Weichmacher zu kurzlebig
Man glaubt gar nicht, wie viele Geräte ausrangiert werden, weil das darin oder am Gehäuse verwendete Gummi schadhaft wurde. Tipps zur Rettung. Man kennt das, wenn man irgendwo im Keller oder in einer lange nicht aufgeräumten Küchenschublade alte Gummiringe findet. Entweder sind sie bröselig und fallen auseinander, oder klebrig und einfach unbrauchbar geworden. Oder auch die Fahrer von älteren Autos wissen, dass man die Gummidichtungen an den Türen und Fenstern pflegen muss. Leider wird Gummi nicht nur für profane Haushaltszwecke oder Autos eingesetzt, sondern auch in vielen Geräten.
Wer noch alte Videorekorder, Tonbandgeräte oder Kassettenrekorder besitzt, um möglicherweise alte Aufnahmen noch abspielen zu können, kennt das Problem wahrscheinlich. Ein wichtiger Bestandteil des Bandantriebes, der so genannte Capstan, ist eine Gummiandruckrolle, die das Band gegen eine rotierende Achse drückt und damit für den gleichmäßigen Transport des Bandes sorgt. Und genau die Gummiandruckrolle verändert sich mit der Alterung. Die meisten werden mit den Jahren brüchig und hart, statt elastisch- der Bandtransport funktioniert dann nicht mehr einwandfrei. In diesem Fall muss man das Gerät aber nicht gleich wegwerfen. Es gibt ein paar wenige Spezialfirmen, die diese Andruckrollen erneuern können. Vulkanisieren nennt sich der Vorgang.
Deutlich schwieriger kann es werden, wenn Teile des Gehäuses gummiert sind. Etwa bei Objektiven oder kleinen Geräten. Was man beim Neukauf noch begrüßt, weil etwa der Handheld-Soundrecorder besser in der Hand liegt, kann nach ein paar Jahren zu einem echten Problem werden. Es gibt eine Vielzahl von Geräten, die nach einigen Jahren dann plötzlich klebrig werden. Tasten oder das ganze Gehäuse werden klebrig und ziehen natürlich Staub und Fusseln wie ein Magnet an.
Sanfte Lösungen
Im Anfangsstadium kann man die Oberflächen oft noch mit...
Isopropanol-Alkohol wieder neutralisieren
mit Zahnpasta reinigen
mit Waschsoda (Natriumcarbonat) reinigen,
mit Talkum-Puder einreiben
mit Pflegemittel für Neopren-Anzüge einreiben
mit ölfreien Babytüchern einreiben
Doch der einmal einsetzende chemische Vorgang, der offenbar mit den verwendeten Weichmachern / Additiven zusammenhängt, lässt sich nicht gänzlich aufhalten.
Härtere Lösungen
Wenn es sich um eine Gehäuse Gummierung handelt, so kann man diese notfalls, wenn gar nichts anderes mehr hilft, mit Aceton (Nagellackentferner) komplett entfernen. Das ist natürlich eine sehr radikale Lösung und falls sich auf der Gummierung oder auf Tasten Beschriftungen befinden, so verschwinden die natürlich auch. Manche User haben angeblich gute Erfahrungen mit Silikonspray oder Öl gemacht, andere empfehlen Ballistol.
Wir haben auch sehr gute Erfahrungen mit sogenannten Aufkleber und Klebereste Entfernern. (Tesa oder Empfehlung: Mellerud). Allerding ist das mit den Empfehlungen so eine Sache. Es gibt unterschiedlichste Weichmacher Additive in den Gummierungen,- was bei der einen hilft, funktioniert bei der Anderen vielleicht überhaupt nicht.
