Nach langem Warten...
Nach einer vollmundigen Ankündigung auf der NAB 2005, der erst ein Jahr später das tatsächliche Produkt folgte, wurde die HD Kamera von Panasonic mit besonderen Ansprüchen erwartet.
Erste Erfahrungen mit diesem in vielfacher Hinsicht erstaunlichen professionellem Produkt konnten wir bei einer Dokumentarfilm-Produktion der Allary-Film, Tv & Media sammeln. Inzwischen liegt ein Jahr Dreherfahrung hinter uns und es gibt so manches zu berichten.
Erste Eindrucke
Ja bereits bei Auspacken wird dem von 3-Chip Mini DV Kameras durch Leichtgewicht verwöhnten Anwender klar- diese Kamera ist ein dicker Brummer, breiter, höher, schwerer,- kurz ein Gerät welches definitiv die Arbeitsweise für die Handkamera beeinflusst. Da man sie nicht auf der Schulter auflegen kann muss sie also allein mit den Armen gestützt werden, bei etwa 3 Kilo Gewicht nicht Jedermanns Sache, vor allem nicht für längere Zeit.
Das Zubehör ist sinnvoll und zugleich karg, ein USB-Kabel mit passendem Stecker der in die Kamera passt, sucht man vergeblich. Ja USB,- bei dieser Kamera spielen Computerschnittstellen eine nicht unerhebliche Rolle. Die Sonnenblende ist erfreulich groß gestaltet, fast ein Kompendium, aber eben nur fast, denn Filter können nirgendwo eingeschoben werden. Aber Sonneneinfall ins Objektiv wird sehr effektiv verhindert.
Die Kamera
Für den Profi ist besonders die Handhabung der Kamera wichtig,- und soviel vorweg- die meisten gewünschten Funktionen sind durch eigene Schalter und Taster erreichbar, man muss sich nicht wie bei vielen anderen Geräten erst durch endlose Menüs quälen.
Ein Drehschalter auf der Rückseite der Kamera erlaubt es, vorgewählte Gamma-Einstellungen zuzuschalten. Werkseitig gibt es sinnvolle Presets wie den News Modus (Nr.1), der große Toleranz auch bei hellen Lichtanteilen zulässt, oder auch zwei verschiedene Cine-Gamma Einstellungen (5+6) bei denen entweder der Blendenumfang oder der Kontrast bevorzugt im Filmlook optimiert wird. Alle wichtigen Automatiken können abgeschaltet und die Funktionen manuell bedient werden.
Schalter für Weißabgleich, Schwarzabgleich und ND Filter sind, wie bei großen Profikameras an den bekannten Stellen, ein Wählrad auf der linken Seite erlaubt die manuelle Korrektur der automatisch gefundenen Belichtung. Das Sucherbild im Okular ist winzig, zu klein um damit wirklich professionell arbeiten zu können.
Ein merkwürdiges Verhalten zeigt der Rekording-Schalter unserer Kamera. Schaltet man ab- und einen kurzen Moment später wieder ein, kann es passieren, dass die Kamera gar nicht aufnimmt, offensichtlich braucht die Software eine kurze Pause um wieder aufnehmen zu können. Ein Phänomen, was zum Verlust wichtiger Aufnahmen führen kann. Ist die Pause länger als 4-5 Sekunden, wird anstandslos aufgezeichnet.
Display
Das Ausklapp-Display ist sehr informativ, ober- und unterhalb des 16:9 Bildes werden im dunklen Bereich (Letterbox) alle relevanten Informationen eingeblendet. Im Menü kann man, bei Drehs im Außenbereich, die Hintergrundbeleuchtung heller stellen. Zusammen mit einem Sonnenschutz, ist dann auch das Drehen bei Sonne möglich.
Ein Schiebeschalter an der linken Seite erlaubt das Umschalten zwischen Automatik und Manuell, sobald auf Manuell umgeschaltet wird, ist der automatische Weißabgleich abgeschaltet und es wird auf den abgespeicherten Filterwert umgeschaltet. Ist hier irgendein früherer Wert abgespeichert, kommt es beim Umschalten zu unschönen Farbverschiebungen. Deshalb empfiehlt es sich, hier stets am Drehort auch den manuellen Weißabgleich abzuspeichern.
Ein Zebramuster kann mit 80 oder 100% eingeblendet werden und ein Schärfe-Assist vergrößert im Sucher die Bildmitte und erlaubt rasche Schärfekontrolle. Die Sucherlupe ist professionell ausgelegt, die Augenmuschel angenehm groß, allerdings könnte dass sichtbare Sucherbild größer sein, die Beurteilung der Schärfe kaum möglich.
