Auf welche Weise kann man Zweidimensionalität überwinden und Aufnahmen eine große Tiefe geben? Es gibt eine Reihe von gestalterischen Tricks, um Bildern und Filmaufnahmen eine räumliche Tiefe zu verleihen. Diese haben alle mit unseren Seherfahrungen zu tun, waren in der Geschichte der Menschheit oft überlebenswichtig,- sie funktionieren deshalb unbewusst bei praktisch jedem Menschen.
Linien die ins Bild führen
Wenn von den Bildrändern Linien ins Bild hinein führen, so erhöht das die Räumlichkeit deutlich. Das gilt nicht nur für Diagonalen, sondern auch für gerade Linien oder geschwungene Wege etwa, die in das Bild hineinführen. Wir alle kennen das von Schienen, Straßen und Wegen, die in die Ferne führen. Wir alle sind solche Wege schon einmal gegengen oder gefahren und wissen um die Entfernung, die wir dabei zurück gelegt haben. Physische Erfahrung, sie uns bei dechiffrieren (anschauen) solcher Aufnahmen sogleich signalisieren: Her überblicken wir eine gewisse Entfernung.
Objekte, die kleiner werden
Wenn Objekte wie zum Beispiel Bäume oder Laternenmasten, von denen wir annehmen, dass sie gleich groß sind, in die Tiefe hinein immer kleiner werden, so erhöht das die Räumlichkeit. Wir nehmen an, dass alle Bäume der Allee gleichzeitig gepflanzt wurden und wissen, dass die entfernteren kleiner wirken als die in der Nähe. Dieses Phänomen hilft uns im wahren Leben, Entfernungen richtig einzuschätzen und funktioniert natürlich auch bei Film/Videoaufnahmen.
Studioarchitekten haben sich das, vor allem in den USA zu Nutze gemacht. In Zeiten, in denen ganze Filme im Studio gedreht wurden, hat man ganze Straßenzüge oder Außenbereiche in Hallen gebaut. Um Platz zu sparen hat man da die Bäume oder Gebäude, die weiter entfernt sein sollten, kleiner gebaut, um Platz zu sparen. Man brauchte dann weniger Studiofläche, um eine sich verjüngende Straße zu simmulieren.
Auch der legendäre Regisseur Jacques Tati hat für seinen Film Playtime damit gearbeitet. Weil er keine Drehgenehmigung für den Pariser Flughafen und die unmittelbare Umgebung erhielt, ließ er ganze Gebäudekomplexe nachbauen. Die Gebäude, die im Außenbereich die Ferne darstellen sollten wurden entsprechend verkleinert aufgebaut. Das sparte Kosten und funktionierte einwandfrei.
Räumliche Staffelung
Der Klassiker ist die Staffelung von Vorder,- Mittel,- und Hintergrund. Indem wir mit verschiedenen Bildebenen arbeiten, etwa im Vordergrund Äste eines Baumes, Busches, im Mittelgrund eine Person und im Hintergrund die Landschaft mit Horizont, erzeugen wir einen räumlichen Bildeindruck.
Das wussten schon die Zeichner in Walt Disneys Studios, die schon für die frühen Zeichentrick-Blockbuster wie Schneewittchen eine Multiplan-Kamera bauten, bei der es für Vorder,- Mittel und Hintergrund einzelne Bildebenen gab auf denen gezeichnete Elemente platziert werden konnten.
Natürlich kann man diese Staffelung auf vielfältige Weise umsetzen. Da können im Vordergrund auch Gläser, Lampen, angeschnittene Personen, kurzum so gut wie alles platziert werden um die räumliche Dimension zu unterstreichen. Dabei müssen sich nicht alle Ebenen im Bereich der Schärfentief befinden, wichtig ist, dass man den bildwichtigen Teil, also meistens die Protagonist*Innen in der Schärfenebene hält.
Frame im Frame
Wenn man sein Bild gewissermaßen einrahmt, etwa indem im Vordergrund ein Torbogen, ein Fensterkreuz, die Äste einer Hecke zu sehen sind, schafft damit mehr Raumgefühl. Wichtig ist, dass diese Einrahmung eher dunkel gehalten oder vielleichtsogar eine Silhuette ist. Es wirkt dann ein wenig wie die Begrenzung einer Theaterbühne durch den offenen Vorhang. Das dahinter befindliche Bild ist dann wie die Theaterbühne, die sich ja auch in die Tiefe hin staffelt.
Unterschiedliche Strukturen
Auch dies beruht auf Seherfahrung: Wenn Materialien eine Struktur haben, Steine, Mauerwerk, Baumrinde oder andere Materialien kann man in der Nähe deutlich besser, kleinteiliger und differnzierter erkannen, in der Ferne nimmt die Genauigkeit ab. Hat man es in den verschiedenen Bildebenen mit ähnlichen Materialien zu tun, suggeriert die unterschiedliche Klarheit und Differenzierbarkeit etwa in Mauerwänden etc. dass wir es mit Entfernungsunterschieden zu tun haben.
Heller Hintergrund
Aufnahmen, bei denen der Bildhintergrund heller ist, wirken tiefer und räumlicher. Auch das ist eine Seherfahrung. Durch die Atmosphäre, also die Partickel in der Luft, werden Farbanteile geschluckt. Das Ergebnis ist, dass identische Objekte in der Ferne heller wirken. Die berühmte Baumallee aus dem obigen Beispiel belegt dies, indem die entfernteren Baumstämme heller wirken als die in der Nähe.
Das gilt nicht nur für identische Objekte, es gilt generell für die Helligkeit und Ausgestaltung des Bildhintergrundes. Ist der Hintergrund dunkel, wirkt das Bild flächiger, ist er aber hell, bekommt es mehr Tiefe.
Das berücksichtigen Kameraleute natürlich auch bei der Lichtsetzung. So können auch sichtbare Lampen (Practicals), Lichterketten, LEDs etc. im Bildhintergrund die Räumlichkeit deutlich erhöhen. Ganz nebenbei verleiht das einem Bild auch eine besondere Atmosphäre. Die muss natürlich zu der Aussage der Szene und dem Mood des ganzen Filmes passen.
In Stummfilmzeiten, in denen in Schwarzweiß gedreht wurde, haben Bühnenmaler oft die Farbe des Hintergrundes oder einzelner Objekte durch simples Überstreichen auf Wunsch der Kameraleute verändert.
Gesamtwirkung
Natürlich sind diese Maßnahmen nie isoliert zu betrachten. Meistens kommen in einer Aufnahme mehrere, wenn nicht sogar alle visuellen Methoden für Räumlichkeit zum Einsatz.