Eine neue Studie aus den USA unterstellt zahlreichen Serienfiguren, sich den zur Schau gestellten Wohlstand gar nicht leisten zu können. Eigentlich haben wir es schon immer geahnt- viele Protagonisten erfolgreicher Filme und Serien könnten den Lebensstil den sie da vorleben, gar nicht finanzieren. Teure Designerklamotten, und Manolos an den Füßen und ständig teuer essen gehen und das in ganz normalen Berufen? Vieles an den in Seriendrehbüchern entworfenen Figuren ist einfach nicht plausibel.
Dann noch die Mietwohnung in New Yorks Lower Eastside, oder die Ferienwohnungen in den Hamptons oder auch in Montauk, die bezahlen sich auch nicht von alleine. Die Studie aus den USA hat das nun genauer beleuchtet was wir auch ohne Studie schon wussten- die Filmfiguren vieler Erfolgsserien leben völlig über ihre Verhältnisse. Haben wir es mit lauter Hochstaplern zu tun?
Natürlich kann man verstehen, dass die Kameraleute lieber in großzügigen Wohnungen drehen, weil sie besser Licht setzen und einfach tollere Bilder schaffen können. Und auch die Ausstattungsabteilung wählt viel lieber feine Requisiten und Möbel aus, als schlichte Fichtenmöbel zum selbst zusammenbauen. Und das Kostümbild und die Schauspieler*Innen haben natürlich auch den Wunsch, aus dem Vollen zu schöpfen. Alles zusammen sieht einfach viel cooler aus, das ist absolut nachvollziehbar.
Doch was macht das mit den Zuschauer*Innen, die sich mit den Hauptprotagonist*Innen identifizieren und vielleicht ähnliche Berufe ausüben, wie die Stars vor der Kamera? Wenn ihnen auffällt, dass es bei ihnen Zuhause ganz anders aussieht, als in ihren Lieblingsserien.
Schöner ist einfach schöner
Friends
Man denke nur an die legendäre Sitcom "Friends" (1994–2004) in welcher die Hauptfiguren in riesigen, erstaunlich gut ausgestatteten Apartments im Herzen von Manhattan, leben. Monica, die als Köchin arbeitet und Rachel, welche kellnert, bewohnen gemeinsam eine tolle Wohnung die sie sich niemals leisten könnten.
"Sex and the City"
Hauptfigur Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker) bewohnt ein tolles Apartment in New York City und hat eine große Sammlung sehr teurer Designer-Schuhe. Und das, obwohl sie als Kolumnistin arbeitet. Auch ihre Freundinnen führen ein überraschend kostspieliges Leben, was sie sich bei ihren Berufen eigentlich gar nicht leisten können.
"Girls" (2012–2017)
Das Thema Geld wird zwar ab und an angetextet, doch Hannah (Lena Dunham) und ihre Freundinnen leben oft in New York City Apartments, die angesichts ihrer Berufe und Einkommensverhältnisse unrealistisch wirken.
"Emily in Paris" (seit 2020)
Es ist überaus verwunderlich, welche Designermode sich Emily (Lily Collins) obwohl sie als Marketing-Mitarbeiterin gerade erst angefangen hat, leisten kann. Doch irgendwie gehören die Bonbonfarben zu der Serie dazu.
Milieuwechsel
Ganz anders liegt die Sache bei der Serie "Gossip Girl" (2007–2012) die teure Designer-Kleidung, die exklusiven Partys und riesigen Apartments in New York erklären sich zumindest dadurch dass einige der Protagonisten aus sehr reichen Familien stammen.
Erzählerisches Potenzial
Natürlich könnte man solche Unstimmigkeiten auch aus dramaturgischen Gründen einsetzen. Gerade wenn man einen bestimmten Lebensstil erzählen möchte oder will, dass die Proptagonisten einen sozialen Aufstieg erleben, sind glamouröse Lebensstile sehr willkommen. Kleidung gibt hervorragend Auskunft über den Status und die Wünsche einer Filmfigur. Wenn Jemand Kleidung trägt, die er/sie sich eigentlich nicht leisten kann, dann wird damit erzählt, dass diese Person gerne in andere Kreise aufgenommen oder dort anerkannt werden möchte. Das kann erzählerisch durchaus Konflikte sichtbar machen.
Gewollte Ausstattung
Bevor wir hier in eine generelle Realismuskritik einstimmen,sollten wir uns vielleicht auch an die eigene Nase packen. Die meisten Zuschauer*Innen mögen es sogar, wenn ihre Lieblingsheld*Innen gut gekleidet sind, sich an attraktiven Orten aufhalten.
Entsprechend will man den Zuschauern in den Serien, ähnlich wie es Hollywood vorgemacht hat, gerne Traumwelten verkaufen. Schon der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer hat 1928 in seinem Essay "Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino" analysiert, dass es der Wunsch des Massen-Publikums ist, sich in glamouröse, stilisierte Welten zu flüchten.
Luxuriöse oder zumindest edle Kleidung wird, selbst wenn sie für die Figur finanziell eigentlich unerreichbar ist, genutzt um ein Gefühl von Luxus und Eleganz zu vermitteln. Auf diese Weise können Zuschauer in eine Welt voller Wohlstand und Stil eintauchen, in welcher die finanziellen Einschränkungen der Figuren nicht hinterfragt werden.
So klar die Studie aus den USA auch sein mag, es ist nicht so ganz einfach, die Lebenssituation von Serienfiguren so pauschal zu kritisieren. Einerseits würde der Realismusgedanke zwar oft andere Kleidung, andere Wohnsituationen einfordern, andererseits ist bei vielen Serien von Seiten der Zuschauer doch eher etwas mehr Glamour und Traumwelt als nackter Naturalismus gefordert. Letztlich bedienen Serien wie Kinofilme auch, häufig die Sehnsüchte und Wünsche ihrer Zuschauer.