Vergleichen wir die Stativkamera mit dem Menschen, so können wir das Drehen des Kopfes und das Wandern unsers Blickes wohl am ehesten mit dem Schwenk einer Kamera vergleichen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Bildausschnitt ohne Umschnitt zu verändern. Die verschiedenen Schwenkarten sind die am einfachsten zu realisierenden Varianten. Schwenk ist eine filmische Bewegungsart, die durch Bewegung der Kamera von Hand oder auf einem Schwenkkopf in ihrer horizontalen oder vertikalen Achse entsteht.
Schwenkebenen
Wir kennen unterschiedliche Ebenen des Schwenks: Den horizontalen Schwenk, der, wie der Name schon sagt, entlang eines tatsächlichen (Landschaft) oder gedachten (Räume, gestaltete Umgebung, Architektur) Horizonts verläuft, den vertikalen Schwenk, der von oben nach unten (etwa vom Himmel zur Erde) und umgekehrt führt, und die gleichzeitige Kombination aus beiden Schwenkrichtungen, welche zu Diagonalen führt. Alle Schwenkebenen können selbstverständlich innerhalb eines Schwenks nacheinander folgen.
Aufgaben und Möglichkeiten
Schwenks können ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie ermöglichen einen größeren örtlichen Überblick. Sie ermöglichen es, bewegten Personen oder Objekten zu folgen. Sie führen den Blick des Zuschauers in die gewünschte Richtung. Sie können von einer zur nächsten Einstellung hinüberleiten. Sie können unterschiedliche Inhalte/Personen miteinander verbinden und damit ähnliche Funktion wie Schnitte übernehmen. Sie können das Tempo und den Rhythmus von Szenen mitgestalten. Sie können bei Subjektiven den Rundblick von Filmfiguren oder deren Suche nach Irgendetwas oder Irgendjemandem simulieren. Sie können durch Hin- und Herschwenken etwa Schaukelbewegungen sowie Rauschzustände und Trunkenheit als Subjektive vermitteln. Schwenks besitzen auf diese Weise filmsprachliche Qualitäten. Deshalb muss man sie auch hinsichtlich ihrer Wahl, der Schwenkrichtung und der Schwenkgeschwindigkeit in den Gesamtduktus einer Szene oder eines Films einbinden.
Schwenkgeschwindigkeit
Die Schwenkgeschwindigkeit hat direkten Einfluss auf das gefühlte Erzähltempo. Durch einen betont langsamen Schwenk kann die Zeit gedehnt, verlangsamt werden, durch schnelle Schwenks beschleunigt. Folgt der Schwenk sich bewegenden Personen oder Gegenständen, so wird die Schwenkgeschwindigkeit meistens durch diese vorgegeben. Wenn es aber kein gleichbleibendes Objekt oder keine Person gibt, der man folgt sondern diverse, durch die Kamera abgetastete unterschiedliche Objekte, etwa die Auslagen eines Marktstandes, so orientiert sich die Schwenkgeschwindigkeit an der Komplexität der Inhalte, welche der Zuschauer erfassen soll. Je mehr Details der Zuschauer erkennen soll, desto langsamer sollte der Schwenk sein.
In diesem Zusammenhang ist übrigens auch die Auflösung zu nennen: 4K muss langsamer geschwenkt werden als 2K. Auch hier ist die Menge der Details relevant. Auch ist sie abhängig von der Brennweite. Teleaufnahmen mit langer Brennweite müssen in der Regel langsamer geschwenkt werden, als Weitwinkelaufnahmen mit kurzer Brennweite. Die lange Brennweite vergrößert nicht nur die abgebildeten Objekte, sondern auch die Schwenkgeschwindigkeit.
Eine technische Begrenzung der Schwenkgeschwindigkeit wir ferner durch den sogenannten Shutter-Effekt vorgegeben. Wenn der Schwenk so schnell ist, dass innerhalb eines einzelnen Filmbildes nicht nur eine sondern mehrere Schwenkphasen belichtet werden, taucht dieser Bildfehler auf. Insbesondere senkrechte Linien im Motiv erzeugen, wenn man Horizontal über sie hinweg schwenkt, Dopplungen und zitternde Abbilder, wenn die Schwenkgeschwindigkeit höher ist als die Bewegungsauflösung des Aufnahmeformates. So muss man bei einer Filmkamera, die 24 oder 25 Bewegungsphasen (Bilder) pro Sekunde aufnehmen kann, bei Horizontalschwenks deutlich langsamer schwenken, als etwa bei Video mit 50 Halbbildern pro Sekunde. Gleiches gilt auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten (16, 12, 8 B/Sek. Usw.) etwa bei Zeitraffer. Besonders für Kameraleute, die vom Video in SD (Standard Definition) und seinen Halbbildern eine höhere Bewegungsauflösung gewohnt sind, ist es schwer, bei Videokameras 24P oder 25P die notwendige langsamere Schwenkgeschwindigkeit einzuhalten.
Motivation und Aufgaben
Gleitende Schwenks sollten möglichst immer motiviert sein. Sie können dem Zuschauer, je nach gewählter Schwenkweise Informationen gesichert darbieten, oder aber diese suchend, forschend im Bild einfangen. Sie können beobachtend, abwartend sein, können eine Situation analytisch abtasten, wie ein Mensch, der ein fremdes Zimmer zum ersten Mal betritt.
Schnelle Schwenks haben häufig besondere Aufgaben. Sie können unerwartete Dinge aufzeigen, plötzliche Reaktionen der Filmfiguren ins Bild bringen, können Kontrahenten noch kontrastierender als durch Schuss-Gegenschuss aufeinander prallen lassen. Sie können ganze Szenen ohne Schnitt erzählen, zwischen Dialogpartnern hin und herwechseln. Schnelle Schwenks sind selten ziellos, ihre Aufgabe ist es, gezielt auf eine Bildinformation hinzuweisen. Ausnahme sind Situationen, in denen etwa der panische, schnelle Suchblick einer Filmfigur etwa in gefährlichen Situationen als Subjektive gezeigt werden soll.
Sonderfall: Reißschwenk
Unter einem Reißschwenk versteht man eine besondere Variante des Schwenks, die keine Wahrnehmung der überschwenkten Objekte erlaubt. Dabei wird vor oder nach einer ansonsten ruhigen Einstellung die Kamera sehr schnell auf dem Schwenkkopf oder aus der Hand herumgerissen. Häufig verwendet man sie um aus einer Einstellung in eine andere Szene wechseln zu können. An einen Reißschwenk der etwa am Ende einer festen oder normal geschwenkten Einstellung ansetzt, kann man fast unbemerkt einen weiteren in der gleichen Richtung anschneiden, der dann wiederum auf einem Stand enden kann.
Planung
Der Anfangs- und Endpunkt eines Schwenks sollte zeitlich und inhaltlich optimal gewählt werden. In den meisten Fällen ist es angebracht, langsam anzuschwenken bis man seine Schwenkgeschwindigkeit erreicht hat und am Ende auch wieder sanft abzubremsen. Schwenks sollte man üben, sollte man durch Dinge im Bild genau definieren. Wenn man weiß, was kurz vor dem Erreichen der Endposition ins Bild kommt, kann man rechtzeitig abbremsen. Die Bewegungsrichtung spielt eine große Rolle, wie der Schwenk auf den Betrachter wirkt. Dabei ist der Kulturkreis nicht unwichtig, wo von links nach recht, oben nach unten gelesen wird, empfindet man diese Schwenkrichtungen eher als natürlich, als naheliegend.