Budget Breitwand
Auch heute noch sieht analoger Film anders aus als digitale Aufnahmen. Um Kosten zu sparen, drehen viele Kameraleute mit 2Perf. Das liest man immer öfter, doch was genau ist darunter zu verstehen?
Normalerweise hat ein 35mm Filmbild vier Perforationslöcher auf jeder Seite. Wird in der Kamera das belichtete Bild weitertransportiert und der Film ein kleines Stück weiter transportiert, damit das nächste Bild belichtet werden kann, dann wird der Rohfilm um genau vier Perforationslöcher am Bildfenster der Kamera vorbeigeschoben. So hatten sich das Edison und Eastman einst ausgedacht, in Zeiten als der Kinofilm in 4:3 gedreht wurde.
Als das Fernsehen in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts den Kinos zu große Konkurrenz machte, erdachte man breitere Bildseitenverhältnisse, (1: 2,35) um in den Kinos mit Cinemascope neue Seherlebnisse zu bieten. In der Anfangszeit belichtete man für die Breitwand Filme dann einfach nur einen schmalen Streifen in der Mitte auf dem Rohfilm. Mit dieser Methode wurde praktische die Hälfte des Filmmaterials verschwendet.
Um das zu verhindern, wurde das 2-Perf-Format, auch Techniscope genannt, entwickelt, dafür mussten die mechanischen Transport,- und Sperrgreiferschaltwerke in den Filmkameras umgebaut werden. Im Sucherbild wird zudem ein anderer Rahmen eingeblendet. Ansonsten kann man das gleiche Zubehör, die gleichen Objektive wie bei normalem 4 Perf 35mm Dreh verwenden. Die Kameras laufen bei 2 Perf etwas leiser. Mit diesem Verfahren passen doppelt so viele Filmeinzelbilder auf eine Filmrolle, was die Rohmaterial,- und die Kopierwerkskosten halbiert. Das ist angesichts der aktuellen Preise ein massiver Kostenfaktor.
Damit verbunden ist der angenehme Nebeneffekt, dass man auf einer Filmrolle länger drehen kann, dass also seltener die Filmkassette gewechselt werden muss. Das spart Zeit und damit indirekt Kosten am Filmset. Eine Filmrolle mit 122 Metern kann dann statt knapp über 4 Minuten (4:17), mehr als 8 Minuten (8:34) am Stück aufnehmen, eine Filmrolle mit 304 Metern kann mit 2 Perf etwas über 21 Minuten am Stück belichtet werden. Damit sind die Möglichkeiten, analoge Plansequenzen zu drehen, erheblich verbessert.
Qualitätsfragen
Der auf diese Weise belichtete Bildausschnitt entspricht dem Cinemascope-Seitenverhältnis (2.35:1). Natürlich bedeutet das auch, dass die belichteten Bilder kleiner werden,- ein Faktor der vor allem in den 50er und 60er Jahren, der großen Zeit des Cinemascope-Formats eine Rolle spielte. Denn damals waren die Filmmaterialien noch nicht so feinkörnig und weniger lichtempfindlich. Wer also in maximaler Qualität auf 35mm Film in Cinemascope drehen wollte, entschied sich eher dafür, die Bilder mit Anamorphoten auf ein volles 35 mm Bild zusammenzustauchen, das erhöhte die Auflösung. Das anamorphotische Verfahren nennt sich Cinemascope, die entsprechenden Objektive und Kameras kamen jahrzehntelang exklusiv von einer Firma: Panavision. Das hat sich inzwischen geändert, die Objektive werden auch von anderen Firmen hergestellt und angeboten.
Heute aber, wo die Filmmaterialien besser sind, ist das alte Techniscope Verfahren tatsächlich eine spannende Möglichkeit, mit niedrigeren Kosten analog Breitwand-Kino zu drehen. Außerdem bedeutet das Weglassen von Anamorphotischen Objektiven, dass die Aufnahmen schärfer und detailreicher werden. Mann kann sich das nur teilweise Nutzen der Aufnahmefläche auch so vorstellen wie beim Crop bei Sensoren, wenn man nur einen Teil des Sensors nutzt.
Dieses, auch "Spherical 2-Perf" genannte Aufnahmeverfahren erzeugt auch einen besonderen Look, es ist also auch eine gestalterische Entscheidung, denn man zitiert im Prinzip die goldenen Zeiten des Breitwandfilms. Natürlich bedeutet so ein Bildseitenverhältnis auch ganz viel für die Bildgestaltung,- die Sets, die Bildausschnitte, der Bildaufbau, Staging etc. müssen entsprechend angepasst werden, damit die Bilder nicht zu leer oder aussageschwach wirken.
Tatsächlich wird auch 2025 hin und wieder in Techniscope gedreht, natürlich mit alten analogen Kameras, die aber, da das Filmmaterial der entscheidende Qualitätsfaktor ist, also das, was im digitalen Film der Sensor und der Prozessor übernimmt, problemlos auch heute noch eingesetzt werden können. Kodaks Vision 3 Material (mit feinem Filmkorn) kombiniert mit hochwertigen Scans der entwickelten Negative gewährleistet ein sehr hohes Qualitätsniveau.
Beispiele für 2 Perf Produktionen
- "Titanic" (Regie: James Cameron, USA 1997) - Die Unterwasserszenen wurden in 2 Perf gedreht
- "Grindhouse" (2007, Kamera: Milan Chadima, Phil Parmet, Regie & Kamera: Quentin Tarantino und Robert Rodriguez)
- "Of Gods an Men" (Regie: Xavier Beauvoix, Kamera: Caroline Champetier, F 2010)
- "Argo" (2012, Regie: Ben Affleck)
- "Silver Linings Playbook" (2012, Regie: David O. Russell)
- The Ballad of Lefty Brown (Regie: Jared Moshé, Kamera: David McFarland, USA 2017)
- I, Tonya (Regie: Craig Gillespie, Kamera: Nicolas Karakatsanis, 2017)
- The Truth (La Vérité) (Regie: Hirokazu Kore-eda, Kamera: Eric Gautier, F 2019)
- Fanny Lye Deliver’d (Regie: Thomas Clay, USA 2019)
- "I Know This Much Is True" (2020, Regie: Derek Cianfrance)
- "Bergman Island" (2021, Regie: Mia Hansen-Løve)
- "To Leslie" (2022, Regie: Michael Morris)
- "Severance" (Kamera: Jessica Lee Gagné) 2025