen.
Auch in Zeiten in denen die Kinos geschlossen bleiben, kosten sie Miete, haben hohe Fixkosten, da bilden sich Schulden, die vielleicht zu groß werden um zu überleben. Es werden nicht alle Arthouse Kinos die Pandemie überleben, einige werden schließen müssen. Das ist fatal, denn Kino ist so viel mehr, als nur ein Abspielort für Filme. Und- Filme entwickeln eine andere Wirkung, wenn man sie mit vielen anderen Menschen gemeinsam sieht. Das ist in heimischen Wohnzimmer vor dem Flatscreen einfach nicht möglich.
Außerdem kommt den Progammkinos die wichtige Aufgabe zu, Klassiker weiterhin sichtbar bleiben zu lassen, die früheren Videotheken, die das ebenfalls geleistet haben, sind weitgehend Geschichte.
Aus der Asche...
Ganz gleich an welcher Stelle man die Situation des Arthouse Films betrachtet,- er ist in Gefahr und benötigt zusammen mit den Indi Produzenten, den Verleihern, den Festivals und den Kinos Hilfe. Staatliche Mittel müssen fairer verteilt werden als der Selbstbedienungsladen FFA es für die Großverleiher und Großproduzenten handhabt. Das lässt sich über festgelegte Maximalbeträge pro Projekt oder Firma lösen, bei denen auch die kleineren Arthouse-Firmen gleichberechtigt berücksichtigt werden. Und die Fernsehsender, die Förderungen, sie alle sollten die Augen öffnen und den kulturellen Reichtum Arthouse-Film sehen, fördern und umarmen.
Vielleicht, so die vage Hoffnung, werden die herben Verluste durch Corona ja die großen Produktionshäuser zwingen, "kleinere Brötchen zu backen" und vielleicht sind das ja dann eher Arthouse Filme. Hoffentlich wird das bald von den Entscheidungsträgern bemerkt,- so bald, dass die Arthouse-Kultur überleben und wieder leuchten kann.