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Steadicam-Dreh für "Liebe, Leben, Tod" (DOP: Jörg Widmer, Regie: Mathias Allary)

 

Chancen und Risiken

Die Franzosen nennen sie "plan-séquence", die Amerikaner "Long take" oder "Sequence Shot" und im Deutschen sprechen wir von der "Plansequenz". Eine ganze Szene in einer Einstellung zu drehen, ist eine Herausforderung, der sich nur wenige Filmleute stellen. Zu viele Fehler können passieren, zu komplex das Timing und zu viele Richtungen müssen gleichzeitig ausgeleuchtet und bespielt werden. Während man bei konventioneller Auflösung stets nur die Einstellung wiederholen muss, in der ein Fehler passiert ist, hat man bei der Plan-Sequenz in solchen Fällen die gesamte Szene zu wiederholen.

Auch das Tempo, in dem Abläufe oder auch Perspektivwechsel in der Szene umgesetzt werden, lässt sich in der Plansequenz nachträglich nicht mehr verändern. Damit gibt man ein wichtiges Gestaltungsmittel oder eine Korrekturmöglichkeit, nämlich das Kürzen oder Verlängern von Pausen in der Montage des Films (Filmschnitt) auf. Wer selber Schnitterfahrung mit Spielfilmen hat, weiß was das bedeutet. Wenn die Pause bevor man beispielsweise auf ein anderes Gesicht umschneidet, in der Länge verändert wird, kann das die ganze Wirkung verändern.

Schließlich kann man die einmal in einer Einstellung gedrehte Szene nicht mehr im Schnitt beschleunigen, verlangsamen oder irgendwelche Rampen innerhalb des Timings erzeugen. Wenn es einmal so als One Shot gedreht ist, dann bleibt das auch so.

Für die Schauspieler können durchgehend gespielte Szenen durchaus Vorteile haben. Denn auf diese Weise können sie emotionale Bögen in einem durch entwickeln und aufbauen und müssen sie nicht wie bei der Auflösung in vielen Einstellungen quasi häppchenweise "abliefern".

Für das Kamera-Department ist die Arbeit mit dem Licht sehr fordernd. Insbesondere bei künstlich beleuchteten Innenräumen stellen die zumeist mit Steadicam oder Gimbal umgesetzen langen Fahrten eine echte Herausforderung dar. Wo soll man Scheinwerfer verstecken? Kann alles mit Practicals gelöst werden? Wird eine mobile Lichtquelle (z.b. LED-Flächenleuchte) mit der Kamera mitgeführt? Wo drohen Spiegelungen im Motiv

 

Limits

Und dann waren da neben den menschlichen Faktoren in der Vergangenheit auch noch die technischen, ganz erheblich. Vor allem der analoge Film begrenzte das Vergnügen der langen Einstellungen schlicht durch die verfügbare Filmkonfektionierung (Maximale Längen des Rohfilms) und durch die Größe der Filmkassetten an den Filmkameras begrenzt. Im Kino des analogen Films war die Lauflänge einer Rolle Film abhängig von dem Aufnahmeformat (65, 35, 16 Millimeter) begrenzt auf 20 Minuten. Dann musste die Filmkassette gewechselt werden.

Aus diesem Grunde war es bereits etwas Besonderes, wenn man ganze Szenen in einer Einstellung drehte. Einige besonders herausragende Plansequenzen gehören unauslöschlich zur Filmgeschichte. Legendär etwa ist die Eröffnungssequenz zu "Touch of "Evil" von Orson Welles aus dem Jahre 1958.

 

 

Ebenso berühmt ist die Eröffnungssequenz von Robert Altmans (Regie) "Der Spieler / The Player" von 1992. Im Folgenden Ausschnitt ist nur der Anfang der Plansequenz zu sehen, aber man bekommt einen Eindruck von der Arbeitsweise und Wirkung:

 

 

Hier eine hervorragende One-Shot Szene aus Goodfellas (1990, Regie: Martin Scorsese),- wie die meisten One-Shot Szenen mit der Steadicam gedreht

 

 

Spektakulär ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Eröffnungssequenz von "Sprectre", dem James Bond von 2015 (Regie: Sam Mendes)

 

 

Schwierig an solchen aufwändigen One-Shot Sequenzen ist natürlich die Erwartungshaltung der Zuschauer. Oft kann dann der restliche Film nicht mit diesem visuellen Feuerwerk mithalten. Sam Mendes, der Regisseur von Spectre hat sich konsequenterweise einige Jahre nach dem Bond-Film den Luxus eines vollständig in einer durchgehenden Einstellung gedrehten Films erlaubt,- nämlich mit dem Kriegsdrama 1917.

Dass One-Shot Szenen sehr präzise durchchoreografiert werden müssen, zeigt sich besonders bei Kampfszenen. Die lange Einstellung soll zugleich beweisen, wie fit die jeweiligen DarstellerInnen sind, weil sie alle Kampfhandlungen ohne Unterbrechnung durchspielen.

Hier als Beispiel für die choreographierten Kampszenen "The Protector" (2005, Regie: Prachya Pinkaew)

 

 

One Shot Szenen stellen hohe Anforderungen an SchauspielerInnen und Team und sind deshalb besonders hoch angesehen unter Filmkennern. Einige haben es deshalb geschafft, in die Filmgeschichte einzugehen. In Zeiten der digitalen Cinematographie spielt die Aufnahmedauer des Aufzeichnungsmediums keine Rolle mehr. Hier liegen die Limits eher bei den Kräften der Kameraleute, der Fehlerfreiheit der Abläufe oder auch schlicht dem Sinn der vorgesehenen Länge. Auf diese Weise sind ganze abendfüllende One-Shot Filme entstanden.

 

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