Die Vorbilder
Lange vor dem Kino haben Maler sich damit beschäftigt, wie man eine gegebene Bildfläche optimal gestaltet. Analysiert man eine Vielzahl von Gemälden von der Renaissance bis heute auf ihre Bildgestaltung hin, fällt auf, dass die präzise Bildmitte in Hinblick auf die Bildaussage zumeist uninteressant ist. Das Gesetz vom goldenen Schnitt fordert gar die Vermeidung der Bildmitte.
Diagonalen und Bögen steuern sehr häufig die Aufmerksamkeit des Betrachters. Einzelne Betonungen von Bildinhalten, seien es Objekte oder Personen, finden zumeist einen Gegenpart auf der jeweils entgegengesetzten Bildhälfte.
Die Gewichtung innerhalb eines Bildes spielt dabei eine wichtige Rolle. Hier wird nur teilweise ausgeglichen, der Widerstreit verschiedener bildwichtiger Elemente ist scheinbar das Salz in der Suppe, das was unser Auge an einem Bild fesselt.
Wenn wir einmal die unterschiedlichen Stile ob Realismus oder Expressionismus außer acht lassen, so sind Größe, Form, Helligkeit und Farbe sowie die Platzierung innerhalb des Bildes wichtige Kriterien dafür, wie unser Auge sich innerhalb eines Bildes bewegt, und wie wir es empfinden.
Balanceakt
Wenn man beim Betrachten eines Bildes die Augen etwas zukneift, sieht man deutlicher die Kontrast- und Farbverteilung in einem Bild.
Um so stärker sich die Bildkomposition in Richtung einer ausgeglichenen Balance der Elemente annähert, wie etwa das obere Bild von Carl Lutz, desto ruhiger wirkt es auf den Betrachter.
Je stärker die Elemente miteinander konkurrieren, oder um eine scheinbare Ausgeglichenheit ringen, desto aktiver oder sogar unruhiger wirkt es auf uns. Die nebenstehende Nachtstimmung des norddeutschen Malers Maiford belegt dies deutlich.
Wenn Sie von den Erfahrungen vieler Jahrhunderte Bildgestaltung profitieren wollen, sollten Sie bei Ihrem nächsten Museumsbesuch (real oder virtuell) einmal verstärkt auf den Bildaufbau achten. Die Parallelen zu zahllosen heutigen Filmbildern sind verblüffend.
Bildformat
Natürlich hat auch das jeweilige Bildformat Einfluss auf die Kameraarbeit. Bis heute besitzt die überwiegende Zahl der Fernsehgeräte ein Bildseitenverhältnis von 4:3. Ein Seitenverhältnis, welches in der Malerei in ähnlicher Form durchaus anzutreffen war und ist. Inzwischen hat sich im Fernsehbereich ein anderer Standard, zumindest aufnahmeseitig, etabliert. Viele Kameraleute, die nie für das Kino gearbeitet haben, wussten nicht wirklich, wie sie sich auf das sich langsam immer stärker durchsetzende 16:9 Format einstellen sollten.
Schließlich verbreiterte sich das von ihnen vielleicht über Jahrzehnte gestaltete bisherige TV-Bild um rund 30%. Inzwischen ist 16:9 bei TV-Produktionen sehr häufig anzutreffen und im Kinobereich ist seit Breitwand mit 1:1,85 und Cinemascope mit 1:2,35 das breite Bild schon lange etabliert und wird bei der Konzeption der Bilder selbstverständlich optimal genutzt.
Wie unterscheidet sich nun die Wirkung auf den Zuschauer zwischen 4:3 und 16:9 ? Beim klassischen Fernsehformat vermittelt sich stets der Eindruck eines schmalen Fensters, durch das man schaut, während 16:9 eher einer breiten Schaufensterscheibe entspricht. Der Raum gewinnt stärker an Bedeutung.
Rahmenlos
Der Fenster-Vergleich bildet auch sehr gut dem Umstand ab, dass beim Fernseher die Bildschirmbegrenzung dem Fensterrahmen entspricht. Diesen Rahmen nimmt man bei 16:9 weniger war und man kann ihn durch gezielte Optimierung der Bildgestaltung noch weiter zurückdrängen.
Ein Mittel, die Begrenztheit des Bildfeldes zu überwinden besteht darin, Objekte oder Personen, die sich am Bildrand befinden, und nur teilweise abgebildet sind, werden vom Zuschauer in seiner Imagination über den Bildrand hinaus ergänzt. In nebenstehendem Bild sind der Tänzer links und die Tänzerin rechts (schwarzes Kleid rechter Bildrand) angeschnitten.
Dies gilt ausdrücklich nicht für Nahaufnahmen von Personen, der Wunsch, die Augen der Filmfiguren zu sehen, ist absolut vorrangig. Augen sollten, wenn Personen dem Zuschauer zugewandt sind, möglichst paarweise zu sehen sein.
Geometrie
Der Bildhorizont bei breiten Formaten ist deutlich weiter und sollte auf keinen Fall mittig kadriert werden. Bei Landschaft etwa bedeutet es, dass die Trennlinie von Landschaft zum Himmel stets oberhalb oder unterhalb der horizontalen Bildmitte liegen sollte. Was uns die Regel vom goldenen Schnitt bereits bei 4:3 verbietet, gilt beim breiteren Bild umso mehr.
Auch Senkrechte Linien die mittig sitzen, etwa eine Säule oder eine ein Türholm im Bild sind ungünstig. Auch vertikale Muster (Jalousien, Zäune oder Holzpanele) machen sich nicht wirklich gut. Andererseits steht für die bewusste Gestaltung mit Horizontalen, vertikalen und Schrägen einfach mehr Raum zur Verfügung.
Personen im breiten Bildformat
Das breitere Bild verändert deutlich die Wahrnehmung des Zuschauers. Insbesondere ist die Mittelposition gravierender, schwerer als bei einem 4:3 oder 1:1,33 Bildformat. Die Mittelachse ist wesentlich stärker definiert. Deshalb ist es schwieriger eine ausgewogene Bildkomposition zu erzielen.
Auch die Wege der Filmfiguren ins Bild hinein oder heraus können länger ausfallen und damit größere optische Dynamik entfalten.
Bewegungen
Einer der wichtigsten Unterschiede zur Malerei ist, neben dem fotografischen Verfahren, sicher in der Fähigkeit des Films begründet, Bewegungen aufzuzeichnen. Finden im Breitbild Bewegungen, insbesondere der Kamera oder der Optik (Zoom) statt, so darf man nicht unterschätzen, dass der Zuschauer durch die sichtbare Veränderung deutlich mehr Informationen aufnehmen und abgleichen muss.
Schnelle Schwenks oder Zufahrten, die bei 4:3 noch funktionieren, können bei 16:9 bereits als störend empfunden werden. Häufig finden Bewegungsabläufe bei breitem Bildformat etwas langsamer statt als bei 4:3. Ausnahme sind Bewegungen, die hohes Tempo oder Hektik vermitteln sollen, da ist das fehlende Erfassen aller Bildinformationen Bestandteil der Aussage.
Bildtiefe
Bei einem breiten Bildformat ist es wichtiger als bei 4:3, eine genaue Planung der Ebenen, Vorder, Mittel und Hintergrund vorzunehmen. Dass der Raum mehr Bedeutung erhält, betrifft eben nicht nur die Breite, sondern auch die Tiefe des Bildes. Ausstattung, Requisite, Kostümbild, Kadrage und Licht können hier dazu beitragen, eine dichte Komposition herzustellen.