Boomman
Mindestens genauso wichtig wie der/die Tonmeister-in ist beim Film der/die Tonassistent-in (Tonassi), auch Angler-in genannt, die Tonangel ist das wichtigste Werkzeug. Da es, wie wir wissen, darauf ankommt, ein möglichst direktes Tonsignal aufzunehmen, muss der Tonassistent das Mikrofon mithilfe der Tonangel so nah wie möglich an den Mund der Sprechenden heranzubringen, ohne jedoch im Bild zu erscheinen oder dieses zu stören.
Man befindet sich also ständig in der Stresssituation, einerseits mit dem Mikrofon so nah wie möglich an die Münder der Sprechenden zu kommen, andererseits aber nicht in das Bildfeld hinein zu geraten und damit einen ganzen Take zu ruinieren. Wer möchte schon gerne den Unmut des ganzen Teams inklusive der Darsteller-innen abbekommen? Doch genau dieses Risiko müssen Tonangler-innen ständig eingehen, um einen guten Ton einzufangen.
Dass dies keine leichte Aufgabe ist, erkennt man allein daran, dass wohl schon jeder in einem Spielfilm oder Fernsehspiel mal ein Mikrofon ins Bild hat eintauchen sehen (wenn es keine andere oder nur schlechter gespielte Szenen von einer Einstellung gibt, verwendet man auch solch fehlerhafte Aufnahmen). Wer schon einmal längere Zeit die Angel halten musste, weiß, wie anstrengend das sein kann. Deshalb spielt auch das Gewicht der Angel eine Rolle.
Grundregeln
Geangelt wird in der Regel von oben, auch wenn man immer wieder mal Tonangler sieht, die es von unten probieren, weil es bequemer ist und weniger anstrengend für die Arme. Tatsächlich aber verbietet es allein schon die Logik.
Eine weitere Herausforderung ist stets die Lichtführung, schließlich darf man mit seiner Tonangel und dem Mikrofon keine Schatten im Motiv oder gar auf den Schauspieler-inne-n erzeugen. Hier kann man, wenn einem die Erfahrung fehlt, auch die Lichtleute oder das Kameradepartment fragen, wo man sich am Besten hinstellt um Schatten zu vermeiden.
Tonangeln ist, will man es richtig machen, Höchstleistung und durchaus körperliche Arbeit.
Bei fast allen Einstellungsgrößen öffnet sich das Bild vor allem nach unten hin. Also bei der Nahen, der Halbnahen oder gar Amerikanischen bleibt der Headroom über dem Kopf klein, der Angler kann also bei allen Größen wenn er von oben angelt, relativ nah am Mund bleiben. Angelt man aber von unten, wird die Entfernung vom Mund bei Halbnah oder Amerikanisch immer weiter.
Die Angel sollte bei Rechtshändern mit der rechten Hand gedreht und gesteuert werden, während sie auf der linken Hand locker aufliegt. Will man das Mikrofon in seiner Ausrichtung verändern, etwa um bei einem Dialog zwischen zwei Personen von einem Mund auf den anderen zu wechseln, dreht man mit der rechten Hand die Angel und damit das Mikrofon. Natürlich muss die Mikrofonaufhängung vorher vom Winkel her so ausgerichtet sein, dass man durch die Drehung der Angel bequem zwischen zwei Sprechenden hin und herwechseln kann.
Ein weiterer, häufiger Fehler besteht darin, die Angel diagonal zu halten. Das begrenzt den Bildausschnitt für die Kamera unnötig. Eine Tonangel wird deshalb immer waagerecht in der Luft gehalten. Nur dann kann die Kamera ein möglichst weites Bildfeld nutzen. Insbesondere beim Dokumentarfilm, wo die Veränderungen des Bildausschnitts oft nicht vorher geplant werden, gehört diese Grundregel zu den wichtigsten Arbeitsabläufen.
Doch kommen wir zu den Angeln selbst. Welches Gerät benötigt man, was ist zu beachten?
Tonangeln
Tonangeln, auch Mikrofonangeln genannt, gibt es in unterschiedlichsten Längen und Ausführungen. Sie können klein (1 - 2 m), mittel (2 - 3,5 m) oder auch lang (4 - 6 m) sein. An ihrem äußeren Ende befindet sich ein Gewinde, an dem man eine Mikrofonaufhängung befestigen kann. Um sie platzsparend transportieren zu können, bestehen die Angeln meistens aus mehreren ausziehbaren Elementen.
Längere Angeln bestehen eher aus weniger Elementen, kurze aus vier bis fünf. Leider gehören die Arretierungen der verschiedenen Elemente zu den stärksten Verschleißteilen solcher Tonangeln. Sind sie defekt, wackelt die Angel, Versuche des Element dann mit Lassoband zu fixieren, sind meistens schlechte Kompromisse. Einige Händler bieten Ersatzteile an, um die Fehler zu beheben.
Und da der Tonassi diese Angel samt Mikrofonaufhängung und Mikrofon oft längere Zeit am ausgestreckten Arm in die Luft halten muss, sollten Angeln gleichzeitig möglichst leicht und dennoch stabil sein. Die Materialien reichen von Aluminium bis Kohlefaser, die Preisspanne liegt je nach Größe und Ausführung zwischen ca. 100 und 1000 Euro. Da das Halten der Angel ein Kraftakt ist, sollte man als Profi stets die leichteren Kohlefaser-Angeln vorziehen.
Warum verschiedene Längen, könnte nicht eine Angel genügen?
Je weiter der Bildausschnitt ist, in dem der Dialog aufgenommen wird, desto weiter von den Darstellern entfernt steht der Tonassi. Während er bei einer Nahaufnahme praktisch unmittelbar neben dem Schauspieler stehen kann, muss er in einer Halbtotalen durchaus fünf Meter entfernt und vielleicht auch noch auf einer Leiter oder einem Praktikabel stehen, damit die Tonangel und das Mikrofon nicht im Bildausschnitt zu sehen sind.
Da im Spielfilm-Bereich in der Regel weitaus mehr unterschiedliche Einstellungsgrößen vorkommen als beim Dokumentarfilm, benötigt man beim Spielfilm neben einer kürzeren immer auch eine längere Angel. Im Dokumentarbereich kann unter Umständen bereits eine kompakte, ausziehbare Angel bis 2,5 Meter ausreichen.
Das Mikrofonkabel wird übrigens entlang und um die Angel herumgeführt, und falls es nicht ausreicht, meist mit Lassoband (Textilklebeband) oder Kabelbinder fixiert. Es darf ja weder von der Angel ins Bild hineinhängen, noch irgendwelche Geräusche machen, wenn die Angel bewegt wird. Daneben gibt es auch sehr komfortable und teure Angeln, bei denen das Mikrofonkabel im Innern der Rohre hindurchläuft. Das macht die Angeln aber meistens etwas schwerer.
(Aktualisiert)