Digital automatisch genial?
Es ist mittlerweile ein paar Jahrzehnte her, da amüsierten die Audiophilen sich über den Versuch, analoge Tonwellen in winzige Bits zu zerlegen und später wieder zusammenzusetzen. Inzwischen wurden sie, zumindest teilweise, von der Qualität digitaler Aufzeichnungstechnik überzeugt. Lange Zeit wurde die digitale Aufzeichnung von Audiosignalen als eine Art Demokratisierung der Qualität gefeiert. Die Tonqualität wird nicht mehr durch Bandmaterialien oder Tonköpfe beeinflusst, sie ist schlicht durch Binärcode festgelegt und jedes Gerät spielt die gleichen Dateninformationen ab. Digitale Kopien sollten identisch sein, die totale Reproduzierbarkeit einheitlicher Ergebnisse schien erreicht.
Doch schon bald zeigten sich erste Unterschiede. Man diskutierte über Wandler, über Prozessoren und über ein gefürchtetes Phänomen, genannt Jitter. Heute, wo mehr und mehr digitale Geräte bei der Aufnahme und Bearbeitung von Filmton zum Einsatz kommen, sollte man sich über die heimlichen, die verborgenen Qualitätsunterschiede Gedanken machen.
Verbindungen
Bei der digitalen Signalübertragung müssen die miteinander verbundenen Geräte aufeinander synchronisiert werden. Dies geschieht durch ein Mastergerät, dessen Takt die anderen Geräte als Slave folgen oder durch einen Haustakt, an dem alle Geräte gleichberechtigt hängen. Der Takt kann über die Schnittstelle oder durch Wordclock weitergegeben werden. Die digitalen Toninformationen, die in Form von Binärcode aufgezeichnet oder abgespielt werden, sind entweder an eine Zeitinformation gekoppelt oder beinhalten sie sogar im gleichen Signal. SPDIF (Sony/Phillips) oder AES/EBU sind solche Signale mit eingeschlossener Zeitinformation. Der User bekommt von dieser Synchronisation gar nichts mit.
Ursachen für Jitter
Die Zeitinformation wird meist über ein Rechtecksignal transportiert, dessen Wechsel zwischen High und Low den Takt festlegen. Wenn diese Abstände mehrmals hintereinander nicht konstant sind, so haben wir Jitter im Signal. Das Slave-Gerät stellt den internen Takt permanent nach, das Verfahren nennt sich PLL (Phase Locked Loop). Dieses Nachstellen geschieht extrem schnell sodass wir es nicht hören können. Die Regelvorgänge verursachen aber Abweichungen der Soll-Abtastfrequenz, diese nennt man Jitter.
Jitter ist, wie das Wort sagt, eine Art Vibration, es sind Abweichungen eines Ereignisses. Es handelt sich also um Phasenschwankungen digitaler Art. Mal tritt es früher, mal später ein. Die Zeitspanne zwischen dem frühesten und dem spätesten Auftreten nennt man "peak to peak jitter amplitude."
Ungenauigkeiten des Taktgebers, meist Quarz-Oszillatoren, aber auch Schwankungen in der Spannungsversorgung können Jitter verursachen. Ebenso beeinflussen etwa die Motoren in Geräten, z. B. CD-Playern oder DAT-Rekordern Schwankungen, die zu Jitter führen können. Auch Fehlanpassungen in der Impedanz verschiedener Geräte oder Einstreuungen (Störsignale) auf dem Kabelweg können Ursachen sein. Ein kritischer Punkt sind auch Computer-DSP-Karten. Durch ihre Anbindung an Host-Computer und die Nähe zu den computereigenen Oszillatoren ist es sehr schwierig und aufwändig, einen sauberen, jitterfreien Takt zu erzeugen. Auch die Schaltnetzteile in den Computern sind selten absolut stabil und sauber, weitere Schwachstellen sind die Masseverbindungen in den Rechnern. Die beliebten Plug-Ins können auf diese Weise weiteren Jitter dem Signal hinzufügen.
Kann man Jitter hören?
Es kommt darauf an. Der Ort, an dem Jitter entsteht, ist die A/D-Wandlung, hörbar wird er bei der D/A-Wandlung. Dort wird zwar jedes Sample präzise mit dem richtigen Spannungswert wiedergegeben, aber zeitlich gegeneinander verschoben. Das führt zu einer Verzerrung der Signalform. Wir der Jitter abhängig vom aufgezeichneten Tonsignal erzeugt, so entsteht eine Art Intermodulationsverzerrung, ist es eher beliebig, wird Rauschen hörbar.