Optik und Schärfe
Um die fehlende Schärfeskala auf dem Objektiv halbwegs verschmerzen zu können, sollte die Entfernungsanzeige im Display unbedingt auf Meter/cm umgestellt werden. So hat man zumindest eine sinnvolle Information über die Entfernung. Werksseitig sind Feet eingestellt, eine Einheit die zumindest für hiesige Anwender absolut kryptische, unbrauchbare Zahlenwerte anzeigt, also gleich umstellen im Menü unter Display-Settings.
Sehr hilfreich ist auch eine Fernsteuerung für die Schärfe, bei der man sich auch Schärfepunkte einzeichnen kann, ein zwingendes Hilfsmittel, wenn man mit einer Kameraassistenz arbeitet. Mit einer entsprechenden Verlängerung, die man sich teuer im Fachhandel kaufen, oder preiswert selbst löten kann, ist es möglich, die Fernschärfe per Kabel zu einem Kontrollmonitor zu verlegen, wo die Kameraassistenz dann optimal die Schärfe regeln kann.
Die Leica-Optik (Leica Dicomar) ist qualitativ hochwertig und kann die für HD (insbesondere auf 1/3" Kamerachips) erforderliche hohe Abbildungsqualität bieten. Es bietet 13X Zoom und einen hervorragenden optischen Bildstabilisator. Die Bedienfunktionen (Zoom- Wippe) sind professionell, eine direkte manuelle Regelung der Schärfe ist leider nicht vorhanden, hier werden die manuellen Einstellungen am Schärfering elektronisch erfasst und auf Stellmotoren übertragen.
Angelehnt an die Möglichkeiten der großen Panasonic Varicam bietet die AG-HVX200 variable Bildraten und kann echte Zeitlupe mit bis zu 50 Bildern pro Sekunde oder Zeitraffer, bei dem nur die gewünschte reduzierte Bilderzahl aufgezeichnet wird, anbieten. Selbst Einzelbildschaltung in Intervallen (Blüte aufblühen, Wolken über den Himmel rasen lassen) ist auf diese Weise möglich. Für Freunde des Animationsfilms bietet die Kamera eine One-Shot Funktion an, die Einzelbilder setzt sie selbsttätig zusammen.
Überraschende Ereignisse verpasst man nicht mehr so leicht, eine Loop-Record Funktion zeichnet die letzten 3 Sekunden (bei SD 6 Sekunden) bevor man auf den Auslöser gedrückt hat, mit auf die P2 Karte auf. Die Akkulaufzeit in HD ist erfreulich lang, dass hier keine Videokopftrommel rotiert, spart offensichtlich eine Menge an Akkuleistung.
Formatwechsel
Die Aufnahme markiert bereits den ersten entscheidenden Unterschied, denn obschon die Kamera ein Mini-DV Laufwerk besitzt, wird dieses für die Aufzeichnung von HD nicht verwendet, denn Panasonic bedient den HDV-Modus mit seiner relativ hohen Kompression nicht. Nur wer auf DV Standard dreht, verwendet das Kassettenlaufwerk, man kann es auch nicht parallel mit der Karte verwenden, die Kamera kann nur im P2 oder im Kassettenmodus verwendet werden.
Wer auf HD drehen will und das wird vermutlich jeder, der sich eine solche Kamera für bis zu 6000 Euro zzgl. MwSt kauft, muss auf Panasonics P2 Karten aufzeichnen, die einen völlig neuen Workflow erfordern.
Wer sich mit der Kamera eine P2 Speicherkarte gekauft hat, momentan sind 8 und 16 GB Karten auf dem Markt, fühlt sich sogleich erinnert, wenn nicht zurückgeworfen auf Filmdreharbeiten bei denen die Filmkassette jeweils maximal 10 Minuten Kapazität hatte. Dann musste die belichtete Kassette gegen eine mit frischem Rohfilm gefüllte gewechselt werden.
Bei einer 8 Gigabyte P2 Karte passen in HD-Auflösung knapp 8 Minuten drauf. Da es in der HD-Welt zwei konkurrierende Auflösungen gibt, 1080i (Halbbilder) oder 720p (Vollbilder) offeriert die Kamera bei Auflösungen, erlaubt es auch, die eine aus der anderen zu konvertieren. Die besseren Bilder liefert nach unserer Erfahrung der 720p Modus (progressive Scan), der zudem auch eine sauberere Übertragung auf Film (Ausbelichtung) ermöglicht. Im "native mode" ist es möglich, auf eine 8 GB Karte 16 Minuten aufzuzeichnen. Diesen Modus aber nur verwenden, wenn er auch vom Schnittprogramm unterstützt wird!
