Eigentlich würde man erwarten, dass es im Netz zahllose Berichte darüber geben müsste, wie die frühen Jahre der HFF ausgesehen haben. Doch dem ist nicht so, da gibt es so gut wie gar nichts. Und das bei der wohl wichtigsten deutschen Filmhochschule, die 1967 gegründet wurde und 2017 ihr 50 jähriges Bestehen feiert.
Und eigentlich sah es längere Zeit so aus, als würde dieser Rückblick ausschließlich in Schwarzweißbildern erzählt, so wie man das so kennt, wenn etwas schon sehr lange zurückliegt. Doch dank akribischer Suche und schwierigen Scans, war es möglich, die ausgehenden Siebziger dann doch so zu zeigen, wie sie waren, nämlich farbig und ab und an schrill. Unser Geburtstagsgeschenk an die HFF sozusagen...
Hier ist übrigens unser Bericht von der großen 50 Jahre Jubiläumsparty
Ende Siebziger, Anfang 80 er Jahre
Man kann es sich kaum vorstellen, wie die Münchner Filmhochschule in den frühen Jahren aufgestellt war. Als ich dort begann, gab es die Schule bereits 12 Jahre. Fassbinder war mangels Begabung abgelehnt worden, Wim Wenders und Kenan Ormanlar hatten bereits abgeschlossen und da man die Jahrgänge mit Buchstaben benannte, waren wir der L-Kurs. Zumindest ab Ende der 70er kann ich also recht gut darüber berichten, wie es sich anfühlte, dort zu studieren.
Weit verstreute Filmausbildung
Die HFF verteilte sich in München auf mindestens fünf verschiedene Gebäude, von denen nur die beiden in Schwabing, also Ohmstraße und Kaulbachstraße, einigermaßen nahe beieinander lagen.
Kinosaal, Büros der Abteilung 3 Spielfilm/Fernsehspiel sowie die Bibliothek waren in der Kaulbachstraße, gegenüber dem Institut Francais in einer alten Villa untergebracht. Der Kinosaal war eher ein Saal mit Leinwand, als ein Kino, voller Kronleuchter und Goldverzierungen. Dafür hatte er einen Balkon, auf den man auch herausgehen konnte.
Die Verwaltung der Abteilung IV, Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik war in der Ohmstraße im Erdgeschoss in einer etwa 5,- oder 6 Büroräume umfassenden Wohnung. Im elften Stock des BR-Funkhauses in der Arnulfstraße gab es ebenfalls Unterrichte der Dokumentarabteilung in Sitzungsräumen und das Büro von Frau Mick, die all das organisierte.
In Freimann, auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks im Haus 5 gab es ebenfalls einen Sitzungsraum in dem Unterrichte stattfanden. Dort fand auch unser erstes Seminar statt bei dem Helmut Öller jedem Dokumentarfilm-Studierenden eine Schwarzweißpostkarte mit einer Luftaufnahme des BR Geländes in Freimann schenkte. Sein Postulat lautete: "Ich bin nicht an Problemen, ich bin an Lösungen interessiert."
Die Spielfilm-Studenten saßen zur gleichen Zeit im Filmsaal in der Kaulbachstraße auf edlem Parkett und Wolfgang Längsfeld verkündete ihnen: „Ihr seid die Elite Deutschlands“.
Stand der Technik
Wenn man Filme schaute, so waren dies entweder echte analoge Filmkopien, die projiziert wurden oder wenn es reine TV Filme waren, so schaute man diese mit einem VCR Rekorder, jenem frühen Amateurvideosystem, welches pro Kassette maximal 1 Stunde Programm abspielen konnte. Professionelle Videoformate damals waren U-Matic und die hochschuleigenen Videokameras arbeiteten, wie auch die Displays oder besser gesagt Monitore, mit Röhren.
Und dann gab es noch in einem Seitenflügel des Prinzregententheaters, was damals noch geschlossen war und keinen Theaterbetrieb hatte, im Erdgeschoss Schneideräume , mit Steenbeck-Tischen an welche die Klebeladen mit Ketten festgeschraubt waren. Bei jedem Schnitt rasselten die Ketten leise. Die ursprünglich größeren Räume waren durch Span,- oder Gipswände abgetrennt, sodass man die Töne aus dem Nachbarschneideraum mehr als deutlich hören konnte und musste.
Im ersten Stock befand sich die Tonmischung, ein Hörsaal und weitere Technikräume, im Erdgeschoss auch die Geräteausgabe von Licht, Kamera,- und Tonequipment. In Pausen konnte man sich im Innenhof des Prinzregententheaters aufhalten oder man ging in die Kantine im Keller des anderen Seitenflügels in der es sehr bayerisches Essen aus gigantischen Töpfen gab und ein eher rauher Umgangston beim Bestellen herrschte. Berüchtigt war der Milchreis, der mit einer Riesenkelle auf tiefe Teller gehäuft wurde. Je nach Sympathiebonus landete mehr oder weniger zerlassene Butter und Zimt auf dem klebrigen Reishaufen.
So war man sehr viel in der Stadt unterwegs und kam dabei aber auch viel mit anderen Künsten (im Prinzregententheater probte das Orchester und es gab Probenräume für das Ballett) oder der professionellen Welt der Medien (etwa auf dem Gelände des bayerischen Rundfunks) in Berührung.
Die Professoren damals hießen Längsfeld (Spielfilm), Dr. Schreyer (Dokumentarfilm, Dr. Müller (Technik), Dr. Messerschmidt (Technik) Dr. Reimers (Kommunikationswissenschaften), Dr. Monika Lerch-Stumpf (Kommunikationswissenschaften). Für die Herstellung der Filme waren in der Spielfilmabteilung Tilmann Taube und Gisela Hundertmark, in der Dokumentarabteilung Evi Stangassinger und Reinhard Stegen zuständig. Filmgeschichte lehrte Helmut Färber. Assistent in der Abteilung 2, Kommunikationswissenschaften, war Rüdiger Steinmetz.
