Bildseitenverhältnis
Das Bildformat ist ein ganz entscheidendes Gestaltungsmittel,- welches sind die wichtigsten Seitenverhältnisse beim Film? Das Bildseitenverhältnis (Aspect Ratio) beschreibt jenes Rechteck, welches in der Aufnahme- und der Projektion oder Wiedergabe am Fernsehschirm oder Display die Bildinformation begrenzt. Die Form unseres Bildausschnitts (Frame) wird wie in der Geometrie beschrieben, durch die Proportionen eines Rechtecks. Die Breite geteilt durch die Höhe dieses Rechtecks ist das Seitenverhältnis.
Oder anders ausgedrückt- bei Aufnahmen die ein Seitenverhältnis von 1,33:1 haben, ist die Bildbreite 1,33-mal so breit wie deren Höhe. Doch es ist viel mehr als nur eine mathematische Formel, im Film hat es mit Philosophie, mit Kosten, mit Enge und Weite, mit Gestaltung und manchmal auch mit Magie zu tun.
Das Bildseitenverhältnis darf man nicht verwechseln mit dem Aufnahmeformat des Sensors oder analogen Films, das kann nämlich durchaus ein anderes sein, als das beabsichtigte Höhen-Seitenverhältnis des Bildes.
Das Seitenverhältnis von Super 8 und Normal 16 ist 4 : 3 oder auch 1.33:1 Bei diesen beiden Formaten kann man das so einfach definieren, denn niemand würde freiwillig von dem ohnehin nicht riesigen Filmbild unnötig etwas verschenken.
Seitenverhältnis beeinflusst die Gestaltung
Wir alle kennen die Regel vom goldenen Schnitt, die Drittel-Regel. Wenn sich die Seitenverhältnisse ändern und ein Bild breiter oder schmaler wird, so beeinflusst das automatisch auch die Komposition. Die Bildbreite hat auf diese Weise einen großen Einfluss auf die Gesetzmäßigkeiten der Bildkomposition. Ein schmaleres Seitenverhältnis, verdichtet automatisch die Bildkomposition und produziert ein engeres Raumgefühl. Um alle notwendigen visuellen Informationen zu zeigen, muss die Kamera vielleicht auch mehr bewegt werden.
Ein weites Seitenverhältnis verstärkt das Gefühl von Tiefe und Dimension und erlaubt es, mehr Personen und Informationen im Bild unterzubringen. Auf diese Weise muss sich die Kamera nicht so viel bewegen (fahren, schwenken etc.), um alle wichtigen Informationen zu zeigen. Die Filmfiguren genießen eine größere Bewegungsfreiheit haben im wahrsten Sinne des Wortes mehr Spielraum innerhalb des Bildes. Größer Bewegungsabläufe können in einer statischen oder nur wenig bewegtenEinstellung aufgenommen werden. Das kann eine größere Freiheit ermöglichen.
Das hat auch Einfluss auf die Wahl der Motive und die Ausstattung. Man kann nicht nur, man muss sogar mehr von der Film-Location zeigen. Drehorte bzw. Filmsets die das nicht leisten können, lassen Breitbild-Aufnahmen manchmal irgendwie leer und ungestaltet aussehen.
Manchmal, ganz selten, drehen auch heute noch Filmemacher in 4:3, wie etwa Andrea Arnold ("Fish Tank", "Wuthering Hights") oder "Justice League" (Regie: Zack Snyder). In einem sogar quadratischen Seitenverhältnis wurde über weite Strecken "Mommy" (Regie Xavier Dolan) gedreht.
Natürlich verbinden die Zuschauer*Innen durch ihre Seherfahrungen bestimmte Seitenverhältnisse mit Zeitepochen. Man kann als Filmemacher*In (durch die Wahl einer entsprechenden Aspect-Ratio (Seitenverhltnis), die Zuschauer in eine historische Zeit hineinzuversetzen. Spannend ist in diesem Zusammenhang auch "The Grand Budapest Hotel" (Regie: Wes Anderson). Der Film erzählt unterschiedliche Zeitphasen des Titel- gebenden Hotels und entsprechend dieser Phasen ändert sich auch das Seitenverhältnis der Aufnahmen wie es in der jeweiligen Zeit im Kino üblich war.
Es macht also durchaus Sinn, sich vor einem Dreh Gedanken darüber zu machen, welches Seitenverhältnis die Filmhandlung am besten unterstützt. Natürlich muss man auch mögliche Vorgaben der Auftraggeber (Fernsehen, Streaming etc.) oder Finanziers berücksichtigen.
Academy-Standard
Bei 35 mm sieht die Sache schon ganz anders aus. Nutzt man auch hier, wie oben erwähnt, die volle Bildfläche aus, so hat man es auch hier mit 1.33:1 zu tun. Dieses Seitenverhältnis wird auch Academy-Standard (1.375:1) genannt. Der Name Academy Ratio entstand, weil die Academy of Motion Picture Arts and Sciences dieses Seitenverhältnis 1930 als Norm festgelegt hatte.
Für reine Fernsehzwecke war dies ebenfalls lange der Standard. Das hat natürlich damit zu tun, dass sich die frühen Fernsehgeräte am Kinostandard damals orientierten und der war in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts eben 1.375:1.
Doch seit High-Definition oder 16:9-Fernsehern (PAL Plus etc.) sind andere Seitenverhältnisse gefragt. Diese liegen mit 1.77:1 recht nahe am Kinostandard.
Analoger Film / Kino
Im Kino sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Insbesondere in den 50er Jahren, als das Fernsehen den Kinos die Zuschauer wegzunehmen begann, musste das Kino mit Attraktionen locken, die das Fernsehen nicht liefern konnte. Die Antwort waren Breitwandfilme.