Generell wird das Klangbild unpräziser. Man kann einzelne Ereignisse oder Musikinstrumente schlechter von anderen separieren, der Klang wird unklarer, breiiger. Aufnahmen mit geringem Jitter wirken transparenter, haben feinere Höhenauflösung und sauberere Basswiedergabe. Auch der Dynamikumfang, der bei einer einwandfreien Wandlung über 120 dB betragen kann, wird durch Jitter auf Werte um die 100 dB verringert. Häufig kommt es vor, dass eine Aufnahme, die man mit dem DAT-Rekorder gemacht hat, nach dem Überspielen auf CD von der CD viel besser klingt. Konstruktionsbedingt werden die digitalen Daten von einer CD viel gleichmäßiger ausgelesen als vom DAT-Band, welches Dehnung, unterschiedliche genauem Bandlauf und anderen Widrigkeiten ausgesetzt ist. Hier sind viel größere Regelvorgänge erforderlich, um ein gleichmäßiges Taktsignal zu erreichen.
Also doch!
Auch wenn viele Hersteller das verneinen: Es gibt eben doch Unterschiede zwischen digitalen Geräten. Die Präzision der mechanischen Antriebe spielt eine große Rolle, ebenso die Regelkreise der Spannungsversorgung. Einige Hersteller nutzen Riemenantrieb für die CD-Laufwerke, um höheren Gleichlauf zu erzielen, bauen die Laufwerke mechanisch robuster, die Netzteile aufwändiger auf. Die Quarze der internen Taktgeneratoren der meisten Consumer-Geräte sind 50-Cent-Produkte und weisen keine wirklich hohe Signal-Stabilität auf. Die Güte und die Länge von Digital-Kabeln hat ebenfalls Einfluss auf Jitter. Damit kann der Klang einer angeblich ja rein mathematisch identischen digitalen Aufnahme je nach Gerät und Verbindung stark von einander abweichen (digitale Kabel sollten 110 Ohm Innenwiderstand aufweisen). Generell ist symmetrische AES/EBU-Verbindung mit XLR-Kabeln besser als die asymmetrische SPDIF-Verbindung. Optische Signalübertragung ist sicherer als die kabelgestützte. Jedes Gerät, welches in der digitalen Kette hinzugefügt wird, fügt weitere Fehler in der Taktung hinzu. Jitter addiert sich also mit der Anzahl der Geräte.
Wahl der Uhr
Doch auch, wenn ein externer Takt verwendet wird, so kann durch die Kabelübertragung des externen Taktes bereits Jitter entstehen. Wenn man lediglich eine Aufnahme auf das Band aufzeichnen und nicht nachträglich weitere digitale Spuren parallel aufzeichnen will (Multitrack), ist es am sichersten, den eigenen geräteinternen Takt zu verwenden. Analog/Digital-Wandler sollten nach Möglichkeit mit ihrem eigenen Taktgenerator laufen, das gewährleistet höchste Stabilität. Bei nacheinander aufzuzeichnenden Mehrspuraufnahmen steht man jedoch bereits vor dem Problem, dass die Wandler extern synchronisiert werden müssen. In diesem Fall entscheidet die Güte des taktgebenden Generators (Wordclock) über die Präzision der Wandlung. Doch auch die einwandfreie Verkabelung und Verteilung des Wordclock-Signals entscheidet. Nur, wenn es sauber und mit ausreichend hohem Signalpegel am Gerät ankommt, wird der Jitter-Anteil niedrig sein.
Vermeiden Sie Sample-Rate Wandlungen (Conversions), die sind häufig Ursache von Jitter! Moderne Masteringsysteme lesen übrigens das gesamte Audiomaterial in einen Ram-Speicher (Arbeitsspeicher) ein, um beim Brennen einer Master-CD etwa völlig unabhängig vom Clocksignal eines Zuspielers mithilfe eines extrem präzisen Oszillators die sauberen Daten zugreifen zu können.
Jitter ist nicht immer hörbar. Viele Störungen bleiben unbemerkt oder fallen einem nur im direkten Hörvergleich mit "sauberen" Aufnahmen auf. Das Ziel unserer Tonarbeit sollte eine höchstmögliche Qualität sein, bei Neuanschaffungen kann ein Blick auf die Jitter-Messwerte in den technischen Angaben helfen, dieses Ziel zu erreichen. Die Vermeidung von Fehlern bei der Verbindung und Taktung digitaler Geräte ist ein weiterer Schritt, die Signalqualität hochwertig zu erhalten. Mag sein, dass der Aufwand sich für den durchschnittlichen TV-Lautsprecher nicht unbedingt lohnt. Doch man kann nie wissen, ob Ihr nächstes Werk nicht vielleicht im THX-Kino oder auf DVD/Blu-ray zu hören sein wird.