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Drehstop 2000 

Wo das öffentliche Leben heruntergefahren wird, werden alle nicht für die Versorgung der Menschen zwingend notwendigen Tätigkeiten ebenfalls eingefroren. Künste und damit auch der Filmbereich, gehören dazu.

 

Notbremsung

Das "Social Distancing" betrifft nicht nur Dreharbeiten, sondern natürlich auch die Postproduktion. Und das nicht nur in Europa. So wird sich etwa das von vielen erwartete "Friends Reunion Special", welches von HBO produziert wird, verschieben. Bitter nicht nur für die Fans, sondern auch für Warners neuen Streaming-Dienst, der damit kräftig geworben hat. Die Reunion der Schauspieler der einstigen Kultserie für einen einzelnen Film, konkret Jennifer Aniston, Courtney Cox, Lisa Kudrow, David Schwimmer, Matthew Perry, und Matt LeBlanc hatte vorab viel Aufmerksamkeit in den Medien erhalten. Nun steht die Postproduktion des Films bis auf weiteres still.

 

Überall in der Welt werden Dreharbeiten abgebrochen, entweder vorbeugend oder wegen konkreter Corona-Fälle. So wurde Ende Februar bekannt, dass Tom Hanks während der Dreharbeiten zu einer Filmbiografie über Elvis Presley (Regie: Baz Luhrmann) in Australien positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Dies führte zum sofortigen Abbruch der Dreharbeiten.

 

Disney hat einen Drehstop für "The Little Mermaid", "Nightmare Alley" (Regie: Guillermo del Toro) und "The Last Duel" (Regie: Ridley Scott) mit Matt Damon und Ben Affleck verhängt und 20th Century Studios und Warner Bros. haben die Dreharbeiten zu "Avatar 2" und "The Batman" unterbrochen. Bei Netflix sind angeblich etwa 90 Produktionen betroffen.

 

Stillstand selbst bei abgedrehten Projekten

Auch in Deutschland werden diverse Produktionen aktuell nicht fertig gestellt, weil der Schnitt, die Vertonung, Nachsynchronisation etc. ruhen. Das bedeutet für die Produzenten, dass ihre Filme nicht abgenommen werden und sie die letzte Rate von Fernsehsendern und Filmförderungen nicht abrufen können. Da Produktionskosten oft über Banken zwischenfinanziert werden, erzeugt das zusätzliche Kosten.

 

Konsequenzen

Für Produzenten ist das Herunterfahren bereits unmittelbar bevorstehender Drehs oder gar der Abbruch bereits laufender Dreharbeiten ein mittelschweres Desaster. Für Außenstehende schwer nachvollziehbar, sind Vorbereitungsabläufe wie Planung, Organisation, Drehorte vorzubereiten und auch das Anstellen von Team und Darstellern Prozesse, die wenn sie abrupt unterbrochen werden, extreme Kosten verursachen können. Je nach Vertragslage müssen evtl. sogar Ausfälle und Abfindungen gezahlt werden, es hängt häufig vom Goodwill aller Beteiligten ab, wie teuer der Dreh-Exit für die Produktion werden wird. Im Zweifel fordern alle Fortszahlung der Löhne.

Es geht also um sehr viel Geld und das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb es hierzulande noch keine eindeutige Haltung zu Dreharbeiten und Verboten wegen Corona gibt. Abbruch oder Fortführung von Dreharbeiten hingen bislang (Stand 26. März 2020) von der Haltung der Produktion ab. Theoretisch durfte in Corona-Zeiten in manchen Bundesländern noch weitergedreht werden und man mag es kaum glauben, einige Produktionen haben das auch getan.

Diverse Produktionshäuser haben für ihre MitarbeiterInnen Kurzarbeit beantragt, manche bauen Urlaubstage ab, die ganze Branche ist betroffen. In den Fernsehsendern werden aktuell vermehrt Reportagen und Diskussionsrunden gesendet, bei den Privatsendern sinken die Werbeeinnahmen.

 

Härtefälle in der Branche

Angesichts von Produzenten, die aus Verantwortungsgefühl ihrem Team und den Schauspielern gegenüber, Dreharbeiten abgebrochen haben und nun großen Ausfällen oder gar Schulden ins Auge sehen müssen, sind natürlich Drehs anderer Produzenten, die parallel noch weitergeführt werden, ein Unding. Verschiedentlich sind auch bereits Dreharbeiten wegen Corona-Fällen abgebrochen worden, wie beispielsweise bei der RTL-Soap "Alles was zählt", wo einer der Komparsen positiv getestet wurde.

 

So hat etwa Uli Aselmann, Produzent aus München seine Dreharbeiten in Hamburg der ZDF Reihe "Sarah Kohr" mit Lisa Maria Potthoff in der Hauptrolle, ohne offizielles Verbot, sondern aus Verantwortung, abgebrochen. Offenbar gibt es in Deutschland in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen und in Hamburg eben keine offizielle Anordnung die Dreharbeiten verbietet. Damit können Produzenten, die Dreharbeiten ohne Anordnung abbrechen, nicht einmal Regressansprüche bzw. Lohnfortzahlung für die MitarbeiterInnen geltend machen. Filmversicherungen zahlen ohnehin nicht bei weltweiten Virus-Epedemien. Das Risiko tragen in solchen Fällen nach aktueller Gesetzeslage die Produzenten.

