Auch wenn es vielleicht banal klingt, gute Stereo Aufnahmen erfordern durchaus ein wenig Knowhow, damit sie gelingen. Auch wenn jeder von uns glaubt, genau zu wissen, was Stereophonie ist, so wissen die wenigsten, dass die Grundlagen dafür schon richtig alt sind. Es gab nämlich bereits 1881 die grundsätzliche Idee dafür,- Clément Ader, ein französischer Erfinder, hat sie schließlich auf der Pariser Weltausstellung als „Théâtrophone“ der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt, es arbeitete bereits mit zwei getrennten Kanälen deren Signale über Telefonleitungen übermittelt wurden. Natürlich war die Tonqualität sehr dürftig,- eben so wie es in der Frühzeit der Mikrofone und Tonübertragung nunmal war. Und für den Film herrschte ja bis Ende der zwanziger Jahre noch der Stummfilm.
In den 1930er Jahren gab es bereits ein Patent für „binaurale Tonaufnahmen“, welches 1931 der britische EMI Ingenieur Alan Blumlein anmeldete. Dabei hat er bereits die Grundlagen für unterschiedliche Mikrofonanordnungen erfunden. Doch bei den Verbrauchern kam die Stereophonie erst in den 50er Jahren an, so etwa bei ersten Orchesteraufnahmen in Stereo beim RIAS Berlin 1952 und dann natürlich ab 1957 in den USA mit den ersten Stereophonen Schallplattenpressungen bei RCA.
Räumliches Hören
Bei der Stereophonie wird im Prinzip ein gewisser Bereich zwischen zwei Lautsprecherboxen räumlich abgebildet, man kann also die Tonquellen innerhalb dieses akustischen Stereobildes von der Richtung her orten. Wenn also beispielsweise visuell eine Person von links nach rechts geht, kann man hören, die die Schritte oder ihre Stimme ebenfalls von rechts nach links wandert. Aber natürlich kann man auch all die Schallereignisse, die nicht wandern, räumlich innerhalb dieser Stereobasisbreits orten, das gilt beim Film beispielsweise für Atmos: Die Fahrzeuggeräusche einer Außenszene hört man genau aus der Richtung, in der sich im Bild auch die Autostraße befindet.
Filmton, ganz gleich ob auf einer Kinoleinwand oder auf dem heimischen Flatscreen, klingen mit Stereoton viel realistischer und reicher, deshalb werden praktisch alle heute produzierten Filme mindestens mit einem Stereoton aufgenommen und abgemischt. Allerdings entsteht die genaue räumliche Positionierung oft erst in der Filmtonmischung. Denn die Stimmen der Schauspieler werden in der Regel in Mono aufgenommen, also mit einem Tonkanal und ohne räumliche Zuordnung in der Stereobasisbreite. Ihre Stimmen werden erst in der Mischung mit Hilfe des Panoramareglers platziert und dies meistens so, dass extreme Seitenränder im Stereobild vermieden werden. Wenn eine Person ganz links im Bild steht, dann kommt der Ton trotzdem nicht ganz von links sondern eher links mittig.
Atmos sind anders
Bis heute wurden unterschiedlichste Verfahren entwickelt, wie man akustisch ein realistischeres Raumgefühl zu vermitteln, Quadrophonie, Kunstkopfstereophonie oder auch Ambisonics-Verfahren sind nur ein paar Beispiele. Trotzdem ist die Stereophonie das bis heute verbreitetste Raumklangverfahren und eigentlich auch die Mindestanforderung an heutige Filmproduktionen. Anders als mit den in Mono per Tonangel und Richtmikrofon aufgenommenen Stimmen verhält es sich mit den Atmos, die werden zumindest in den meisten Fällen bereits vor Ort, also am Filmset mit einer räumlichen Zuordnung aufgenommen und deshalb muss man bereits am Drehort einige Entscheidungen treffen, wie man diese am besten aufnimmt. Nimmt man für Dolby Atmos Klänge auf, ist wieder eine andere Vorgehensweise angesagt,- hier werden Einzelgeräusche digital adressiert und im Kinoraum verteilt.
