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Hueller Petri 4000

(v.L. Franziska Petri und Sandra Hüller in der Episode "Sabotage" aus "Midsommar Stories", Regie: Andi Niesner, Produktion: Allary-Film, TV & Media, D 1999)

 

Filmfiguren lebendig werden lassen

Was machen die Menschen eigentlich, die sich um eine möglichst optimale Besetzung kümmern? Über vieles beim Film lässt sich trefflich streiten, doch die Bedeutung der richtigen, der perfekten Besetzung von Filmrollen ist praktisch unstrittig. Sie ist extrem wichtig, zugleich komplex und deshalb gibt es auch Personen, die genau diese Arbeit beruflich übernehmen.

Caster gibt es sowohl freiberuflich, als auch fest angestellt. Letztere findet man in Fernsehanstalten in den Besetzungsbüros oder auch in Produktionsfirmen, wenn diese viele Produktionen im Jahr zu besetzen haben. Die Free-Lancer werden Projektweise eingestellt. Ein besonderer Vorteil von Castern ist es, dass sie unabhängig sind und nicht prozentuell an Gagen beteiligt, wie es etwa Schauspiel-Agent*Innen sind.

Zu ihren Aufgaben gehört es, Drehbücher sehr genau auf die Filmfiguren abzuklopfen, mit Regisseur*Innen, Redakteur*Innen und Produzent*innen einerseits und Schauspieler*Innen andererseits zusammenzuarbeiten. Caster müssen dafür ein gutes Gespür für Drehbücher, für dramaturgische Abläufe und die Tonalität des Filmstoffs besitzen. Aus diesen heraus entwickeln die Caster*Innen ein Besetzungskonzept und besprechen dieses mit der Regie. Im Dialog zeigt sich dann, ob man ähnliche Vorstellungen hat und natürlich auch, welche Gagen theoretisch möglich wären. Letzteres ist sehr wichtig, denn auch kleiner Filme können von prominenten Stars profitieren, weil diese zusätzliche Zuschauer*Innen generieren und eine Produktion hochwertiger wirken lassen. Voraussetzung ist natürlich, dass diese auch perfekt auf die Rolle passen. Die Besetzung eines Filmes oder einer Serie ist mit einige Risiken behaftet, weil es zahllose stimmige Möglichkeiten gibt, aber noch viel mehr falsche Optionen.

Natürlich kommt es sehr auch auf die Person des Casters, der Casterin an, schließlich nimmt diese eigene Einschätzungen, Bewertungen vor, bring das eigene Empfinden für Charaktere, für noch papierne Filmfiguren im Drehbuch mit ein. Schließlich sind es die für so ein Film-Ensemble ausgewählten Personen, die auf Grund ihrer individuellen Persönlichkeit die auf dem Papier beschriebenen Filmfiguren lebendig werden lassen.

 

Midsommar Paar 4000

(Susanne Batteux und Joachim R. Iffland in der Episode "PAX" aus "Midsommar Stories", Regie: Michael Chauvistré, Produktion: Allary-Film, TV & Media, D. 1999)

 

Dabei folgt eigentlich jeder Film eigenen Gesetzmäßigkeiten, hat jedes Drehbuch eine innere Wahrheit, die man erkennen und treffen oder falsch deuten und übersehen kann. So ist jeder Film ein neuer Anlauf, ein neues Wagnis. Es gibt, wenn man sich einmal die schiere Zahl an Schauspieler*Innen anschaut, einfach unzählige Möglichkeiten, richtige und falsche. Und wenn in so einer Besetzung eines Filmes auch nur eine Figur qualitativ oder von den Möglichkeiten herausfällt, dann wird das schnell bemerkt und beeinträchtigt die Gesamtwirkung des ganzes Filmes oder der Serie. Man muss auch sehr sensibel vorgehen beim Besetzen, muss ein Gespür für die Personen haben, muss seinem Unbewussten vertrauen, damit etwa Filmpaare das auch glaubwürdig spielen können, wenn die Chemie da nicht stimmt, spüren das die Zuschauer*Innen sofort.