Festplatten Freud- und Leid
Alternativ bringt FireStore eine externe Festplatte samt Controller heraus, auf die man direkt aufzeichnen kann. Es muss an dieser Stelle nicht erwähnt werden, dass diese Lösung genau so viel kostet, wie eine ganze HDV Kamera der Konkurrenz. So genial die Lösung mit der bandlosen Aufzeichnung auch ist, die Preise für die Aufzeichnungsmedien verderben im Moment zumindest, noch etwas die reine Freude über diese hervorragende Kamera.
In der neuesten Software-Version (ab 3.0) unterstützt die Firestore FS-100 nun auch den sogenannten "native-mode". Während der festgelegte 25p Standard tatsächlich 50 Bilder aufzeichnet, also jedes Einzelbild doppelt, werden im "native-mode" tatsächlich nur 25 Bilder aufgezeichnet, wodurch sich die Aufnahmedauer mal eben verdoppelt. Auf die Platte können dann 200 Minuten DVCPRO HD aufgezeichnet werden. In einem geeigneten Schnittprogramm, welches den "native mode" unterstützt, (derzeit z.B. FinalCut Pro) werden dann die Einzelbilder wieder verdoppelt.
An dieser Stelle sollte nicht verschwiegen werden, dass auch die luxuriöse Festplattenlösung so ihre Schwächen hat. Es beginnt beim winzigen Firewire-Stecker, der vielleicht für Überspielungen im Schnittstudio robust genug ist, am Set aber sobald man ans Kabel kommt, was beim Drehen ständig passiert, gerne mal zu Aussetzern führt.
Auch ist die Platte längst nicht so erschütterungsfest wie man es am Set benötigen würde. Teams die in fahrenden Fahrzeugen gedreht haben, klagten über zahllose Bildaussetzer. Hier bietet die Aufzeichnung auf den P2 Karten deutlich mehr Störsicherheit.
Mit dem großen Akku kann man die Firestore zwei Stunden betreiben, von den Anforderungen eines ganzen Drehtages ist das weit entfernt. Schaltet man sie, um Energie zu sparen jeweils ab, dauert es eine Weile, bis sie hochgefahren und wieder aufnahmebereit ist,- für Dokumentationen absolut unmöglich.
File-basierte Aufnahme
Besitzt man nur eine 8 GB P2 Karte (was bei einem Preis von 700,- Euro nicht ungewöhnlich ist) muss man die Daten regelmäßig von der Karte auf ein anderes Speichermedium, sprich eine Festplatte überspielen. Die einzelnen Aufnahmen werden als Files in einer eigenen Datenstruktur abgelegt und können so auf eine Harddisk überspielt werden. Inzwischen sind 16 GB und 32 GB Karten lieferbar, das erleichtert den Workflow spürbar.
Panasonic bietet hierfür sowohl der P2 drive, also ein Lesegerät, als auch den Ps Store, ein Lesegerät mit eingebautem Controller und Festplatte an, zu Preisen für die man bereits HDV Kameras anderer Anbieter erstehen kann. Preiswerter geht die Datenübertragung mit einem Notebook, die Karten können nämlich einfach in den PCMCIA Slot geschoben und die Daten kopiert werden.
Wie auch immer man die Datenübertragung löst- hat man nur eine Karte, so entsteht eine Drehunterbrechung von etwa 10-15 Minuten. Es zeigt sich also bereits am ersten Drehtag, dass eine zweite horrend teure P2 Karte gekauft werden muss und vielleicht noch eine dritte, vierte...
Soviel zu den Nachteilen, welche vor allem den Workflow und die versteckten Kosten betreffen, zugleich sind mit ihnen auch spürbare Vorteile verbunden:
DVCPRO HD
Ein wichtiger Grund, weshalb Panasonic nicht auf Band, sondern auf P2 Karten setzt, ist die gegenüber HDV vierfache Datenrate, welche im DVCPRO HD- Format aufgezeichnet werden muss. Sicherlich hätte man diese durch vierfache Bandlaufgeschwindigkeit auch auf Mini DV Kassetten unterbringen können, doch wäre man dann auch nur noch bei 15 Minuten maximaler Aufzeichnung gelandet und hätte die Laufeigenschaften des winzigen Bandes vermutlich arg überstrapaziert.
P2 Karten waren in dieser Hinsicht zukunftsweisend,- Dropouts gehören damit der Vergangenheit an. Die Kamera zeichnet digitale 4:2:2 Komponentensignale auf und erlaubt damit eine sinnvolle Farbkorrektur. Wer sich einmal im DV oder HDV- Format (4:2:0 Farbauflösung) mit aufwändiger Farbkorrektur beschäftig hat, wird vermutlich schnell in Fluchen geraten sein. Dort sind die Möglichkeiten extrem begrenzt. Das in dieser Kamera verwendete 4:2:2 Sampling darf als eines der professionellen Features hervorgehoben werden. Insbesondere auch für Chroma-Key Effekte (Blue oder Green Screen) ist diese Farbtiefe absolut grundlegend.