Gehäuseaustausch
Helfen all die vorherigen Maßnahmen nicht weiter, dann sollte man versuchen, das Gehäuse des Gerätes zu tauschen. Wenn die Veränderungen der Gummierung bei praktisch jedem Gerät einer bestimmten Reihe auftreten, dann ist so etwas meist auch den Herstellern bekannt. Man kann auch versuchen, diese anzuschreiben (Support) und um ein Ersatzgehäuse bitten. Manchmal erhält man das für wenig Geld oder bei manchen, sehr kulanten Firmen sogar kostenlos. Es lohnt sich auf jeden Fall, weil man das Gerät dann wieder viele Jahre weiter verwenden kann.
Hier nun unsere Anleitung für einen beispielhaften Gehäusetausch eines Service-freundlichen Unternehmens:
Beispiel Zoom H6
Wir zeigen Euch am Beispiel des alten Zoom H6, wie man das Gehäuse mit gealterter, klebriger Gummierung gegen ein neues Gehäuse ohne Gummierung austauschen kann. Der Hersteller hat das Problem offenbar auch erkannt und für die neue Version des technisch sehr guten Zoom H6, die Black Edition, ein Gehäuse ohne Gummierung gewählt. Da sich die Anschlüsse und Gehäusemaße nicht verändert haben, kann man das Gehäuse der Black Edition auch als Ersatz für den ursprünglichen H6 verwenden. Grundsätzlich müssen wir Zoom eine aus unserer Erfahrung überraschend große Nachhaltigkeit attestieren. Diverse Ersatzteile sind vorrätig und erlauben es, kleinere Reparaturen selbst vorzunehmen. Kompliment. So sollten es eigentlich alle Hersteller halten.
Achtung! Bei keinem der Arbeitsschritte ist Gewaltanwendung nötig. Alle Teile sollten sich leicht abheben und öffnen lassen. Wenn das nicht leicht geht, dass habt Ihr noch irgendwo eine Schraube vergessen.
Generell ist zu empfehlen, beim Tausch des Gehäuses auch vorsichtig die Folienleiter zu entfernen und das Display zwischenzulagern. Das Risiko, dass die Folienleiterbahnen sonst beim Umbau Schaden nehmen, ist einfach zu groß. Lieber ohne diese umbauen und am Ende erst wieder einsetzen und festschrauben.
Anschließend nimmt man den Block mit den seitlichen vier XLR Eingängen heraus. Dieser muss genauso wieder in das neue Gehäuseunterteil eingesetzt werden. Danach die Hauptplatine einsetzen und festschrauben. zuletzt, wenn das alles passt, prüfen, ob sich die Oberseite leicht draufsetzen lässt. Wenn das der Fall ist, kann man das Display wieder einsetzen und festschrauben.
Zusammensetzen in umgekehrter Reihenfolge wieder Knöpfe einsetzen (Jeder passt nur nenau auf einen Poti, also aufnotieren oder ausprobieren). Alle Schrauben wieder festziehen, Gummifüße einsetzen, fertig.
Fazit
Dass das Altern von Gummi schlicht "normal" ist, wird von manchen Vertreter*Innen der Industrie gerne als Standpunkt eingenommen. Kann man so sehen, aber eigentlich ist es ein Skandal und ein Totalversagen der Produktfertigung, wenn Geräte nach nur fünf oder zehn Jahren Nutzung Probleme mit den Weichmachern im Gummi bekommen. Interessanterweise gibt es aber sehr große Unterschiede. Zahlreiche professionelle Geräte aus den 60er, 70er und 80er Jahren des letzte Jahrhunderts besitzen Gummiteile, die selbst heute noch funktionieren. Es kommt offenbar auf die Beimischungen an und da sollten sich die Hersteller,- nicht zuletzt auch mit Blick auf die Umwelt und die Nachhaltigkeit, an die eigene Nase fassen und ihre Produkte dahingehend optimieren.
Wie auch immer,- schmeißt nicht einfach Geräte weg, weil das Gehäuse unansehnlich geworden ist,- in vielen Fällen kann man ihnen durch die entsprechenden Maßnahmen neues Leben einhauchen...