 

Hilfsansätze

Für Auftragsproduktionen, die wegen Corona abgebrochen werden müssen, haben ARD und ZDF angeblich eine Beteiligung an den Ausfällen in Höhe von 50 % angekündigt. Auch die Privatsender wollen sich in noch nicht genannter Höhe an Ausfällen beteiligen. Doch die ersten Redaktionen haben zurückgerudert, ihre Rechtsabteilungen sehen Probleme, wenn die Sender den Produzenten Gelder überweisen, bevor die fertigen Filme abgeliefert werden. Zugleich bedeutet das natürlich, dass künftige Budgets vorerst kleiner werden, irgendwoher muss das Geld für den Ausfall ja kommen.

 

Die wichtigsten Deutschen Länder-Filmförderungen haben sich daruf geeinigt, eine Art Hilfsfonds in Höhe von 15 Millionen Euro bereitzustellen. Damit sollen bereits geförderte Projekte (bis zum 18.3. Förderzusage), deren Produktionsbeginn bis Ende Juni hätte stattfinden sollen, Hilfe in Anspruch nehmen können. Gemeint sind damit Mehrkosten durch Abbruch/Verschiebung bzw. Verzicht auf Rückzahlung von Förderbeträgen bei vollständigem Abbruch sowie Förderdarlehen.

 

Weiterdreher

Andererseits werden offenbar die Dreharbeiten zu den Soaps "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (lediglich eine Woche Corona Drehpause) sowie "Unter uns" weiterhin fortgeführt, angeblich unter strengen Hygienemaßnahmen, was auch immer das angesichts der weitgehenden Symptomfreiheit vieler Corona-Infizierter sein soll, weitergeführt. Dabei ist die Produktionsfirma der Soaps eher ein Schwergewicht in der Branche und vielleicht finanziellen Ausfällen gegenüber nicht ganz so verletzbar wie kleine Independent-Produktionsfirmen. Auch die Serien "Berlin - Tag & Nacht" (umgestellt auf tägliche WG Live-Sendungen) und "Köln 50667" (Filmpool) arbeiten unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen bisher weiter.

 

Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehört etwa der Verzicht auf Maskenbildner, Dreharbeiten außerhalb von Studios und die Einhaltung von Mindestabständen. Ein schwierig vorstellbares Szenario. Auch die Berliner X Filme (Babylon Berlin) führt Dreharbeiten sowohl auf Privatgelände und auf öffentlichen Plätzen aktuell größtenteils weiter. In diversen Foren posten einige SchauspielerInnen, die nach wie vor weiterdrehen müssen, mittlerweile ihre Sorge vor Ansteckung, weil sich an Filmsets die geforderten Abstände kaum einhalten ließen.

 

Während in Bayern Dreharbeiten, bis auf Drehs für Nachrichten etc. im öffentlichen Raum vorerst bis 19. April verboten sind, kann auch dort in Studios theoretisch weitergedreht werden. Obwohl man natürlich verstehen kann, dass verschiedene Produzenten versuchen, den drohenden finanziellen Ruin abzuwenden, wäre eine einheitliche Haltung dazu, die vermutlich "Drehstop" lauten würde, absolut sinnvoll.

 

Beispiele abgebrochener Deutscher Produktionen

 

„Der junge Häuptling Winnetou“ (Samfilm), ursprünglicher Drehbeginn: 14. April, Verschoben

Bergretter (NDF)

Der Alte (NDF)

Um Himmels Willen (NDF)

Die Fallers (SWR) Abgebrochen

Dittsche (WDR)

Sarah Kohr (ZDF) Abgebrochen

Alle Nadeln an der Tanne (ZDF) Am Drehtag 9 abgebrochen.

Tatort aus Franken (BR) "Wo ist Mike" Drehstart 3.3.2020, gestoppt am 19.3.2020

Tatort München (BR)

Traumschiff (ZDF) pausiert

Rote Rosen (NDR) Abgebrochen

Ludwigshafen-Tatort (SWR) Dreh abgebrochen

Tatort Kiel, Vorläufig unterbrochen

Dahoam is Dahoam (BR) unterbrochen

Polizeiruf Magdeburg (MDR) Dreh Verschoben

 

Wann wird weitergedreht?

Völlig unklar ist, wann wieder Dreharbeiten beginnen werden. Das Hauptproblem liegt gar nicht unbedingt nur in der Lockerung der Ausgangssperren. Das größere Problem wird wohl sein, dass keine Filmversicherung das Corona-Infektionsrisiko wird versichern wollen. Pandemien sind nämlich in den Versicherungsverträgen ausdrücklich ausgeschlossen. Und welche Produktionsfirma will bei einem neuen Drehstart im Sommer, Herbst oder Winter ohne Ausfallversicherung für die HauptdarstellerInnen sowie die Regie, in ein nicht kalkulierbares Drehrisiko hinein gehen?

Hier liegen die eigentliche Hemmnisse für einen baldigen Produktionsstart. Es wird auf die Risikobereitschaft der Produktionsfirmen und ihrer Teams ankommen, wie bald man wieder die ersten Filmklappen schlagen wird.

 

Die Produzentenallianz hat zu Corona eine eigene Unterseite aufgesetzt, unter anderem mit Richtlinien für sicheres Drehen unter Corona: https://www.produzentenallianz.de/coronavirus/

 

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