AB und XY Mikrofonierung
Man kann bei der Aufnahme zwei identische Mikrofone parallel (typischerweise 20–50 cm) nebeneinander anordnen und nach Vorne ausrichten, man nennt das AB Stereophonie. Dieses Verfahren nutzt die Laufzeitunterschiede zwischen linkem und rechtem Mikrofon um das Stereobild zu erzeugen. Man erzielt mit dieser Methode eine große Räumlichkeit und ein recht breites Stereobild. Deshalb wird AB Stereophonie gerne für Orchester oder auch Chöre verwendet.
Allerdings kann es bei AB Stereophonie manchmal zu Phasenproblemen kommen.
Für die XY Sterophonie werden ebenfalls zwei identische Mikrofone verwendet, die allerdings so angeordnet werden, dass sich die Mikrofonkapseln im Idealfall übereinander befinden. Wenn man mit XY Stereophonie arbeitet, so bestimmt der Winkel, in dem sich die beiden ebenfalls identischen Mikrofone zueinander befinden, das Stereobild. Bei manchen kompakten Aufnahmegeräten wie etwa der Zoom H6, welche fest an das Gehäuse angedockte Mikrofonkapseln besitzen, lässt sich der Öffnungswinkel des Stereofelds durch Verdrehen der Kapseln stufenlos zwischen 90 und 120 Grad verstellen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Stereobild durch Lautstärkeunterschiede. Da sich die Membranen im Idealfall am gleichen ort befinden, gibt es auch keine Phasenprobleme. Allerdings ist das Raumgefühl geringer als bei AB Mikrofonierung.
Befinden sich die wichtigen Tonereignisse eher in der Mitte, besonders natürlich wenn man Sprache aufnimmt, sollte man den kleinsten Öffnungswinkel wählen. Handelt es sich aber eher um eine Atmo von weiter entfernten Schallquellen, sollte man den größeren Öffnungswinkel wählen, weil das die Stereobasisbreite vergrößert.
Ganz gleich, ob man mit AB oder XY Mikrofonierung arbeitet, jedes Verfahren hat Vor,- und Nachteile und vor allem wird das Stereobild bereits bei der Aufnahme festgelegt. Das ist aber nicht immer wünschenswert. gerade beim Filmton kann es sein, dass man nachträglich gerne die Stereobreite des Tons dem Bild anpassen möchte. Bei AB und XY geht das aber leider nicht, deshalb ist das im folgenden kurz vorgestellt Verfahren gerade beim Filmton der Gold-Standard.
MS-Stereophonie
Bei der MS-Sterophonie werden ein Richtmikrofon mit Nieren oder besser Keulencharakteristik und eine quer dazu angeordnete Mirkofonkapsel mit einer Acht als Charakteristik kombiniert. Das Richtmikrofon ist nach Vorne ausgerichtet, das repräsentiert die Mitte (M) und die Acht ist zu den beiden Seiten empfindlich und wird durch das (S) repräsentiert. Derartige Aufnahmen können später in der Tonmischung durch hinzufügen des jeweils anderen Kanals mit gedrehter Phase in ihrer Stereobasisbreite verändert werden. Deshalb ist die MS-Sterophonie für Filmzwecke besonder zu empfehlen. Was es dabei alles zu beachten gibt, erklären wir Euch in unserem Kapitel über die MS-Stereophonie.
Weitere Alternativen
Es gibt nochverschiedene Mischverfahren der oben genannten Mikrofonierungen, so etwa das in Frankreich verbreitete ORTF-Stereoverfahren, bei dem zwei Mikrofone mit Nierencharakteristik in einem Winkel von 110°, und mit einem Abstand ca. 17 cm zwischen den Kapseln (was ungefähr dem Abstand der menschlichen Ohren entspricht) angeordnet sind. Oder auch das Blumlein-Stereoverfahren bei dem zwei Mikrofone mit Achter-Charakteristik in 90 Grad Winkel übereinander angeordnet sind. Eine weitere Alternative, die aber nur für Kopfhörer-Wiedergabe geeignet ist, war die Kunstkopf-Stereophonie.
Wer es noch räumlicher und vielseitiger haben möchte, kann seine Atmos auch mit einem Ambisonics-Mikrofon aufnehmen, wie es bei VR Aufnahmen Verwendung findet, dann weitet sich das Stereobild zu einem 360 Grad Rundumton.