Es wurde viel experimentiert, doch die gängigsten Seitenverhältnisse in den Kinos lagen meistens irgendwo bei 2,35:1 oder 1,85:1 ein. 16:9 war dann Jahrzehnte später ein einigermaßen vertretbarer Kompromiss zwischen den Kino-Breitbildformaten und dem 4:3 des Fernsehens.
Im Kino gab es hin und wieder auch das Breitbildformat 1.66:1. Die Situation eines Kinosaales und der Wunsch reiche, weite Bilder zu erzeugen, haben das Seitenverhältnis 1.85:1 aber zum Standard werden lassen.
Bildseitenverhältnis und Film / Sensorgröße
Die meisten Kinofilme kommen in 1.85:1 daher. Dieses weicht eindeutig von der Bildfläche, die ein 35mm-Filmbild oder Super 35 Sensor (APS-C) hat, ab. Es nutzt weniger von der Höhe. Um also in 1.85:1 zu drehen, wurde in der Kamera (ist nicht zwingend, konnte auch im Kopierwerk geschehen) ein entsprechendes Bildfenster eingesetzt, bei dem etwas vom oberen und unteren Teil des Filmbildes abgeschnitten wurde. Entsprechend wurde auch eine Mattscheibe im Sucher verwendet, bei dem der Bildausschnitt in 1.85:1 eingezeichnet ist.
Schade dabei ist, wie viel Filmmaterial auf diese Weise ungenutzt verschwendet wird. Deshalb gab es schon früher Bemühungen, mit einem „Techniscope“ genannten Verfahren, die 35mm-Norm dahingehend zu verändern, das nicht vier, sondern nur drei Perforationslöcher Filmmaterial bei jedem Bild weiterbewegt werden. Auf diese Weise sparte man jede Menge Rohfilm. Der letzte Anlauf in dieser Richtung nannte sich 3Perf. Später im Kino wurde dann ebenfalls ein 1.85:1-Bildfenster verwendet.
Abtastungsfehler
Leider werden derartige Festlegungen beim Übertragen analoger Kopien auf Video immer wieder übersehen. Das kann dann dazu führen, dass ein eigentlich vom DOP als 1.85:1 gedachter Bildausschnitt, ignoriert wird und Jemand das ganze 35mm Bild für Fernsehen oder DVD abtastet. Das führt dann dazu, dass über den Köpfen der Schauspieler zu viel Headroom ist und man ab und an oben Mikrofone ins Bild hineinragen sieht. Der beabsichtige Bildausschnitt war aber eben ein anderer, in diesem wären keine Mikrofone zu sehen gewesen...
Breitwand
Breitwandverfahren wie Cinemascope verbreitern das Bild nochmals und erreichen so 2.35:1. Jedes, von der Fernsehgröße (4:3) abweichende Format erzeugt auf dem Bildschirm die berühmten schwarzen Balken (Letterbox). Breitbildfernseher umgehen dies durch ein entsprechend verbreitertes Format (siehe HDTV). Dort erzeugen dann nur noch Cinemascope-Filme schwarze Balken auf dem Bildschirm.
Erdacht wurde das Format in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, um gegen die Konkurrenz des Fernsehens neue visuelle Attraktionen bieten zu können. Um bei analogen Film oder heute bei den Kamerasensoren nicht so viel Auflösung zu verlieren, verwendet man eine optische Komprimierung, bei der das Bild gestaucht wird. Dafür werden besondere Objektive, sogenannte Anamorphoten verwendet. Für die Aufnahme wird dann das Bild stark zusammengequetscht und bei der Wiedergabe wieder entzerrt.
Kino-Fans lieben die Artifakte, die dabei entstehen, besonders bei den Zerstreuungskreisen im Hintergrund und Lichtreflexen.
Mattscheibe der Kamera
Bei analogen Filmkameras, oder Videokameras, die einen Spiegelreflexsucher besitzen und mit denen man verschiedene Bildformate verwirklichen kann, lassen sich, wie oben erwähnt, neben den Bildfenstern auch die Mattscheiben auswechseln. Es gibt jedoch auch Mattscheiben, in denen fast alle wichtigen Bildseitenverhältnisse zugleich eingezeichnet sind. Die Mattscheibe sieht dann etwa so aus wie im Bild rechts. Die Arbeit damit ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, man muss sich etwas mehr auf den Bildausschnitt konzentrieren. Deshalb bevorzugen es viele Kameraleute, für das jeweils verwendete Bildseitenverhältnis auch eine eigene Mattscheibe in den Sucher einzusetzen.
Die kombinierten Mattscheiben fanden vor allem Verwendung, wenn in den 90er Jahren ein von den TV-Sendern propagiertes, von den Kameraleuten aber oft als Zumutung empfundenes Denken mit dem fortschrittlichen Namen „Shoot and Protect“ zur Anwendung kam. Dies bedeutete nichts anderes, als dass man die Bildgestaltung für zwei Bildformate gleichzeitig vornehmen sollte. Einerseits für die damals überall gängigen TV-Geräte in 4:3 und andererseits auch für künftige Wiederholungen des gleichen Filmes auf 16:9 (HDTV). Wie das wirklich gehen sollte, für beide Bildformate gleichzeitig eine optimale Gestaltung des Bildausschnitts zu erzielen, hat damals allerdings niemand überzeugend beantworten können. Für die Kreativen jedenfalls war das Ganze eine Zumutung.
Bei den digitalen Kameras können die Einzeichnungen meist digital über das Sucherbild / den Kontrollmonitor gelegt werden und erlauben so eine präzise Kontrolle während der Aufnahme.