Hörspiele waren über viele Jahrzehnte ein ungemein kreatives und beliebtes Genre, bis sie von der Reizüberflutung überrollt wurden. Menschliche Erfahrungen zu Klang werden lassen, Geschichten erzählen, die man mit geschlossenen Augen erfahren kann,- das und noch viel mehr, ist Hörspiel. Mit dem Bedeutungsverlust des Radios sank auch die Beliebtheit der Hörspiele. Doch die digitale Welt hat sie zurückgeholt. Und sie haben weitaus mehr mit Kino zu tun, als die meisten Menschen vermuten. Sie waren Vorläufer des Sound-Designs, wie wir es heute kennen.
Fantasiebeschleuniger
In Zeiten, als das Fernsehen noch kein Massenmedium war, gelangen im Radio immer wieder Kunsttsücke, die auf die Fantasie ihrer Zuhörer setzten. Legendär etwa die Hörspielversion von "Krieg der Welten", bei der Orson Welles 1938 Regie führte und den Angriff von Außerirdischen auf die Erde nahtlos in ein laufendes CBS Musikprogramm hinein integrierte. Tausende Amerikaner in New York und New Jersey, die das Hörspiel 1942 hörten und für eine reale Reportage hielten, versuchten mit ihren Autos vor der angeblichen Gefahr durch Außerirdische zu fliehen. Eine frühe Variante von Fake News, welche zeigte, welche Kraft Hörspiele besaßen.
Auch wenn die damaligen Auswirkungen sicherlich etwas übertrieben dargestellt wurden, so haben akustisch aufbereitete Geschichten Möglichkeiten, die sicherlich das Sound-Design von Filmen entscheidend geprägt haben. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Walter Murch, jener amerikanische Editor, der den Begriff "Sound-Design" prägte, 1958 die Neubearbeitung des Tons von Orson Welles Film "Touch of Evil" machte. Murch arbeitete später unter anderem am Ton von "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola.
Wer fühlen will, muss hören
Lange Zeit war Radio das Fernsehen der armen Leute und äußerst beliebt. Vieles, was wir heute an Genres aus dem Fernsehen, Streaming oder Internet kennen, hatte seine Vorläufer im Radio. Die Option, auch bewegte Bilder sehen zu können, hat dann den Siegeszug des Fernsehens über das Radio eingeläutet. Trotzdem können Sound Designer heute noch von den herausragenden Höspiel-Ereignissen früherer Jahrzehnte lernen.
Wichtige Hörspielautoren und Regisseure sind bzw. waren Wolfgang Schonendorf, Paul Plamper, Ulrich Gerhardt, Walter Adler, Barbara Plensat, Ulricke Müller und Susanne Janson um nur eine kleine Auswahl zu nennen.
Eine Übersicht wichtiger Hörspielregisseure*innen findet sich auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:H%C3%B6rspielregisseur
Es gibt eine Datenbank mit allen Hörspielen der ARD:
http://hoerspiele.dra.de/index.php
Ähnliche Herstellungsprozesse
Die Beschänkung, dass man kein Bild zur Verfügung hatte, zwang die Hörspielregisseure jedenfalls dazu, sich Gedanken zur emotionalen Wirkung der Tonebene zu machen. Und genau das ist schließlich der Bereich, an dem Sound-Designer heute arbeiten, wenn Sie das Storytelling und die Emotionalität von Filmen auf der akustischen Ebene unterstützen wollen.
Hörspielregisseure müssen für ihre Arbeiten in der Vorbereitung beispielsweise Geräuschdatenbanken durchsuchen um die optimalen Bestandteile für das jeweilige Hörspiel herauszusuchen, die dann, wenn das Projekt in Produktion geht, alle bereits zur Verfügung stehen. Das können leicht mehrere Hundert bis Tausend Atmos und Geräusche sein. Ähnlich wie bei einem Film, werden genauso die Sprecherstimmen ausgewählt. Welche Stimmen passen am besten zu den Figuren des Hörspiels, auch hier helfen Datenbanken.
Später, wenn die Stimmen aufgenommen werden, kommen die Sprecher-innen ins Studio und arbeiten mehrere Tage lang (für 90 Minuten hat man ca. 5 Tage Zeit) an den optimalen Betonungen, Satzmelodien und Wirkmechanismen. Danach werden die Sprachaufnahmen mehrere Tage lang geschnitten und anschließend beginnt die Vertonung mit Atmos und Geräuschen. Das sind recht ähnliche Abläufe, wie wir sie auch aus der Postproduktion von Filmen kennen.
Die Konkurrenz durch andere Medien und der zeitliche Zwang, sich auf Sendezeiten der Radioanbieter einstellen zu müssen, haben den Hörspielen lange Zeit zugesetzt. Regisseure*innen, Toncutter und Sound Designer können sich von starken Hörspielen auch heute noch inspirieren lassen und eine Menge für die Arbeit am Soundtrack lernen. Seit es Hörbücher und neue Plattformen online gibt, werden Hörspiele nun als Stream jederzeit anwähl,- und fortsetzbar auf Plattformen wie Audible angeboten.