Film war Pflicht und Equipment gnadenlos schwer
Gedreht wurde Ende der 70er Jahre in 16 und 35mm mit durchaus betagten Arri Kameras, gerne auch mit der 35 2C oder auch der Arri 16 BL. Die Stative waren zum Teil noch aus Holz. Anfang der 80erjahre gesellten sich auch Arri 16 SR Kameras dazu.
Ton nahm man selbstverständlich mit der robusten und sehr schweren Nagra III oder IV auf 13cm Spulen Schmalband auf. Wenn man Pech hatte, bekam man aber auch die viel schlechtere Uher Report Tonbandmaschine oder eine noch Schlimmere von Tandberg. Die Lavaillermikrofone waren groß wie Hühnereier und wurden dem Interviewten an einer Kordel um den Hals gehängt.
Entwickelt wurde das Filmmaterial möglichst preiswert, also etwa bei Helmut Rings oder wenn etwas mehr Budget vorhanden war bei der Bavaria oder sogar bei Geyer. Die Muster waren aus Kostengründen, selbst wenn man auf Farbnegativ gedreht hatte, in Schwarzweiß und natürlich drehten die Spielfilmer auf 35mm und die Dokumentarfilmer auf 16mm.
Dass viele Dokumentarfilm-Studenten Spielfilme drehten, war schon damals üblich, irgendwie verstand sich die Dokumentarabteilung als Korrektiv der Spielfilmabteilung.
Geschnitten wurde auf Steenbeck-Schneidetischen, um Töne AB-legen zu können, füllte man die Leerstellen mit gelöschtem Perfoband auf. Nur für Abschlussfilme gab es das beliebte, farbig eingefärbte „Blaustatisch“. Der Mitarbeiter, der die Schneidetische verwaltete und das notwendige Material für den Schnitt verwaltete, trug einen grauen Kittel.
Um Klebeband für den Bildschnitt oder weißes Tonklebeband für den Tonschnitt musste man betteln, weiße Fettstifte gab es nur, wenn man einen winzigen Stummel des abgenutzten und bis zuletzt immer wieder angespitzten Fettstiftes (zum Beschriften der Filmstreifen) vorlegte.
Gemischt wurde natürlich mit Perfomaschinen von Killi oder Siemens, man konnte etwa 8 analoge Spuren gleichzeitig zusammenmischen und natürlich war das Mischpult manuell und ohne Automation. Über diesen Bereich herrschte Herr Bamberg.
Da die technischen Kapazitäten oft nicht reichten, konnte man auch beim bayerischen Rundfunk Filme mischen oder auch zusätzliches Equipment ausleihen. Auch das Tonarchiv des BR sowie Studios für Sprachaufnahmen standen, wenn Kapazitäten frei waren zur Verfügung. Dann konnte es auch mal passieren, dass in der sogenannten Schwimmhalle, dem Vorraum zu mehreren Mischateliers, Gustl Bayrhammer und Hans Clarin grummelnd bzw. piepsend Dialogpassagen für Pumuckl übten, während man seinen ersten hochdramatischen Übungsfilm abmischte. Tonlöcher in dem Mischspuren wurden auch gerne mit Atmoschleifen aufgefüllt, das waren Schmalbänder mit irgendwelchen Atmos wie Straßenlärm, Vogelgezwitscher oder Menschengemurmel, deren Ende, wie der Name schon sagt, an den Anfang geklebt war und die endlos an einem Tonkopf vorbei liefen.
Eigene Fahrzeuge hatte die HFF nicht, insbesondere für Dreharbeiten war dies ein regelmäßiges Problem bzw. ein spürbarer Kostenfaktor. Manchmal halfen Autohersteller aus und sponserten für die Drehzeit einen Transporter.
Ins neue Jahrtausend
Nach und nach bekam die HFF mehr und mehr Mitarbeiter, ein Vielfaches der ursprünglichen Anzahl Ende der Siebziger Jahre. Auch die Zahl der Professor-inn-en erhöhte sich, wobei manche klingende Namen haben, aber recht selten im Hause sind und natürlich wurden weitere Studienrichtungen eingeführt. 1988 zog die HFF endlich in ein gemeinsames Gebäude, in eine ehemalige Bettfedernfabrik an der Frankentaler Straße in München Giesing. Plötzlich gab es ein Fernsehstudio und ein richtiges Kino sowie einen Innenhof, in dem man vortrefflich feiern konnte. Das Gebäude war zwar nicht riesig, doch vielleicht war es gerade das, was die Teamarbeit und das Miteinander an der Hochschule auf geniale Weise beförderte.
Nach dem neuerlichen Umzug in das jetzige Gebäude im Museumsviertel war plötzlich fast schon ein wenig zuviel Platz vorhanden, Jeder hat ein eigenes Büro und verschwindet hinter der verschlossenen Türe, während die Gänge lang sind und oft ausgestorben wirken. Kommunikativer jedenfalls, auch was die Mitarbeiter-innen angeht, was das kleinere Gebäude in Giesing. Man durfte Filmplakate aufhängen und musste nicht dauernd die engen Regelwerke eines architektonischen Gesamtkunstwerks beachten.
Wie auch immer, die HFF wird weiter Generationen von Nachwuchsfilmern mit allen erdenklichen medialen Geschmacksrichtungen auf die Medienwelt vorbereiten. Wir jedenfalls gratulieren der HFF und wünschen ihr Glück und gute Entscheidungen für die nächsten 50 Jahre.