Ein weiterer Unterschied liegt in der Art der Bildkompression. Der HDV Standard der Konkurrenz komprimiert im MPEG 2 Codek nicht nur innerhalb jedes einzelnen Bildes, sondern vor allem auch über ganze Reihen von Bildern hinweg (Interframe Compression), den sogenannten GOPs (Group of Pictures), bei denen nur alle 12 oder 15 Felder ein vollständiges Bild aufgezeichnet, bei den übrigen nur die Veränderungen festgehalten werden. Die HVX-200 zeichnet jedes einzelne Bild unabhängig von den übrigen Bildern auf, jeder Frame ist damit individuell adressierbar.
Tonbereich
Auch bei der Audio-Aufzeichnung kommt die Kamera mit professionellen Features. XLR-Eingänge sowie zuschaltbare Phantomspeisung erlauben das Arbeiten jenseits der Miniklinkenstecker-Instabilität. Die Kamera kann 2 Kanäle aufzeichnen, der DVCPRO HD Standard erlaubt die nachträgliche Aufzeichnung zweier weiterer Spuren. Ob externe oder die internen Mikrofone verwendet werden, kann man wie bei einer großen Videokamera mit Schaltern auf der linken Kameraseite auswählen. Die Aussteuerung kann im Display kontrolliert, auf der Kamerarückseite mit zwei Drehreglern eingestellt werden.
In der Praxis hat Kamera-frau-mann allerdings kaum Gelegenheit die Regler in der laufenden Aufnahme zu bedienen, bei den aktuellen Dreharbeiten wird der Ton mit einem externen Mischpult, welches im Gegensatz zur Kamera auch über einen guten Limiter verfügt, gepegelt und das Tonsignal über eine Funkstrecke zur Kamera übertragen.
Bildqualität
Unser Fazit ist hinsichtlich der Bildqualität überzeugend. Die Kamera liefert ungewöhnlich viele Details, natürliche Farben, insbesondere die Grüntöne, die bei unserem Dokumentarprojekt eine entscheidende Rolle spielen, werden natürlich wiedergegeben, es gibt endlich (Cine-Gamma) echtes Schwarz in den Schatten.
Was den Blendenumfang angeht, so kann man etwa 7 Blenden unterbringen, moderne Kameras schaffen da deutlich mehr. Mit dieser Kamera sind einige wichtige Schwachstellen der Videoaufnahme behoben und professionelles HD einigermaßen erschwinglich geworden, lediglich eine geringere Schärfentiefe wäre für noch mehr Filmlook wünschenswert.
Im Vergleich zu HDV sind praktisch keine Kompressionsartefakte sichtbar, auch schnelle Bewegungen werden sehr gut aufgelöst. Alles in Allem eine hervorragende Kamera mit deutlich mehr Stärken als Schwächen, die vor allem auch für die Independent-Filmproduktion neue Akzente setzt. Und auch wer nur für das Fernsehen produziert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass bereits jetzt die Einkäufer auf den internationalen Fernsehmessen praktisch nur noch HD-Ware suchen.
Wer keinen HD-Schnittplatz besitzt, kann sich die auf Festplatte übertragenen Files am Computer trotzdem anschauen. Panasonic bietet einen Player kostenlos zum Download an. Wenn der Rechner schnell genug ist, kann man das Material auf diese Weise sichten, bis dann die nächste Investition, der HD-Schnittplatz getätigt ist.
Master
Will man den fertig geschnittenen Film mastern, so standen in PAL bis Ende 2007 nur Videorekorder im DVCPRO HD Format mit maximal 63 Minuten Kapazität zur Verfügung. Mit dem AJHD 1800 hat sich das geändert, er kann maximal 126 Minuten aufzeichnen, damit können endlich auch abendfüllende Filme aufgezeichnet werden.
Hat man nur den älteren AJHD 1400 zur Verfügung, so kann man, wenn man noch ältere DVCPRO Kassetten (AJP92L) auftreiben kann, die dünneres Band beinhalten, ebenfalls länger (92 Min) aufzeichnen. Doch die Tapes werden nicht mehr hergestellt, man muss schon Glück haben, um noch welche zu bekommen. Inzwischen hat es sich auch bei vielen Sendeanstalten durchgesetzt, dass man als Master auch Festplatten anliefern kann.