 

Vorgehensweise

Caster beobachten natürlich den Markt und schauen sich viele Filme und Serien an, analysieren sehr genau und akribisch, beobachten die Schauspieler*Innen in ihren Rollen. Sie merken sich, wer seine Dialoge überzeugend verkörpert oder wer sie nur auswendig lernt und aufsagt. Sie müssen ein Gefühl dafür haben, ob man Schauspieler*Innen gemeinsam als Paar empfindet oder ob die Chemie überhaupt nicht stimmt. Bevor sie irgendwelche Vorschläge weitergeben, klopfen sie ab, ob die betreffenden Schauspieler*Innen in dem geplanten Drehzeitraum überhaupt verfügbar sind. Caster*Innen haben zudem Aufzeichnungen, in denen sie notiert haben, was die betreffenden Personen zuletzt bei welcher Produktionsform verdient haben. So sind die gagen etwa bei ZDF und ARD, bei Fernsehen oder Kino durchaus unterschiedlich.

Da Caster in der Regel über eigene Datenbanken auf eine Vielzahl von Materialen zugreifen können, sind die Vorschläge heute stets mit zahlreichen Fotos und Demos verknüpft, die man sich dann Online anschauen kann. Wenn es sich um unbekannte oder noch wenig bekannte Schauspieler*Innen handelt, organisieren die Caster*Innen Probeaufnahmen, Vorsprechtermine etc. Sie leiten dann diese Vorsprechtermine, geben Anweisungen, lesen selbst oder lassen die Gegenparts bei Dialogen lesen und beurteilen die schauspielerischen Fähigkeiten, das Aussehen, die Chemie zwischen den Darstellern und andere wichtige Faktoren. Manchmal begeben sie sich auch ganz bewusst auf die Suche nach noch unentdeckten Talenten etwa an kleinen Theatern oder bei Schauspielschulen.

Gerade beim Entdecken von neuen Talenten ist Instinkt sehr wichtig,- das Potential, die Spielfreude und Energie der Schauspieler*Innen früh zu erkennen. Da das Casten insbesondere bei Serien mitunter sehr aufwändig sein kann, hilft es, Zeit zu sparen, indem man e-castings macht, also virtuelle Vorsprechtermine (Auditions) per Internet. Das ist immer dann besonders wichtig, wenn die Schauspieler*Innen kaum bekannt sind und es noch wenig Demo-Material aus anderen Filmen gibt.

Manchmal, aber das ist eher die Ausnahme, betreiben Caster*Innen auch Streetcasting. Das ist immer dann notwendig, wenn die Filmfiguren bestimmte Eigenschaften, Ethnien etc. mitbringen sollen, die man in den Schauspielerdatenbanken nicht findet. Dann sucht man auch in Verbänden, Vereinen, Communities etc. oder schlicht wie der Name schon sagt, auf der Straße.

Natürlich sind die Hauptrollen am Wichtigsten, einmal weil sie den Film oder die Serie tragen, aber auch, weil eine starke, im besten Fall prominente Besetzung die Finanzierung / Föderung erleichtert. Doch auch die Nebenrollen müssen genau ausgewählt sein und präzise passen. Was die Vorschläge angeht, so arbeiten die Caster*Innen höchst unterschiedlich. Manche Caster überhäufen die Regie geradezu mit Vorschlägen, da werden auch gerne 10 bis 20 Personen für eine einzige Rollenfigur vorgeschlagen. Eigentlich wünscht man sich, dass die Caster einen gerade nicht mit so einer Vielfalt überhäufen, sondern eher vorselektieren und nur die Top-Vorschläge präsentieren.

Die im Januar 2023 verstorbene Casting-Legende Simone Bär etwa, machte für jede Rolle genau einen Vorschlag. Dabei floss durchaus auch privates Wissen über Charaktere und Schicksale der jeweiligen Schauspieler*Innen in ihre Abwägungen mit ein. Sie besetzte vornehmlich Kinofilme und hatte einen internationalen Ruf. Sie entdeckte Schauspieler*Innen wie Sandra Hüller oder Daniel Brühl. So kamen auch Regisseure wie Quentin Tarantino, Wes Anderson, François Ozon, Steven Spielberg oder Stephen Daldry auf sie zu, wenn sie Deutsche Filmfiguren zu besetzen hatten. Wenn man bei Förderanträgen oder in Verhandlungen mit Fernsehsendern sagen konnte, dass sie die Besetzung gemacht hat, war das automatisch ein Gütesiegel für das Projekt.

Casting-Direktoren kümmern sich in der Regel nicht um Statistenrollen. Und auch was die Besetzung von Kindern und Jugendlichen im Film angeht, so gibt es dafür spezialisierte Castingagenturen.

 

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